rbb24
  1. rbb|24
  2. Wirtschaft
Audio: rbb | 04.10.2022 | Nico Hecht | Quelle: imago images/Frank Hoermann

Forderung nach schnellen Hilfen

Energiepreise treiben immer mehr Betriebe in die Pleite

95 Jahre gibt es die Bäckerei Plessow in Teschendorf bereits. Doch die steigenden Energiepreise setzen dem Betrieb zu. So ergeht es anderen Unternehmen auch. Eine Verschuldung ist für einige die einzige Option. Sie hoffen daher auf schnelle Hilfen. Von Nico Hecht

Bäckerfamilie Plessow hat schon viele Krisen überstehen müssen. Aber im Moment ist es besonders schwierig, sagt Meister Fred Plessow. Diese Woche feiert der Betrieb in Teschendorf bei Oranienburg (Oberhavel) sein 95-jähriges Bestehen. Aber die immer weiter steigenden Energiekosten würden ihm und den Mitarbeitern die Jubiläumsstimmung verhageln, sagt der Bäcker: "Es ist belastend gerade. Man würde gerne so schöne Sachen machen, hat aber nur noch mit Preisanpassung und Bürokratie zu tun. Das macht keinen Spaß."

Interview | Ernährung und Inflation

"Viele fragen, ob die Preissteigerungen im Supermarkt rechtens sind"

Angesichts steigender Lebensmittelpreise sparen viele Bürger hier beim Einkauf, nicht zuletzt auch bei Bioprodukten. Britta Schautz von der Verbraucherzentrale Berlin fordert ein Gegensteuern der Politik - und gibt Tipps für nachhaltige Einkäufe.

Energierechnungen in drei- bis achtfacher Höhe

Zweimal habe Fred Plessow in den letzten Monaten schon die Preise erhöhen müssen, sagt er. Er sei selbst erstaunt, wie viel Verständnis seine Kunden bisher dafür haben. Seine Gasrechnung sei von 850 Euro im Monat auf 2.440 Euro gestiegen, berichtet der Bäcker. Deshalb müsse er jetzt sogar prüfen, ob die letzte Preiserhöhung für Brot und Brötchen überhaupt ausreiche.

Mit einer dreimal so großen Rechnung wie im Vorjahr liege die Teschendorfer Bäckerei im unteren Durchschnitt von dem, was die Betriebe in Brandenburg gerade verkraften müssen, sagt der Präsident der Handwerkskammer Potsdam, Robert Wüst. Es würden sich Betriebe melden, die beim Gas von Erhöhungen bis auf das Achtfache berichten. Das könnten die Betriebe allein nicht mehr stemmen, meint Wüst. Wenn Bund und Land jetzt nicht unterstützten, stünde Brandenburg vor einem Sterben vieler Handwerksbetriebe.

Alle Branchen betroffen

Besonders gefährdet seien die Firmen in energieintensiven Branchen. Aber es müssten alle Handwerker mit den Energiepreisen auf Rekordniveau kämpfen, egal ob Metall-, Bäcker- oder Kosmetikhandwerker, so Wüst. Sehr deutlich werde das bei den Bäckereien.

Es sei bereits so weit, dass jeden Tag Betriebe schließen, sagt der Innungsobermeister in Berlin und Brandenburg, Tobias Exner. Seine Kollegen könnten nur begrenzt gestiegene Kosten an Kunden weiterreichen. Um den Rest stemmen zu können, bliebe dann oft nur noch, neue Kredite aufzunehmen.

Das würden in Brandenburg aber viele Handwerker nicht können oder wollen. "Es gibt viele Unternehmer, die jetzt vor der Entscheidung stehen: Schließe ich mein Unternehmen oder hänge ich mir zehn Jahre vor der Rente noch einmal ein paar Hunderttausend Euro Schulden an die Nase", sagt der Brotsommelier aus Beelitz.

Bund-Länder-Treffen mit Scholz

Woidke dringt auf schnelle Klarheit über Gaspreisbremse

Kenntnis der konkreten Planungen für die Gaspreisbremse – das fordert Brandenburgs Ministerpräsident Woidke vor den Bund-Länder-Spitzenberatungen mit Kanzler Scholz. Die faire Lastenverteilung müsse das Ziel sein, heißt es aus den Ländern.

Schnelle Geldzuschüsse gefordert

Bei diesen großen Sorgen dauere es den Handwerkern in Brandenburg viel zu lange, bis die Hilfen aus dem dritten Entlastungspaket des Bundes wirklich auf den Weg kommen, sagt der Präsident der Handwerkskammer Potsdam Robert Wüst. Die Betriebe bräuchten dringend die Strom- und Gaspreisbremsen. Das sei das Wichtigste.

Er fordere jetzt schnelle und unbürokratische Hilfen. Und er denke dabei nicht an Kredite. Denn diese entwickelten sich schnell zu zusätzlichen Belastungen. Das hätten die Hilfskredite in der Coronapandemie gezeigt. Er denke an Zuschüsse von Land und Bund für betroffene Betriebe.

Hohe Strom- und Gaspreise

Frankfurter Stadtwerke rechnen erst 2024 mit günstigeren Energiepreisen

Die Stadtwerke in Frankfurt (Oder) erwarten 2022 und 2023 Höchstpreise bei Strom und Gas. Erst 2024 sollen die Preise womöglich sinken - und das aus mehreren Gründen. Für die geplatzte Gasumlage werden die Kunden nicht bezahlen müssen.

Hilfen wohl ab Dezember

Auch Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach hofft auf schnelle Entlastungen. Er erinnert aber daran, dass eine Gaspreiskommission bis Mitte Oktober Zeit hätte, Vorschläge zu machen. Steinbach geht davon aus, dass die Erleichterungen durch die Strom- und Gaspreisbremse ab Dezember die Verbraucher und Handwerker erreichen werden.

Für zusätzliche Brandenburger Hilfen wäre es aber notwendig, dass der Bund eine Notlage erklärt. Das brauche es, um trotz geltender Schuldenbremse neue Kredite aufnehmen zu können, mit denen die Hilfen finanziert werden könnten, so Steinbach.

Aufforderungen von verschiedenen Oppositionspolitikern im Brandenburger Landtag, die Notlage allein für das Bundesland zu erklären, lehnt der Wirtschaftsminister ab. Man müsse davon ausgehen, dass diese Erklärungen juristisch angefochten würden, erklärt Steinbach. Wenn dann der Bund keine Notlage erkenne, sei es bei Gericht schwierig, eine Notlage als einzelnes Bundesland zu rechtfertigen.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 04.10.2022, 19:30 Uhr

Die Kommentarfunktion wurde am 07.10.2022 um 18:16 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

Beitrag von Nico Hecht

Artikel im mobilen Angebot lesen