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Audio: rbb24 Inforadio | 30.09.2022 | Wolf Siebert | Quelle: Wolf Siebert/rbb

Klage gegen Fondsgesellschaft

Eigentümer droht nach Bauträgerpleite der Wohnungsverlust

In Berlin-Friedrichshain sollte ein Bauträger Eigentumswohnungen bauen, doch mittendrin stellte dieser die Arbeit ein. Die Käufer bauten in Eigenregie weiter, nun aber droht ihnen der Verlust der Wohnungen durch die finanzierende Fondsgesellschaft. Von Wolf Siebert

Symeon Yovev beschreibt den Kampf um die Wohnungen als "nervenaufreibenden Marathon". 2014 hatten die Eltern des 42-jährigen Künstlers aus Sofia bei einem Bauträger drei Ein-Zimmer-Wohnungen in Friedrichshain gekauft, in der Richard-Sorge-/ Ecke Auerstraße. Die Mieteinnahmen sollten ihren Lebensabend absichern.

Bald aber gab es Probleme: 2016 sollten die Wohnungen fertig sein. Doch 2016 hatten noch nicht einmal die Bauarbeiten begonnen, erzählt Yovev, der inzwischen in Berlin lebt. 2019 ging dann dem Bauträger das Geld aus. Warum ist bis heute ungeklärt. Er hinterließ halbfertige Wohnungen, die auch noch Baumängel hatten. Einige Käufer zogen dennoch ein, weil sie sonst auf der Straße gesessen hätten. Die Käufer beschlossen: Wir bauen in Eigenregie zu Ende - obwohl keiner entsprechende Erfahrungen hatte, viele noch einmal Geld nachschießen mussten.

Fondsgesellschaft will Käufer auszahlen und Wohnungen verkaufen

2022, acht Jahre nach Unterzeichnung des Kaufvertrags, sind auch Yovevs Wohnungen endlich fertig. Aber möglicherweise wird er sie verlieren: Das Bauträger-Projekt wurde nämlich auch durch die Einlagen eines geschlossenen Immobilienfonds finanziert, der seinen Anlegern eine üppige Rendite versprochen hatte. Um das abzusichern, hatte die Fondsverwaltung, die "Metropolitan Estates Berlin GmbH", im Grundbuch eine Grundschuld eintragen lassen. Da bei der Bauträgergesellschaft nichts zu holen ist, will der Fonds die Wohnungen nun zwangsversteigern lassen.

Quelle: privat

Juristisch ist das durchaus möglich, sagt sogar Yovevs Anwalt, Alexander Kluge: "Hier ist das besondere Risiko, dass die Makler- und Bauträgerverordnung den Erwerber nur vor dem Bauträger schützt, nicht aber vor der ihn finanzierenden Bank." In der Verordnung heißt es: "Wird das Bauvorhaben nicht vollendet, kann der Kreditgeber dem Käufer die geleisteten Zahlungen zurückzahlen." Praktisch hieße das: Der Kreditgeber zahlt die Käufer aus und bekommt dafür die Wohnungen.

Die Käufer hingegen argumentieren: Sie haben die Wohnungen auf eigene Kosten zu Ende gebaut. Dadurch haben sie ihre Zahlungsverpflichtung aus dem Kaufvertrag erfüllt. Deshalb soll die Fondsverwaltung die im Grundbuch eingetragene Grundschuld löschen. Symeon Yovev und einige andere Käufer sind nun gegen die Fondsgesellschaft vor Gericht gezogen. Ende September fand ein erster Prozesstag statt.

Interview | Bau einer Eigentumswohnung

Probleme mit dem Bauträger: So kann ich mich schützen

Wer eine Eigentumswohnung kauft, die erst noch gebaut wird, kauft die Katze im Sack – und kann dabei auch ganz schön reinfallen. Wie kann man sich da absichern? Ein Gespräch mit Florian Becker, Geschäftsführer vom "Bauherren-Schutzbund".

Von der Wertsteigerung haben die Käufer nur wenig

Käufer Symeon Yovev fragt sich, warum die Fondsverwaltung ihre Forderung nicht schon viel früher angemeldet hat. Seine Vermutung: "Sie haben gewartet, bis wir das Gebäude für sie zu Ende gebaut haben. Nun wollen sie uns unsere Wohnungen wegnehmen und sie für das Dreifache verkaufen. Uns aber wollen sie nur einen Bruchteil dessen zurückzahlen, was die Wohnungen heute wert sind."

Von der Wertsteigerung hat Käufer Yovev wenig. Er bekommt lediglich das Geld zurück, das er an den Bauträger gezahlt hat - plus vier Prozent Zinsen. Von diesem Geld muss er - falls er den Prozess verliert - auch noch Anwalts- und Gerichtskosten zahlen.

"Es verstößt evident gegen die Grundsätze von Treu und Glauben", so die Einschätzung von Rechtsanwalt Kluge, "wenn man die Menschen sehenden Auges fertig bauen lässt und sie noch einmal eigenes Geld investieren lässt, das sie nicht an den Bauträger zahlen und das deswegen nicht erstattet werden muss."

Quelle: privat

Mangelhafter Schutz von Wohnungskäufern

Symeon Yovev ist kein Einzelfall. Mit den Einlagen des geschlossenen Immobilienfonds wurden in Berlin vier Projekte mit Eigentumswohnungen finanziert. Auch bei ihnen gab es ähnliche Probleme wie in der Richard Sorge-Straße: viel zu lange Bauzeiten, Baumängel, Rechtsstreitigkeiten. Ein Projekt ist noch heute ein Rohbau. "Es ist schon auffallend", so Rechtsanwalt Kluge, "wenn in mehreren ähnlich gelagerten Projekten mit den immergleichen Beteiligten, die zumindest dahinterstehen, die immergleichen Sachverhalte sich ereignen. Dass also Bauprojekte in einer Art und Weise zum Erliegen kommen, dass das nicht recht nachvollziehbar ist."

Kluge kritisiert, dass der Schutz von Wohnungskäufern durch die Makler- und Bauträgerverordnung nicht ausreichend sei. Hier müsse dringend nachgebessert werden. Über einen besseren Käufer-Schutz wird auch in der Politik schon seit Jahren diskutiert, verbessert wurde aber zuletzt nur die Situation von Menschen, die per Bauvertrag ein Eigenheim bauen lassen, kritisieren Verbraucherschützer wie der Bauherren-Schutzbund.

Gerichtsurteil erst im November

Am ersten Tag der Verhandlung am Berliner Landgericht machte der Richter deutlich, dass er die Position von Symeon Yovev durchaus für nachvollziehbar hält. Die Fondsverwaltung hätte ihre Forderung möglicherweise "unverzüglich" anmelden müssen. Die Fondsverwaltung sieht sich hingegen selbst als Geschädigte, weil der Bauträger das Darlehen nicht zurückgezahlt hat.

Der Richter will seine Entscheidung Mitte November verkünden, legte den Parteien aber auch nahe, über einen Vergleich nachzudenken. Der könnte so aussehen, dass Käufer Yovev erneut eine bestimmte Summe nachschießt, die Fondsverwaltung sich damit zufriedengibt und die Löschung der Grundschuld veranlasst. Yovev würde dann die Wohnungen behalten.

Die Eltern von Symeon Yovev bekommen das alles nicht mehr mit. Sie sind inzwischen verstorben.

Sendung: rbb24 Inforadio, 30.09.2022, 06:00 Uhr

Beitrag von Wolf Siebert

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