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Audio: Inforadio | 14.02.2021 | Maria Ossowski | Quelle: Staatsoper/ Bernd Uhlig

Premierenkritik | "Jenufa"

"Das ist künstlerisch nicht zu übertreffen"

An der Berliner Staatsoper feierte am Samstagabend Leoš Janačeks "Jenufa" Premiere. Natürlich per Stream. Doch auch digital war der Abend ein Fest, findet Maria Ossowski - und hofft, diese "Jenufa" live und real bejubeln zu dürfen.

Sie sind so wahrhaftig. Sie leben ihre Gefühle. Liebe, Mütterlichkeit, Hass, Neid, Verachtung, Vergebung. Die Frauen in Leoš Janačeks "Jenufa" sind das starke Geschlecht. Die Geschichte hat eine Frau geschrieben, Gabriela Preissova. Sie erzählt von der Dorfschönheit Jenufa, schwanger vom eitlen Steva, verunstaltet vom zurückgewiesenen Laca. Die Stiefmutter ermordet das Kind, und dennoch endet das Drama in Liebe.

"Anbetungswürdig, schlicht umwerfend"

Was die Staatsoper Unter den Linden am Samstagabend präsentiert hat - und hoffentlich bald auch vor Publikum spielen wird - das ist künstlerisch nicht zu übertreffen.

Aus drei Gründen.

Erstens die Besetzung: Weltstar Camilla Nylund ist eine lyrische und kraftvolle, weiche und bezaubernde Jenufa. Legende Hanna Schwarz spielt eine glänzendgraue Großmutter, Ladislav Elgr einen brutalsimplen Steva, Stuart Skeleton den stetig liebenden Laca.

Anbetungswürdig, schlicht umwerfend, ist Evelyn Herlitzius als Küsterin, als Stiefmutter, als Mörderin. Sie, die große Wagnersängerin, hat hier alles Elend des Lebensüberdrusses und der Schuld in eine Figur gepackt.

Am Ende gehen sie warmen Strahlen entgegen

Zweitens: die Regie. Das Staatsopern-Debüt des Italieners Damiano Michieletto läßt alle frieren in dieser frauenverachtenden Gesellschaft. Eisige Wände spiegeln ein fahles Licht, ein Eisfelsen bedroht von oben die Szene und sinkt immer tiefer, der besoffene Steva umarmt und zerkratzt einen Eisblock, ein Loch im Eis des Bühnenbodens fürchten alle und bergen daraus das tote Kind. Nur am Schluss gehen Jenufa und Laca warmen Strahlen entgegen.

Drittens: Simon Rattle, die Staatskapelle und der Chor der Staatsoper. Welch ein Zauber liegt in diesem Klang. Der Chor steht im Zuschauerraum, Sound von allen Seiten. Und vor allem: Der Saal wirkt durch diesen Kniff nicht wie sonst beim Streaming so deprimierend leer. Für den Orchestergraben hatte Rattle die Partitur wegen der Abstandsregeln für die Holzbläser etwas umgearbeitet. Das Ensemble und alle Mitarbeiter waren regelmäßig getestet.

So funktioniert Oper trotz Corona - trotz des sonst oft steril wirkenden Streamings. Welch ein Fest, diese Jenufa bitte bald in der Staatsoper live und real bejubeln zu dürfen.

Beitrag von Maria Ossowski

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