rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama
Audio: rbb24 Inforadio | 04.07.2022 | Irina Grabowski | Quelle: dpa/C.Gateau

Absage wegen Sicherheitsbedenken

Humboldt-Uni will umstrittenen Vortrag über Geschlechter nachholen

Viel Aufregung hatte es am Wochenende um die kurzfristige Absage eines Vortrags zum Thema Sex und Gender an der Berliner HU gegeben. Nun hat die Uni einen neuen Termin für die Veranstaltung angesetzt - allerdings in anderer Form.

Die Humboldt-Universität will einen abgesagten umstrittenen Vortrag nachholen. Der Sprecher der Universität, Boris Nitzsche, sagte dem rbb am Montag, der Vortrag solle nun am 14. Juli stattfinden. Ursprünglich war er als Teil der "Langen Nacht der Wissenschaften" geplant.

Die Biologin und Doktorandin an der HU, Marie Vollbrecht, hatte den Vortrag mit dem Titel "Geschlecht ist nicht (Ge)schlecht, Sex, Gender und warum es in der Biologie zwei Geschlechter gibt" halten wollen. Der "Arbeitskreis kritischer Jurist*innen an der Humboldt-Uni Berlin" hatte im Vorfeld zu Protesten aufgerufen. In einer Mitteilung hieß es, die Biologin Marie-Luise Vollbrecht wolle in dem Vortrag queer- und genderfeindliche Thesen verbreiten.

Protest gegen Vortrag bei Langer Nacht der Wissenschaften

Humboldt-Uni weist Kritik nach Absage von Geschlechter-Vortrag zurück

Ein abgesagter Biologie-Vortrag an der HU Berlin über Zweigeschlechtlichkeit hat für Wirbel gesorgt. Studenten hatten zum Protest gegen den Vortrag aufgerufen, die Uni fürchtete um die Sicherheit der Langen Nacht der Wissenschaften.

Autorin warf ARD und ZDF vor, "bedrohliche Agenda" zu verfolgen

Auch ein Gegenprotest war angemeldet worden. Daraufhin sagte die Uni den Vortrag am Samstag kurzfristig unter dem Hinweis auf Sicherheitsbedenken ab. Vollbrecht erklärte gegenüber dem rbb, es sei wissenschaftliches Grundwissen, dass es nur zwei biologische Geschlechter gebe. Biologische Tatsachen seien unabhängig von Genderfragen zu sehen.

Die Sprecherin der "kritischen Jurist*innen" sagte dem rbb, die Biologin Vollbrecht wolle in diesem Vortrag eine These vermitteln, die in der Wissenschaft überholt sei und zudem Anfeindungen gegen transsexuelle Menschen einen seriösen Anstrich gebe. "Allerdings forscht sie gar nicht zu dem Thema und stellt eine Meinung als gegeben dar, die dem breiten wissenschaftlichen Konsens gerade widerspricht. Wir als kritische Jurist*innen haben dementsprechend Samstag auch für die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte eingestanden", so die Sprecherin.

Vollbrecht selber sagte der rbb24 Abendschau am Sonntag, ihr gehe es in dem Vortrag nicht um Politik, sondern nur um Biologie. Die Biologin war kürzlich als Co-Autorin eines umstrittenen Kommentars in der "Welt" [Bezahlinhalt] aufgefallen. Darin wurde dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter anderem wegen eines Erklärvideos der "Sendung mit der Maus" zum Thema Transgender [wdrmaus.de] die Indoktrination von Kindern und eine ideologische Betrachtungsweise vorgeworfen. Ein Beitrag, der vom Springer-Vorstandsvorsitzenden Matthias Döpfner als "intolerant, herablassend und ressentimentgeladen, wissenschaftlich bestenfalls grob einseitig" bezeichnet wurde.

Kritik an Absage

Die Humboldt-Universität erklärte, der Vortrag werde im Rahmen einer Diskussionsrunde nachgeholt. Dabei solle danach gefragt werden, wie man mit solchen aufgeladenen Situationen und polarisierenden Fragestellungen umgehen könne. Einerseits müsse die freie Rede der Wissenschaftler gesichert werden, andererseits sei aber auch legitimer Protest wichtig.

Der Präsident des Deutschen Hochschulverbands, Bernhard Kempen, hatte die Absage zuvor scharf kritisiert. Die Universität habe der Wissenschaftsfreiheit einen Bärendienst erwiesen, sagte Kempen am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "Sie hätte stattdessen Rückgrat beweisen sollen und alles daran setzen müssen, dass der Vortrag stattfinden kann", so Kempen. Universitäten seien Stätten geistiger Auseinandersetzung, so Kempen. "Hier muss jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler ihre und seine Forschungsergebnisse, Thesen und Ansichten ohne Angst zur Diskussion stellen können."

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.07.2022, 14:25 Uhr

Artikel im mobilen Angebot lesen