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Video: rbb24 Abendschau | 22.07.2022 | Max Kell | Quelle: picture alliance/Fotostand

Mediziner stuft Übertragungsrisiko gering ein

Affenpockenvirus dämpft Vorfreude auf den Christopher Street Day etwas

Der CSD kehrt zurück: Nach den Pandemie-Jahren demonstriert die LGBTQA*-Community mit wohl Hunderttausenden für ihre Rechte in Berlin. Die Veranstalter sind wegen zunehmender Affenpocken-Infektionen aber besorgt. Von Lena Petersen

"Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich darüber freue, dass diese Sichtbarkeit wieder da ist." Ulli Pridat ist der Enthusiasmus anzusehen, wenn er über den nahenden Christopher Street Day [csd-berlin.de] spricht. Er gehört zum Kern-Team des CSD e.V., dem Veranstalter der Demonstration. In den vergangenen Jahren habe die LGBTQIA*-Community an Akzeptanz verloren, sagt Pridat. Das zeige allein der Blick auf die ansteigende Zahl von Straftaten gegen queere Menschen.

Quelle: rbb

Umso gewaltiger ist die Vorfreude darauf, nun am Samstag wieder demonstrieren zu können. Corona-Auflagen vom Senat gibt es in diesem Jahr nicht mehr. Die CSD-Veranstalter raten aber auf ihren Social-Media-Kanälen zum Tragen einer Maske. In diesem Jahr ist es ein anderes Virus, das die Vorfreude etwas dämpft. Das Thema Affenpocken treibt die Community um, sagt Pridat "Wir sind da wahnsinnig alarmiert und im Austausch mit allen Institutionen und Verbänden. [...] Wir verlinken auf das Lageso [Landesamt für Gesundheit und Soziales, Anm.d.Red.] auf unserer CSD-Website [csd-berlin.de]. Es ist wichtig, sich darüber zu informieren: Wie wird es übertragen? Was sind die ersten Anzeichen? Und was sollte man tun, um es zu vermeiden?" Genau wie bei Corona gelte, dass man nur auf das Virus hinweisen und zur Vorsicht aufrufen könne.

23. Juli

Hunderttausende bei CSD-Parade in Berlin erwartet

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Maßnahmen gegen Corona helfen auch gegen Affenpocken

Der Allgemeinmediziner Ingo Ochlast impft in seiner Praxis in Berlin-Friedrichshain Patient:innen gegen die Affenpocken. Das Risiko, sich auf dem CSD mit dem Virus zu infizieren, hält er für gering. "Wenn ich am Rand stehe und zugucke oder über die Parade gehe, dann kann ich mich überhaupt nicht anstecken", sagt der Arzt.

Man könne das Infektionsrisiko durch bestimmte Verhaltensweisen außerdem minimieren. "Wir haben natürlich auch immer noch Covid-Saison. [...] Ein gewisser Abstand, finde ich, ist immer noch angebracht. Dann kann ich direkt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen." Wenn auch normale Hygieneregeln wie Händewaschen oder -desinfizieren eingehalten werden, könne nicht viel passieren.

Möglich seien Übertragungen aber zum Beispiel beim Küssen. Auch auf den Festwagen, wo die Menschen eng an eng stünden, könne eine Infektion durch den Körperkontakt nicht komplett ausgeschlossen werden. "Dann kann es natürlich theoretisch sein, dass wenn jemand eine kleine Pocke an der Hand hat und ich mit dem wirklich sehr innig bin, dass es hier zu einer Übertragung kommt."

Auch über diesen Weg dürfte es nach Ansicht des Arztes aber kaum Infektionen geben. Die Krankheit werde vor allem durch Sex übertragen. Verhütungsmittel würden keinen wirkungsvollen Schutz bieten. "Im Grund genommen kannst du es nur verhindern, indem du nicht intim bist", erklärt Ochlast. Letztlich sei ein wirkungsvoller Schutz bei dem Partner zu bleiben oder gerade keinen Sex zu haben.

Kritik an der medizinischen Versorgung

CSD-Vorstandsmitglied Ulli Pridat ist zwar froh darüber, dass die Impfung gegen die Affenpocken inzwischen auch in Berlin möglich ist. Seiner Meinung nach habe das Land aber viel zu langsam gehandelt. "Hat lange genug gedauert. Hätte viel früher passieren können." Gerade mit Blick auf die CSD-Demonstration am Samstag ist er besorgt. "Ich bin sehr beunruhigt, was inzwischen die Anzahl der Fälle angeht und wie schnell es gerade steigt."

Auch in Brandenburg sieht die Community Probleme. "Was passiert, wenn ich Symptome habe? Da ist die medizinische Grundversorgung in Brandenburg wirklich schlecht", schildert Jirka Witschak von der Landeskoordinierungsstelle Queeres Brandenburg die defizitäre Situation vor Ort. "Wenn man dann beispielsweise in Cottbus lebt und die Befürchtung hat, sich eine sexuell übertragbare Infektion zugezogen zu haben, dann ist die Frage: Wie schaffe ich das überhaupt, mich gut testen und gut beraten zu lassen." Wer sich infiziere, müsse im Zweifelsfall nach Berlin fahren, um sich behandeln zu lassen.

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"Eine Stigmatisierung ist falsch"

Vor dem CSD für das Thema Affenpocken zu sensibilisieren, ist aus Sicht des Geschäftsführers des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg, Alexander Scheld, der richtige Weg. Es sei aber vor allem wichtig, keine Stigmatisierung vorzunehmen.

Scheld übt hier auch Kritik am Robert-Koch-Institut (RKI) aus. Das RKI hatte in seiner Kommunikation kurz nach dem Auftreten der ersten Affenpocken-Fälle in Deutschland lediglich auf die Ansteckungen unter schwulen Männern hingewiesen. Das Ansteckungsrisiko für heterosexuelle Menschen wurde zunächst nicht erwähnt. Dieses Vorgehen habe sich eindeutig gegen die queere Community gerichtet, so Scheld. “Das darf nicht passieren. Und wenn das wieder auftritt, dann werden wir vehement in der queeren Community und mit allen Trägern dagegen gehen."

Ulli Pridat von CSD e.V. erinnert das stark an die HIV/AIDS-Krise. "Auch da wurden wir sofort […] in die Ecke gestellt. Und da springen sehr viele drauf. Das ärgert mich auch, weil es auch Fälle bei Frauen und bei Heterosexuellen gibt."

Vor dem CSD vermischen sich die Gefühle. Die Beunruhigung wegen der Affenpocken ist da. Doch der Wille zu demonstrieren und zu feiern, ist groß.

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Beitrag von Lena Petersen

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