"Poppers"-Show im Monster Ronson's - Oh, du schöne queere Welt!

Fr 01.07.22 | 10:12 Uhr | Von Christopher Ferner
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Dragqueen BLEACH im Juni 2022. (Quelle: rbb/Christopher Ferner)
Bild: rbb/Christopher Ferner

Jeden letzten Donnerstag veranstaltet Drag-Queen Bleach eine Performance-Show im Berliner Monster Ronson's. Dabei wird queeres Leben in all seinen Facetten zelebriert. Von Christopher Ferner

Als queerer Jugendlicher aufzuwachsen kann – gelinde gesagt – ganz schön beschissen sein. Das Verheimlichen der sexuellen oder geschlechtlichen Identität, Angst vor dem Coming Out und Mobbing in der Schule sind, zusätzlich zur Pubertät, kraftraubende Stressfaktoren.

Wer sich durch diesen Dornenweg gekämpft hat, den erwartet im Erwachsenenalter zwar kein Paradies. Doch dort, wo die queeren Communities zusammenkommen, entstehen oft Räume, die sich nicht nur familiär anfühlen. In diesen Räumen werden oft auch Momente kreiert, die sich wie ein Pflaster auf die alten Wunden legen.

So wie bei "Poppers". Die Veranstaltung, die den gleichen Namen wie eine halblegale Sexdroge trägt, findet jeden letzten Donnerstag im Monat im Berliner Monster Ronson's statt. Die Karaoke-Bar an der Warschauer Straße ist seit jeher ein beliebter Treffpunkt für die queeren Communities. Bei "Poppers" wird das ganz besonders deutlich.

Eine Bühne für alle

Drag-Queen und Veranstalterin Bleach lädt zu Beginn des Abends stets alle Mutigen dazu ein, eine Performance auf der Bühne abzulegen. Diese Open-Stage nennt sie Gogo-Stage. Strippen muss auf der Bühne zwar niemand. Erlaubt ist es aber allemal.

Die Besucher:innen sind dieses Mal zu Beginn gehemmt. Deshalb legt sich Bleach ins Zeug. Die große Frau mit der blonden Lockenmähne springt von der Bühne auf die Sitzbänke und Tische, schreit mit ihrer kräftigen Stimme ins Mikrofon, dass die Leute diesen Moment nutzen sollen. "Die Gogo-Stage ist eine Chance für alle, sich im Rampenlicht zu präsentieren" sagt sie. Denn alle hätten es verdient, sich mal wie ein Rockstar zu fühlen.

Und nach einigen Minuten trauen sich die ersten. So wie Ellie und Jack aus England, die zu Besuch in Berlin sind. Zu Britney Spears’ "Gimme More" legen sie eine improvisierte Tanz-Performance auf der Karaoke-Bühne hin. Ellie kreist um die Pole-Stange während Jack sich seines Hemdes entledigt. Sie finden immer wieder zusammen, interagieren sowohl miteinander als auch mit dem Publikum. Das schnipst, klatscht in die Hände und jubelt ihnen zu.

Nicht etwa, weil die beiden Engländer:innen eine Bomben-Performance hinlegen. Sondern weil das Publikum hier im Ronson’s, dieser exzentrische und in jeder Hinsicht diverse Haufen, unterstützend ist und dadurch einen Safer Space schafft, in dem sich alle wohlfühlen können.

Poppers-Show der Dragqueen BLEACH im Monster Ronson's im Juni 2022. (Quelle: rbb/Christopher Ferner)
"Poppers"-Show der Drag-Queen Bleach im Monster Ronson's.Bild: rbb/Christopher Ferner

Geborgen im Rampenlicht

Diesen Safe Space braucht es auch, damit das Konzept von Bleach aufgehen kann. Denn die selbsternannte revolutionäre Sozialistin möchte mit "Poppers" nicht nur die Rave- und Party-Kultur zelebrieren. "Ich möchte Go-go-Tänzer:innen, Drag-Kings, Sexarbeiter:innen und Nudist:innen auf die Bühne bringen."

Um solche zum Teil vulnerable und marginalisierte Gesellschaftsgruppen ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellen zu können, braucht es ein respektvolles und wohlwollendes Publikum. Das ist bei "Poppers" voll und ganz gegeben.

An diesem Abend ist von dieser Vulnerabilität allerdings nichts zu spüren. Die Künstler:innen, die nach der Open Stage bei der "Poppers Show" auftreten, strahlen nicht nur Selbstbewusstsein aus, sondern auch eine unbändige Lust am Performen. Die Besucher:innen feiern sie dafür wie kleine Stars.

Schambefreite Nacktheit

Den Anfang macht Twat Butcher in einem grünen Body und durchsichtigen Plateauschuhen. Zu einem Popsong legt sie eine Lipsync-Performance hin. Sie tanzt, räkelt sich auf dem Boden und läuft durch das Publikum, das mittlerweile unisono auf den Füßen steht.

Boto kommt in einem von Kill-Bill inspirierten gelb-schwarzen Overall samt Samurai-Schwert auf die Bühne und. Boto schwingt mit Armen und Hüften und heizt das Publikum ein. Passend zu dem Songtext von 50 Cents "Candy Shop" ("It's like it's a race who could get undressed quicker") wird der Overall schnell abgelegt. Übrig bleiben ein schwarzer BH und ein pinkfarbender String.

Zwischen den Performances spielt DJ Jamum immer wieder Elektro-Sounds und mischt queere Klassiker wie "I Feel Love" von Donna Summer oder "Hung Up" von Madonna in sein Set. Die Stimmung ist mittlerweile enthemmter und so manche Besucher:in braucht gar nicht mehr die Aufforderungen von Bleach, um die Pole-Stange zu nutzen. Passend dazu ist es im Monster Ronson’s bereits stickiger und ein paar Grad wärmer geworden.

Dann tritt die Veranstalterin selbst noch gemeinsam mit Performerin Valeria Steel auf. Es dauert nicht lange, bis beide komplett nackt sind. Sie verschränken ihre Beine ineinander, wälzen sich auf dem Boden und verschwinden in der Mitte einer um sie herum gebildeten Menschentraube. Diese ist ekstatisch und schreit ihnen zu. Einige, das ist den Gesichtern abzulesen, sind nicht weiter beeindruckt von dieser Nacktheit. Andere hingegen scheinen das erste Mal mit einer solch schambefreiten Performance konfrontiert.

Eine Spektakel für die Communities

Bleach will mit "Poppers" nicht nur marginalisierten Gruppen eine Bühne bieten. Sie möchte einen Gegenentwurf zu den dunklen und düsteren Partys in Berlin schaffen, die außer Darkroom und DJ nichts mehr zu bieten haben. "Ich möchte das Spektakuläre, das Fabelhafte, das Vergnügen zurückbringen", sagt sie.

Das hat Bleach geschafft. Mit "Poppers" hat sie einen inklusiven Raum für die queere Community geschaffen, der sich nicht nur sicher anfühlt, sondern auch jede Menge Spaß macht. Der individuelle Identitäten feiert und gleichzeitig eine Community schafft.

Wer sich selbst davon überzeugen will, wie wunderbar queeres Leben sein kann, hat die nächste Chance am 23. Juli. Dann steigt nach der großen CSD-Parade die nächste "Poppers"-Party im Monster Ronson’s.

Beitrag von Christopher Ferner

1 Kommentar

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  1. 1.

    klingt cool.

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