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Video: rbb24 Abendschau | 30.06.2022 | Marek Walde | Quelle: dpa/B. Schackow

Probleme im Bezirk Marzahn-Hellersdorf

Zwei Monate in der Leichenhalle, weil das Amt unterbesetzt ist

In Deutschland darf ein Verstorbener nur mit Genehmigung bestattet werden. Normalerweise kein Problem - doch im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf kann dieser Vorgang zurzeit bis zu zwei Monate dauern. Mit weitreichenden Folgen für die Angehörigen. Von Marek Walde

Gestorben wird bekanntlich immer, doch damit ist eine verstorbene Person noch lange nicht beerdigt. Um in Deutschland bestattet zu werden, braucht es eine Bestattungsgenehmigung. Diese gibt es bei einer Urnenbestattung normalerweise nach allerspätestens zwei Wochen. Anders sieht es aktuell im Bezirk Marzahn-Hellersdorf aus: Nach Angaben mehrerer Bestattungsunternehmen sind beim dortigen Standesamt aktuell Wartezeiten von sechs bis acht Wochen die Regel. Mit Folgen für alle Beteiligten.

Swanhild Hausmanns Mann ist Mitte Juni verstorben. Rund sechs Wochen hat es gedauert, bis die Beerdigungsgenehmigung erteilt wurde. Einen ersten Beerdigungstermin musste sie deswegen absagen. Zum zweiten Termin sind nur ihr Sohn und sie erschienen, weil bis kurz vor der Beerdigung nicht klar war, ob diese stattfinden kann. "Wie soll man jetzt irgendwelchen Freunden, Bekannten, das 95. Mal erklären: 'Ne, an dem Tag nicht, Ihr müsst nochmal sehen, das muss nochmal verschoben werden' und so weiter. Ich hab denen allen dann irgendwie abgesagt, und dann machen wir es ganz klein und dann ist es auch gut. Wir können es nicht ändern."

Swanhild Hausmann fühlt sich vom Amt im Stich gelassen: "Trauer ist da nicht mehr viel, da ist bloß noch irgendwie Wut, weil man irgendwie nicht weiß, wie es weitergeht. Das ist irgendwie nur Wut, warum lassen einen Menschen so hängen?"

Erreichbarkeit eingeschränkt

Berliner Verwaltung bei Sprechzeiten noch im Pandemie-Modus

Einfach mal aufs Amt gehen, ohne einen Termin vereinbart zu haben, funktioniert in vielen Berliner Verwaltungen noch immer nicht. Die CDU fordert, dass die Ämter erreichbarer werden - und sogar noch zusätzliche Termine anbieten.

Keine Sterbeurkunde, keine Übergangsrente

Neben der psychischen Belastung für die Angehörigen entstehen auch weitere Kosten. Rund zehn Euro kostet die Kühlung einer verstorbenen Person pro Tag. Entsprechend erhöhen sich die Kosten bei einer zwei Monate langen Kühlung. Verstorbene dürfen erst nach dem Erteilen der Bestattungsgenehmigung verbrannt werden. Bestatterin Britta Uebel, überwiegend in Marzahn-Hellersdorf tätig, sagt, dass es aktuell bei Hundert Prozent der Marzahner-Fälle zu den beschriebenen Verzögerungen komme.

Der Mann von Swanhild Hausmann konnte nun beigesetzt werden, doch damit ist für die Rentnerin der Ärger mit dem Bezirksamt noch nicht vorbei. Denn nach der Beerdigungsgenehmigung wartet sie jetzt auf die Sterbeurkunde. Auch hier gibt es Probleme, sagt Bestatterin Uebel: "Es ist einfach so, dass ich zurzeit sehr viele Sterbeurkunden dort [Anm.: beim Standesamt Marzahn-Hellersdorf] zu liegen habe, die nach acht Wochen immer noch nicht bearbeitet sind. In dem Fall von Frau Hausmann ist es natürlich auch sehr schlimm, weil nach 28 Tagen, nachdem ihr Mann verstorben ist, hätte ich die Übergangsrente beantragen müssen, damit Frau Hausmann nicht in dieses finanzielle Loch fällt. Dann bekäme sie nämlich drei Monate eine Übergangsrente in Höhe seiner Rente. Und das konnte ich gar nicht machen, und das ist kein Einzelfall“, erklärt Bestatterin Uebel.

Sie hantiere zwar nicht mit Geld wie "Rockefeller-Junior", sagt Swanhild Hausmann, "aber ich muss ja auch noch die ganzen Rechnungen in der Runde bezahlen. Der Bestatter bracht sein Geld, der Friedhof möchte sein Geld haben, alle anderen Kosten laufen normal weiter. Irgendwo ist auch mal dann mein Geld zu Ende", fürchtet sie.

"Es bedroht Existenzen"

Die Konsequenzen sind weitreichend, wenn keine Sterbeurkunde vorliegt. Dieses ist das offizielle Dokument, das den Sterbefall amtlich bestätigt. Das führt dazu, dass - selbst wenn der Verstorbene schon beerdigt ist - beispielsweise Wohnungen, Versicherungen und Verträge nicht gekündigt werden können. Außerdem wird keine sogenannte Vorwitwenrente ausgezahlt. Also das Geld, das Verwitwete bis zum endgültigen Witwenrentenbescheid bekommen. Dieses muss binnen 28 Tagen beantragt werden, so ist es vom Gesetzgeber vorgesehen, doch das ist nicht möglich, wenn die Sterbeurkunde in diesem Zeitraum noch nicht ausgestellt wurde. Es fallen also laufende Kosten an, während den Betroffenen die Hände gebunden sind.

Auch Bestatter Carsten Witt hat mit fehlenden Beerdigungsgenehmigungen und Sterbeurkunden zu kämpfen. Er ist zwar überwiegend in Köpenick tätig, hat aber auch immer wieder mit Sterbefällen aus Marzahn zu tun: "Es bedroht Existenzen", sagt er aufgebracht. In einem Fall warte er beispielweise seit Anfang April darauf, dass eine Person bestattet werden könne. Nicht selten sehe er sich bei solchen Verspätungen mit Vorwürfen konfrontiert: "Die Angehörigen glauben, wir sind schuld. Aber wir können nichts machen", beteuert er. In den anderen Bezirken habe er solch lange Wartezeiten noch nie erlebt.

Ein Eindruck, den auch Bestatterin Silvana Lundi teilt: Sie ist in Berlin und Brandenburg unterwegs und nur unregelmäßig in Marzahn-Hellersdorf. Selbst bei einer Erdbestattung habe sie es dort erlebt, dass Genehmigungen über vier Wochen gedauert haben. Der Körper kann sich in dieser langen Phase stark verändern. "Die Verstorbenen haben ein Recht darauf, ihre Ruhe zu finden", mahnt sie. "Das ist so nicht möglich." Sie fordert eine Beschleunigung der Prozesse und stellt klar: "Personalmangel interessiert mich da nicht."

Bezirk verweist auf Personalmangel

Doch genau auf Personalmangel verweist das Bezirksamt auf Anfrage des rbb: "Die Personalsituation ist sicherlich in allen Bezirken schwierig, dennoch ist sie in Marzahn-Hellersdorf besonders schwierig", heißt es in einer schriftlichen Antwort. Im Standesamt, das für Sterbeurkunden zuständig ist, gebe es große Lücken. "Im Juni 2022 war Marzahn-Hellersdorf der einzige Bezirk, in dem die Anwesenheitsquote der Standesbeamt:innen unter 50 Prozent sank - nämlich auf 33,7 Prozent. Bedauerlicherweise setzt sich dieser Trend im Juli fort - aktuell ist nur eine einzige Standesbeamtin vor Ort."

Die mit den langen Bearbeitungszeiten verbundenen Probleme seien dem Standesamt bewusst, hieß es. "Bedauerlicherweise gibt die derzeitige krankheitsbedingte Personalsituation keine schnellere Bearbeitung der Unterlagen her, nur eine kurzfristige Personalverstärkung würde helfen." Bestattungsunternehmen sollen jetzt kurzfristig eine Terminsprechstunde wahrnehmen können. Außerdem werde mit der Senatsverwaltung über eine personelle Unterstützung verhandelt.

Bestatterin Britta Uebel hat in den kommenden Tagen einen Termin beim Standesamt in Marzahn-Hellersdorf. Sie werde, sagt sie, nicht eher von dort weggehen, ehe sie nicht die Sterbeurkunde von Swanhild Hausmanns verstorbenem Ehemann hat.

Sendung: rbb24 Abendschau, 30.07.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Marek Walde

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