Natürlich kann man in Berlin zur Adventszeit ganz hervorragend essen. Und trinken. Doch ein bisschen Mühe geben muss man sich schon, dabei auch das richtige Vokabular zu nutzen.
24 kleine Geschichten über die großen Errungenschaften und kleinen Niederlagen der Brandenburger und Berliner in Sachen "Essen und Trinken". Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.
Essen ist eine Art hoheitliche Veranstaltung, die Weihnachten ihren Höhepunkt erreicht. Immer und überall ist das Essen natürlich mit Ritualen oder zumindest mit Gewohnheiten verbunden. Da muss etwa die selbsternannte Hausherrin unbedingt und immer an der Stirnseite sitzen, der Vati will seine Kartoffeln schon vorgequetscht haben, bevor die Soße drüber gegossen wird, und das Söhnchen mag den Grünkohl nicht und isst am liebsten aus einem tiefen Teller.
... | Quelle: dpa/Jiri Hubatka
Neben diesen Ritualen, die schon in der Familie ganz unterschiedlich ausfallen, haben große Feiergesellschaften natürlich umso größere Probleme. Da streitet etwa der Kirchenchor über die Menü-Reihenfolge bei der Weihnachtsfeier. Oder der Schützenverein ist sich für den Jahresabschlussumtrunk uneins über den richtigen Schnaps.
Am meisten Wert auf das Essen aber legen die Touristen. Sie wollen bei ihren Trips nach Berlin natürlich wissen, wie und was der Berliner verspeist. Und sie wollen genau das auch probieren. Extra für diesen Erkenntnisgewinn werfen sie sich mit Vorliebe ins Geschiebe der Berliner Weihnachtszeit. Hier aber wartet das große Scheitern.
Kein Reibekuchen, keine Weggli und schon gar keinen Tropfenstrudel
Wenn sich der Tourist regional gefärbt verköstigen will, muss er auch die Mundart beherrschen. Satt wird in Berlin nur, wer sich bei der Bestellung auch regional korrekt ausdrücken kann. Das fängt schon bei der Schrippenbestellung an, bei der die Worte "Semmel" oder "Brötchen" bei den meisten Bäckern ins Leere laufen. Wer es in Berlin gar mit dem Wort "Weggli" versucht, geht hungrig in den Tag.
Geteert wird der Tourist sofort, wenn er zur Kaffeezeit beim Bäcker ein "Kräppel" bestellt, aber eigentlich einen Pfannkuchen will. Und auch das Nachspülen mit einem guten Tropfen wird wahrscheinlich scheitern, denn die Kneipe ist kein "Wirtshaus" und unterm Bierglas liegt auch kein "Bierfilz". Wer dann noch versucht, einen "Reibekuchen" zu ordern, aber Kartoffelpuffer meint, bekommt nie seinen Teller. Die Krönung wäre nur, einen "Topfenstrudel" zu bestellen: Da darf sich der Tourist nicht wundern, wenn ihm der Quark auf der Hose landet.
Mit dem Karpfen versöhnt
Zum Glück aber gibt es eine Art überregionale Menüeinigung für den Heiligen Abend: den "Karpfen blau", der überall auch noch genau so heißt. Katholiken und Evangelen, Bayern, Sachsen und Nordlichter und alle daneben und dazwischen beenden die Fastenzeit und starten die Weihnachtsvöllerei, die bis Silvester geht, mit dem Karpfen. Der Karpfen vereint über Mundarten und Regionaleigenheiten hinweg. Wenn der Karpfen kommt, hat keiner mehr den Nerv für regionale Eigennamen. Alle achten nur noch auf die Gräten.
Außer natürlich sie kommen aus Thüringen und essen Würstchen mit Karfoffelsalat. Aber das ist ein anderes Thema.