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Quelle: rbb/Ariane Boehm

Der Absacker

Nun auch mit Frühling und Premium-Nachbarn

In Zeiten des Kontaktverbots kann man sich glücklich schätzen, wenn die Natur langsam aufblüht. Oder wenn die Nachbarn nicht nur rücksichtsvoll, sondern auch noch musikalisch talentiert sind. Es kann nämlich auch unangenehm werden. Von Haluka Maier-Borst

Es war ein schöner und irgendwie merkwürdiger Tag. Erst ging mein Text zur Wirkung von möglichen Ausgangssperren online. Und dann bekam ich von einer Freundin ein Bild geschickt, auf dem Kirschblüten in voller Pracht blühten. Und plötzlich hatte ich ein bisschen Wasser in den Augen.

Das mag jetzt für den prosaischen Berliner oder Brandenburger vielleicht etwas viel Emotion sein. Und Sie haben ja recht: Die Kirschen blühen wirklich jedes Jahr ungefähr jetzt. Aber für mich ist das ein besonderer Baum. Zum einen weil Kirschblüten das Symbol schlechthin sind für Japan, die Heimat meiner Mutter. Zum anderen heißt meine Mutter eben Sakura, japanisch für Kirschblüte. Sehen Sie mir also nach, dass der obere Teil des Absackers leichte Wasserränder hat. Sagen wir einfach, ich hätte mein Getränk hier schon verschüttet.

1. Was vom Tag bleibt

Am Ende haben Kanzlerin Angela Merkel und die Landeschefs und Landeschefinnen sich bundesweit auf ein Kontaktverbot geeinigt. Das heißt, Spaziergänge bleiben weiterhin möglich. Oder um es pointiert mit den Worten einer ZDF-Kollegin zusammenzufassen:

Allerdings besagen die Regeln für Berlin und Brandenburg, dass selbst Treffen zwischen zwei Menschen gar nicht mehr stattfinden sollen, wenn nicht irgendwie nötig. Das kommt im Grunde einer Ausgangssperre sehr nahe. Die Details dazu können Sie hier nachlesen:

2. Abschalten.

Lange habe ich gestern Abend noch an meinem Text für heute gearbeitet. Aber zum Glück hat eine Freundin mir dann zum Abschalten den Zirkus Mond und dessen Livestream empfohlen. Ja, das Bild ruckelte, aber immerhin der Klezmer-Jazz klang bestens aus den Boxen. Und so habe ich seit Ewigkeiten mir wieder mal eine Zirkusvorstellung angeschaut. Sie können das glücklicherweise auch noch nachholen, weil der Stream nach wie vor im Netz ist. Und zwar hier:

3. Und, wie geht’s?

Ich durfte am Wochenende feststellen, was meine Nachbarn können und was nicht. Gestern haben wir tatsächlich ein gemeinsames Klatschen um 19 Uhr hinbekommen, etwas für das ich meine Straße viel zu cool hielt. Doch als ich heute um 18 Uhr das Fenster öffnete, um der "Ode an die Freude" zu lauschen, war da: nix.

Gut, zugegebenermaßen wäre das wohl auch mein Job gewesen, weil ich aus einer Musikerfamilie komme. Aber mein Cello steht in Kreuzberg bei meinem Onkel, der auch in Heim-Quarantäne ist. Und um ehrllich zu sein, habe ich die letzten zehn Jahre das Ding nur sporadisch angerührt. Ich bin sozusagen das hässliche Entlein der musikalischen Sippe. Und vielleicht wäre mir entsprechend die Ode an die Freude eher zu einer Serenade für den Mieterschutzbund verkommen.

Glücklich kann sich da schätzen, wer eine Nachbarin wie meine Kollegin Sarah hat, die Opernsängerin ist.

Aber so wie es Premium-Nachbarn gibt, gibt es natürlich auch die andere Schublade. Kollege Efthymis durfte gestern folgender "interessanten" Kombination lauschen:

"Bulgarische Hochzeitsmusik mit ultraschnellen Synths und Klarinette. Und ja, ich war schon mal auf einer bulgarischen Hochzeit und weiß wie das klingt"

Entsprechend bin ich ganz froh, dass meine Nachbarn doch nur klatschen können. Und vielleicht sollte man beim Mietendeckel den Musikgeschmack der Nachbarn noch einpreisen dürfen.

Wer bin ich

Großstadtchaos statt Alpenpanorama, Brandenburger Seen statt britisches Meer. Haluka Maier-Borst war schon an ein paar Orten und hat immer die falsch-richtige Wahl getroffen. Für Berlin. Jetzt sitzt er im Wedding - und fest. Denn nach einer Reise in die Schweiz ist er in Heimquarantäne. Jeden Tag gegen acht genehmigt er sich einen Absacker und eine kleine Pause von der Nachrichtenlage.

Morgen geht es an dieser Stelle wieder darum, wie es Ihnen geht. Also schicken Sie mir/uns dafür gerne einen Satz, ein Foto, ein Gif oder was auch immer an haluka.maier-borst@rbb-online.de.

4. Ein weites Feld

Wenn sie nichts mehr zu Corona lesen oder sehen wollen, dann überspringen Sie diesen Teil. Nach den drastischen Verschrärfungen heute kann ich das verstehen. Wenn Sie aber gerne wissen würden, was Leute wie ich gerne machen würden, wenn sie groß oder talentierter sind, dann sollten Sie sich diese visuelle Geschichte der "New York Times" anschauen. Sie zeigt, wie sich das Virus durch China verbreitete - es lohnt sich. Auch weil sie zeigt, wie schwer dieses Virus einzudämmen ist und wie sehr es unser aller Mitarbeit verlangt.

Ansonsten bleibt mir nur noch hinzu zu fügen:

Bis morgen, bleiben Sie drinnen und Prost, sagt

Haluka Maier-Borst

 

Beitrag von Haluka Maier-Borst

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