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Video: rbb24 | 04.02.2021 | Quelle: dpa/Kay Nietfeld

Impfung trotz Covid-Erkrankung

Warum nicht jeder Impftermin zur Impfung führt

Nur weil man einen Impftermin bekommt, heißt das nicht, dass man auch geimpft wird. Denn am Ende entscheiden die Impfärzte. Die Empfehlungen dazu sind jedoch Auslegungssache, zum Beispiel bei Menschen, die schon Covid-19 hatten. Von Sebastian Schöbel

Wenn Berlins Impfteams zur Tat schreiten, müssen sie sich an einen detaillierten Ablauf halten. Ein Merkblatt, das dem rbb zugeschickt wurde, hält jeden Schritt genau fest: von der korrekten Aufbereitung des Impfstoffs bis zur Dokumentation jedes einzelnen Schritts, Unterschriften inklusive.

Dass das keine unverbindlichen Verabredungen, sondern klare Vorgaben sind, macht eine Warnung am Ende des Merkzettels deutlich: "Aus gegebenem Anlass weisen wir darauf hin, dass die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung sich vorbehält, die unberechtigte Impfstoffverwendung zur Strafanzeige zu bringen."

Impfärztin Yvonne Frey | Quelle: rbb

Impfärztin kritisiert Berliner Impfstrategie

Das gilt nicht nur für falsch, sondern auch für gar nicht verimpften Impfstoff. Unbrauchbare Reste, die entsorgt werden müssen, soll es nicht geben. Deswegen findet sich auf dem Merkblatt auch der Hinweis, dass eine Impfung bei Patienten mit aktiver oder überstandener Covid-19-Infektion "bei Symptomfreiheit und adäquatem klinischen Zustand möglich" sei. Genau das aber sorgt bei einigen Impfärzten in Berlin für Irritationen.

Das stehe "im Widerspruch zu den aktuellen RKI- und Stiko- Empfehlungen", kritisierte unter der Woche die Berliner Impfärztin Yvonne Frey im rbb. Medizinisch sei die Regelung "nicht wirklich nachvollziehbar", sagte Frey, "zumal der Impfstoff wahnsinnig knapp ist und man jede Indikation genauestens überprüfen sollte." Frey befürchtet, dass Menschen den Impfstoff erhalten, obwohl sie ihn nicht brauchen oder bekommen sollten. In der Praxis würden Ärzte deswegen Patienten mit überstandener Covid-Erkrankung oft nicht impfen. "Ich kenne viele Kollegen, die ganz klar sagen, dass sie sich von dieser Regelung distanzieren und dann die Impfung auch nicht durchführen."

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RKI schließt Impfung nach Covid-Erkrankung nicht aus

Die Senatsverwaltung für Gesundheit weist die Kritik zurück. Es handele sich dabei lediglich um eine Empfehlung, keine Vorgabe, sagt ein Sprecher der Verwaltung auf Nachfrage des rbb: Die finale Entscheidung, ob geimpft wird, liege bei den Ärztinnen und Ärzten. Zudem halte man sich an die Priorisierung, die der Bund festgelegt hat.

Tatsächlich heißt es in den aktuellen Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission am RobertKoch-Institut [rki.de]: Es sei nicht nötig, vor der Impfung per Laborbefund auszuschließen, dass ein zu Impfender gerade symptomfrei Covid-19 hat oder früher schon mal hatte, ohne dass es festgestellt wurde. "Nach den bisher vorliegenden Daten gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Impfung in diesen Fällen eine Gefährdung darstellt."

Mit Blick auf Menschen, die nachweislich Covid-19 überstanden haben, heißt es weiter, dass sie "nach Berücksichtigung der Priorisierung im Regelfall etwa 6 Monate nach Genesung geimpft werden". Wer also im Dezember das Virus hatte, sollte nicht vor Juni geimpft werden, so die Impfkommission. Das gilt laut RKI-Empfehlung auch für Menschen, die nach der ersten Impfung erkranken: Die zweite Impfung solle nicht vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist geschehen.

KV sieht Entscheidungsgewalt bei Ärzten

In einem Rundschreiben der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) an die Impfteams, das rbb|24 ebenfalls vorliegt, heißt es: Bisher gebe es keine Erkenntnisse, dass eine Impfung bei Menschen mit überstandener Covid-19-Erkrankung eine Gefährdung der Geimpften darstellt. Allerdings sei unklar, wie lange ein genesener Mensch immun ist. "Um diese Patienten ebenfalls adäquat schützen zu können, haben wir beschlossen, die Impfung auch in diesem besonderen Fall ausdrücklich zu empfehlen", heißt es in dem Schreiben.

Das gelte "insbesondere für immobile Patienten in vollstationären Einrichtungen". Für Patienten, die nach der ersten Corona-Impfung erkranken, sollen die Medizinerinnen und Mediziner selbst entscheiden: "Bei asymptomatischen Personen oder äußerst milden Symptomen kann unter erhöhtem Eigenschutz und Abwägung des klinischen Zustands des Patienten eine Impfung in Betracht gezogen werden."

Impfexperte Sander: "Ungeschützten den Vortritt lassen"

Die Frage, ob man sich impfen lassen sollte, wenn man möglicherweise gerade an Covid-19 erkrankt ist, ohne es zu wissen, beschäftigt auch viele Leserinnen und Leser von rbb|24. "Wenn man sich gesund fühlt, kann man sich impfen lassen", sagt Impfstoff-Forscher Leif Erik Sander von der Berliner Charité im Experten-Vidcast von rbb|24. "Bisher deuten alle Studiendaten darauf hin: Wenn man asymptomatisch infiziert ist und in dem Moment geimpft wird oder vielleicht sogar symptomatisch infiziert ist und geimpft wird, dass da zumindest keine Probleme entstehen."

Die Gesundheit ist für Sander aber nur ein Aspekt. Der zweite ist die Moral: Wer nachweislich bereits eine Covid-19-Erkrankungen überstanden hat, könne davon ausgehen, dass man zumindest eine Zeitlang immun gegen das Virus ist. "Wenn Sie mal Corona hatten, ist die Chance sehr, sehr hoch, dass Sie Antikörper gebildet haben und dass Sie gut geschützt sind."

In so einem Fall sei die eigene Gesundheit also kein Grund, sich gegen eine Impfung zu entscheiden, so Sander. "Derzeit ist die Empfehlung, erstmal diejenigen ranzulassen, die noch überhaupt keinen Schutz haben."

Sendung: rbb spezial, 02.02.2021, 20:15 Uhr

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