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Quelle: dpa/Christophe Gateau

Sichere Tipps für draußen

Sechs Faustregeln, um die Sonne ohne Corona-Bedenken zu genießen

Das teils sommerliche Wetter in dieser Woche erinnert daran: Es gibt ein Leben nach dem Corona-Winter. Doch darf man eigentlich picknicken? Was schützt, was weniger? Und kann man sich bei Joggern anstecken? Sechs Tipps für sichere Stunden im Freien. Von Sebastian Schneider und Haluka Maier-Borst

Über 20 Grad Ende März und dazu Sonne satt: Nach Monaten im Winter-Lockdown wollen alle wieder raus. Mehr Freiheiten, mehr Normalität, Licht und Wärme genießen. Auch an Ostern, wenngleich es da nicht mher ganz so warm sein soll in Berlin und Brandenburg. Doch was kann man relativ gefahrlos draußen machen - und was ist eher keine gute Idee? Und welche Regeln gelten überhaupt gerade an der frischen Luft?

rbb|24 hat ein paar einfache Faustregeln zusammengestellt, die jenseits des Verordnungs-Dschungels helfen sollen. Denn fest steht: Auf null lässt sich das Risiko, sich anzustecken, nie drücken. Aber mit ein paar Vorsichtsmaßnahmen in jedem Fall deutlich senken.

1. DRAUSSEN IST IMMER BESSER ALS DRINNEN

Wer sich draußen statt drinnen mit anderen Menschen aufhält, hat schon mal einen der wichtigsten Schritte gemacht. Denn es ist laut Studien schätzungsweise 20 Mal wahrscheinlicher, sich in einem geschlossenen Raum anzustecken als draußen [academic.oup.com].
 
Diese Zahl ist aber mit einigen Unsicherheiten behaftet. Der Faktor könnte auch eher bei fünf oder gar bei 50 liegen. "Das bedeutet eben nicht, dass es ausgeschlossen ist, sich im Freien mit Covid-19 anzustecken", sagt Mohsen Bagheri vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen. Grob gesprochen gebe es nämlich zwei Faktoren, die zur Ansteckung führen könnten. Zum einen, wenn wir Luft einatmen, die sich mit infektiösen Aerosolen angereichert hat. Und zum anderen, wenn größere Tröpfchen direkt von einer infektiösen Person ausgestoßen und von einer anderen eingeatmet werden."
 
Bagheri erklärt das Problem mit einem Vergleich: "Mit der Ansteckung über Tröpfchen und Aerosole ist es wie mit Rauchern. Wenn Sie in einem geschlossenen Raum sind mit einem Raucher, dann riechen Sie das garantiert – auch wenn der Raucher schon wieder weg ist oder sehr weit weg sitzt. Aber auch draußen im Café oder Park nehmen Sie den Rauch wahr, wenn die Person nahe genug ist. Oder wenn der Wind richtig steht, um den Rauch von ein paar Tischen weiter hinüber zu wehen."

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Wenn es eng wird, steigt auch an der frischen Luft die Gefahr

Nachgewiesen sind Infektionscluster nach größeren Demos, Feiern und Versammlungen im Freien, bei denen der Mindestabstand und die Maskenpflicht nicht eingehalten wurde, beispielsweise in Madrid [theguardian.com] sowie in mehreren Fällen in den USA [nytimes.com].

Ebenfalls problematisch sind beengte Verhältnisse oder enger Kontakt draußen, wie zum Beispiel in belebten Einkaufsstraßen, Fußgängerzonen oder Menschengruppen. "Trotzdem würde es zweifellos viel helfen, wenn die Leute die Treffen, die sie haben, draußen stattfinden lassen", sagt der epidemische Modellierer Peter Klimek von der Medizinischen Universität Wien.

Sein Kollege Benjamin Steinegger von der Universität Rovira i Virgili in Taragona spricht sich darum dafür aus, mehr Lockerungen beim öffentlichen Leben draußen durchzuführen – um Treffen in Räumen zu minimieren. "Dass man in Spanien zum Beispiel verboten hat, draußen etwas zu trinken oder schon ab 22 Uhr eine Ausgangssperre macht, führt letztlich nur dazu, dass die Leute sich heimlich drinnen treffen. Und das will man ja nicht", sagt er. Entsprechend sei es wohl eine wichtige Perspektive, den Menschen so weit es geht Freiheiten draußen zu geben.

2. WIND UND BEWEGUNG HELFEN ENORM

Das Problem ist also entweder stehende Luft, in der sich über die Zeit die infektiösen Aerosole wie in einer Art unsichtbaren Wolke sammeln. Oder eben ein gerade ausgeatmeter oder gar ausgehusteter Luftstrom, den jemand anderes direkt einatmet. Entsprechend hilft es, wenn Wind die Aerosole und Tröpfchen davon weht. Ist das der Fall, gebe es eigentlich wenig Gefahr für eine Infektion, sagt Benjamin Steinegger: "Draußen verteilen sich dann die Aerosole schnell. Die Gefahr einer Ansteckung nur weil jemand irgendwo länger verweilt, sehe ich dann eher als gering an."

Der Physiker Eberhard Bodenschatz vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen äußert sich allerdings etwas vorsichtiger. "Wenn Ihnen jemand lange direkt gegenüber sitzt und Sie mit der Person sprechen, dann sehe ich schon auch draußen eine Gefahr der Ansteckung, falls eine Person ansteckend ist. Beim Atmen ist das Ansteckungsrisiko am geringsten, und nimmt von Sprechen und lautem Sprechen zu Singen und Schreien rapide zu", sagt er. Bodenschatz rät darum insbesondere in windstillen Situationen dazu, dass man bei Treffen eher spaziert und auch abwechselnd auf der einen oder anderen Seite des Mitspazierenden geht. "So ist die Chance geringer, dass sie die ganze Zeit in der 'Abluft' Ihres Gesprächspartners sind."

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Die Medizinerin Simone Scheithauer, die mit Bodenschatz an Infektionsmodellen arbeitet, fasst es so zusammen: “Beim Picknick zusammen zu sitzen, ist ein größeres Risiko als zu spazieren. Ein Besuch auf dem gedrängten Wochenmarkt ist problematischer als eine Wanderung. Am Ende muss man das abwägen." Sie rät im Hinblick auf die zunehmende Verbreitung ansteckenderer Varianten wie der sogenannten britischen zu mehr Vorsicht als im vergangenen Sommer.

Wer spontan im Park die Bluetooth-Box eskalieren lässt, weil es sich so besser feiert, sollte beachten: Ist die Umgebung laut, redet jeder automatisch lauter. Und wenn die Musik gar allzu schön ist, kommt es vor, dass Menschen hingerissen mitsingen. Verständlich - aber mit anderen nah um sich herum leider momentan keine gute Idee.

3. ABSTAND IST AUCH DRAUSSEN WICHTIG, MASKE JE NACHDEM

Sei es nun beim Spazieren, Wandern oder dem gemeinsamen Coffee to go: Wichtig bleibt der Abstand. Denn ausgestoßene größere Tröpfchen fallen so eher zu Boden und leichtere Aerosole werden durch ein Mehr an Umgebungsluft verdünnt. Auch das sich Niederlassen auf einer Picknickdecke und ein gemeinsames Picknick sind sowohl in Berlin als auch in Brandenburg gestattet - allerdings nur im Rahmen der gültigen Kontaktbeschränkungen. Außerdem sollte man genügend Abstand zu anderen Gruppen halten.

Wer sicher gehen will, setzt auch auf der Parkwiese auf eine Maske, erst recht, wenn sich dort viele Menschen ansammeln. Die kann auch durchaus eine simple Stoffmaske sein. "Dann sind die großen Tröpfchen aufgefangen", sagt der Physiker Bodenschatz. "Wenn dann noch die Aerosole vom Wind nicht zur anderen Person verweht werden, ist die Wahrscheinlichkeit der Ansteckung extrem gering."

Und wer seine Laufstrecke nicht mehr sehen kann: Entsprechend gilt auch für den Sport mit anderen, dass das Infektionsrisiko bei Tennis, Federball, Frisbee und Co. draußen wohl sehr gering ist. "Tennis ist geradezu perfekt mit dem großen Abstand", sagt Mohsen Bagheri. Wichtig sei lediglich daran zu denken, dass man nicht den Ball anfasse und danach direkt Mund oder Nase. So könnte es nämlich zu sogenannten Schmierinfektionen kommen.

Sport ist kein Problem - außer Sportarten, bei denen ausgekeuchte Aerosole anderen nahekommen. | Quelle: dpa

Welcher Sport mit anderen problematisch ist

Bei Mannschaftssport ist es hingegen anders - jedenfalls bei den Sportarten, bei denen man den Gegnern eng auf die Pelle rückt. Beispiel: Auf dem Basketballplatz alleine oder mit einem Partner, der einem den Ball passt, Körbe zu werfen, ist unbedenklich. Basketball wie gewohnt zu spielen, mit engem Körperkontakt und reichlich Aerosolen, wie gerade auf vielen Freiplätzen Berlins bei schönem Wetter zu sehen, ist hingegen nicht so klug. Denn wer anstrengenden Sport macht, atmet schwer und stößt viele Aerosole in seine unmittelbare Umgebung aus.

Die Chance, sich bei einem vorbeirennenden Jogger oder einer Joggerin anzustecken, ist indes gering. "Die Begegnungszeit zwischen dem Jogger beziehungsweise einem Radfahrer und Spaziergänger sind so kurz, dass man in der Zeit einfach gar nicht so viele Aerosolpartikel einatmen könnte, dass ich mich dort wirklich infizieren kann. Das heißt, es wäre ein absoluter Ausnahmefall, dass so etwas geschehen könnte", sagte der Aerosolforscher und Präsident der Gesellschaft für Aerosolforschung Christof Asbach dem BR [br.de]. Wer seinem Mitjoggenden allerdings die gesamte Laufrunde über in den Hacken hängt und in dessen Windschatten reichlich Aerosole einhechelt - andere Frage.

Wichtig: Für die gemeinsame Ausübung von Sport im Freien gelten derzeit sowohl in Berlin als auch in Brandenburg strenge Regeln.

In Berlin dürfen (Stand 1. April) bis zu fünf Personen aus höchsten zwei Haushalten gemeinsam Freizeitsport ausüben. Diese Regelung gilt unabhängig vom Alter. Ebenfalls zulässig ist der gemeinsame Sport in festen Gruppen von bis zu 20 Kindern bis zwölf Jahren. In Brandenburg gilt: Ab einer 7-Tage-Inzidenz dürfen maximal zwei Personen gemeinsam im Freien Sport treiben. Kindersport in Gruppen wird vollständig untersagt. Bei einer 7-Tage-Inzidenz unter 100 gilt in Brandenburg: Im Freien ist kontaktfreier Sport mit bis zu zehn Personen in dokumentierten Gruppen erlaubt. Für Kinder und Jugendliche bis 14 Jahren ist gemeinsamer Sport in einer Gruppe bis zu 20 Personen (zuzüglich Aufsichtspersonal) gestattet.

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4. EHER AUF ALKOHOL VERZICHTEN - ODER SICH ZUMINDEST BESCHRÄNKEN

Seit 1. März darf man wieder in Berlin draußen Alkohol trinken. Nur in Parks und anderen Grünanlagen bleibt das verboten. Dass dies aktuell wirklich - zumindest stellenweise - durchgesetzt wird, hat wohl aber mit Überlegungen zu tun, die nicht direkt epidemiologisch zu begründen sind.

Die Idee ist, dass sich Menschen mit den Kaltgetränken aus diversen gut sortierten Spätis im Park näher kommen und angeheitert auch eher lauter reden. Das kann zu potenziell mehr infektiösen Tröpfchen beim Ausatmen führen. Alleine trinkt schließlich kaum jemand. Abgesehen davon gibt es aber natürlich keinen Grund, wieso sich Viren eher in Parks als auf der Straße übertragen sollten.

Wer sich schon darauf freut, wieder draußen zusammen Bier zu trinken, sollte es lieber erstmal ruhiger angehen lassen als in Vor-Corona-Zeiten. Denn dass Alkohol ab einem gewissen Pegel enthemmt und das Risiko erhöht, dass man es mit der Disziplin bei den Hygieneregeln möglicherweise nicht mehr so genau nimmt - das gilt überall.

5. AUCH DRAUSSEN WENIGE MENSCHEN TREFFEN - AM BESTEN IMMER DIESELBEN

Als die Temperaturen zuletzt sprunghaft stiegen und der Vor-Frühling rauskam, spürte man auf den Berliner Straßen und in den Parks, wie sehr die Menschen sich nach Sonne, Durchatmen und anderen Gesichtern gesehnt hatten. "Wir Menschen sind soziale Wesen und es ist wichtig, dass wir andere sehen", sagt die Medizinerin Simone Scheithauer.

Weil aber trotz aller Vorsichtsmaßnahmen das Infektionsrisiko nie vollkommen ausgeschlossen werden könne, sei es wichtig, wen man treffe. Indem man sich nicht ständig mit anderen Leuten aus unterschiedlichen Haushalten verabrede, reduziere man das Risiko, dass eine Ansteckung gleich eine lange Infektionskette lostrete.

Wichtig: Auch hier gelten sowohl in Berlin als auch in Brandenburg Beschränkungen.

In Berlin
dürfen sich derzeit (Stand 1. April) maximal fünf Personen aus zwei verschiedenen Haushalten treffen (Kinder bis 14 Jahre nicht eingerechnet). Ab Karfreitag (2. April) dürfen sich Personen zwischen 21 und 5 Uhr im Freien nur noch alleine oder zu zweit aufhalten. Tagsüber bleibt es bei den bisherigen Regelungen mit maximal fünf Menschen aus zwei Haushalten. In beiden Fällen werden Kinder nicht mitgezählt.

Ab Dienstag (6. April) dürfen sich dann nur noch Angehörige eines Haushalts plus eine weitere Person im privaten Bereich aufhalten. Nachts dürfen sich dann auch Mitglieder aus zwei Haushalten in privaten Räumen nicht mehr treffen.

In Brandenburg dürfen sich über die Ostertage (2. bis 5. April) ebenfalls fünf Personen aus zwei Haushalten treffen - unabhängig von der jeweiligen 7-Tage-Inzidenz. Für die Zeit nach Ostern gilt: Liegt die 7-Tage-Inzidenz im Landkreis oder in der kreisfreien Stadt über 100, dann darf sich ein Haushalt mit höchstens einer haushaltsfremden Person treffen (Kinder bis 14 Jahren nicht eingerechnet). Liegt sie unter 100, dann bleibt es bei zwei Haushalten mit maximal fünf Personen.

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6. SICH NICHT AUF WÄRMERE TEMPERATUREN VERLASSEN

Anders als bei Influenza-Erregern machen UV-Strahlung und Hitze bei der Infektionsgefahr durch das Sars-Cov-2-Virus nur einen vergleichsweise geringen Unterschied [idw-online.de], darauf deuten bisherige Forschungsergebnisse hin. Das Virus verbreitet sich schließlich auch in viel wärmeren Ländern der Erde stark - auch wenn dort auch soziale Faktoren wie beengtere Wohnverhältnisse oder der Aspekt, dass zu große Hitze die Leute in klimatisierte Innenräume treibt, zu berücksichtigen sind.

Aber eine Studie, die im vergangenen September im US-Fachblatt "Emerging Infectious Diseases" [cdc.gov] veröffentlicht wurde, legt nahe, dass es Corona bei Wärme durchaus schwerer haben könnte. Forschende wiesen Sars-CoV-2 bei Temperaturen zwischen 0 und 10 Grad besonders lange im Sekret aus Nase und Rachen nach. Bei 21 Grad überlebte es bereits deutlich kürzer, bei 27 Grad hatte es die kürzeste Überlebensdauer. Hinzu kommt, dass sich Aerosole bei warmen Wetter weniger gut in der Luft halten können, gibt Mohsen Bagheri zu Bedenken.

Ähnliches galt auch für die vergleichsweise geringe Ansteckungsgefahr durch Schmierinfektionen - bei höheren Temperaturen und Sonneneinstrahlung trocknet das Virus auf Flächen noch deutlich schneller aus.

Trotzdem: Das wärmere und trockenere Wetter allein werde nicht schlagartig die Situation verändern, sagt Simone Scheithauer: "Wir können uns leider darauf nicht ausruhen, sondern müssen versuchen einen klugen Umgang mit dem Virus zu finden. Und beim Risiko gibt es eben kein Schwarz und Weiß."

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, das Trinken von Alkohol sei im Berliner Grünanlagengesetz ohnehin bereits verboten gewesen - das ist falsch. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten, ihn zu entschuldigen.

Sendung: Inforadio, 25.02.21, 14 Uhr

Beitrag von Sebastian Schneider und Haluka Maier-Borst

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