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Audio: rbb 88,8 | 23.03.2021 | Interview mit Anja Voigt | Quelle: dpa

Interview | Krankenschwester auf Covid-Station

"Die Patienten sind jetzt um die 50"

Medizinisches Personal hat seit Monaten kaum Zeit zum Durchatmen. Und die Zahl der schweren Covid-Verläufe steigt wieder. Im Interview erzählt eine Berliner Krankenschwester, welche Patienten nun seltener ins Krankenhaus müssen und wovor sie sich fürchtet.

rbb: Frau Voigt, wie ist die aktuelle Lage bei Ihnen auf der Intensivstation im Vivantes Klinikum Neukölln?

Anja Voigt: Es kommt genau dazu, womit wir gerechnet haben. Die Fälle steigen wieder, die Zahl der Corona-Patienten nimmt leider wieder zu, nachdem es schon eine leichte Beruhigung gab. Man hatte die leichte Hoffnung, dass es vielleicht auch dabei bleibt. Aber wir sehen, dass die Zahlen nicht nur in den Inzidenzen steigen, sondern auch in den Kliniken.

Zur Person

Anja Voigt ist Krankenschwester auf einer Covid-Station im Vivantes Klinikum Neukölln und Betriebsrätin

Können Sie die Lage noch handhaben oder ist es dramatisch?

Im Moment geht es noch. Aber wenn es weiter so geht, haben wir in 14 Tagen die gleiche Situation wie zu Weihnachten, wo es ja wirklich schlimm war. Also zu Ostern würde ich sagen.

Wir hören ja immer wieder, dass jetzt Menschen über 50 besonders gefährdet sind. Viele der Älteren sind geimpft. Werden die Patienten bei Ihnen auch jünger?

Ja, auf jeden Fall. Die Patienten sind um die 50.

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Was ist Ihre Schlussfolgerung? Diejenigen, die geimpft sind, sind nicht mehr so gefährdet?

Das würde ich schon so sagen. Man sieht das zumindest in Berlin, dass bei den alten Menschen eine ordentliche Durchimpfung stattgefunden hat. Da ist es klar, dass sich jetzt die infizieren, die deutlich jünger sind und da gibt es natürlich auch schwere Verläufe.

Patienten mit schweren Verläufen müssen eine längere Zeit beatmet werden. Denen geht es häufig auch länger schlecht. Können Sie das bestätigen?

Ja, das ist das sogenannte Long-Covid-Syndrom, mit dem die Leute sehr, sehr lange zu tun haben. Es geht eben nicht nur um 14 Tage Intensivstation, was auch schon schlimm wäre, sondern oftmals haben die Patienten noch monatelang damit zu tun. Davor hätte ich wirklich Angst.

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Viele Leute spiegeln uns jetzt, dass sie dieses Hin und Her zwischen Öffnung und Lockdown nicht mehr ernst nehmen können. Gleichzeitig sind die Leute auf Mallorca. Wie sehen Sie das?

Ich finde es wahnsinnig ärgerlich. Es ist alles zu inkonsequent, mal zu, mal auf. Ich finde es verdammt ärgerlich, dass es mit dem Impfen nicht vorangeht. Das war eine Hoffnung, die wir alle, gerade im Krankenhaus, hatten, dass es damit besser wird. Das tritt überhaupt nicht ein.

Auch diese "Mallorca-Politik" kann man keinem erklären. Dass die Leute dort hinfahren, sich treffen, und ich soll mich hier maximal mit einem Haushalt weiterhin treffen. Das kann man keinen mehr verkaufen. Meine Kollegen sind müde, ich bin müde. Die Menschen draußen sind müde. Es muss jetzt auch mal in der Politik irgendwas passieren. So geht es nicht weiter. Soll das ein Endlos-Lockdown werden? Ich weiß es nicht. Ich finde es anstrengend mittlerweile.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Anja Voigt führte Ingo Hoppe, rbb 88.8.

Der Text ist eine redigierte Fassung. Das Gespräch können Sie auch oben im Audio-Player nachhören.

Sendung: rbb 88.8, 23.03.2021, 17:10 Uhr

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