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Audio: Inforadio | 17.04.2021 | Sylvia Tiegs | Quelle: rbb/Sylvia Tiegs

Berliner Lehrer an Corona verstorben

"Er war eine Frohnatur. Er fehlt mir"

Am Sonntag wird der Corona-Toten gedacht. Fast 80.000 Menschen sind in Deutschland inzwischen verstorben. Unter ihnen ist auch ein junger Berliner Lehrer. Seine Kollegen und Schüler haben ihn nicht vergessen und wollen das Andenken an ihn erhalten. Von Sylvia Tiegs

"Buongiorno!", das war Soydan Arslans täglicher Morgengruß. Dabei war er kein Italiener, sondern ein Berliner Junge aus Kreuzberg, zweite Generation türkischer Einwanderer. Aufgewachsen ist Soydan Arslan ganz in der Nähe der Carl-von-Ossietzky-Schule am Südstern - dort, wo er später unterrichten sollte. Bis er viel zu früh, mit nur 39 Jahren, durch Corona aus dem Leben gerissen wurde.

Soydan Arslan ist einer von fast 80.000 Covid-Toten in Deutschland, für die am Sonntag in Berlin eine staatliche Gedenkfeier veranstaltet wird. Damit soll den Toten Gesicht und Stimme gegeben werden. An seinem alten Arbeitsplatz haben sie Soydan Arslan noch längst nicht vergessen.

Die Kollegen von Soydan Arslan: Haluk Kaplan, Ilknur Konuk und Götz Brennecke (v.l.n.r.) | Quelle: rbb/Sylvia Tiegs

"Wenn er morgens ins Lehrerzimmer kam, hatte er immer ein Lächeln im Gesicht", erzählt sein Kollege Haluk Kaplan. "Er war eine Frohnatur, hatte Sinn für Situationskomik. Aber er konnte auch gut zuhören. Er fehlt mir."

So geht es ganz vielen an der Carl-von-Ossietzky-Schule. Freund und Kollege Götz Brennecke erinnert sich, wie Soydan Arslan 2016 an der Schule anfing: "Er war in Windeseile 'Everybody’s Darling'. Ich habe mich gerade vor ein paar Wochen mit einer Kollegin unterhalten, die nicht mit ihm befreundet war. Und sie sagte: 'Ich vermisse den Kerl'. Und das sagt eigentlich alles."

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Lehrer mit Leib und Seele

Nicht nur bei seinen Kollegen war Soydan Arslan beliebt. Auch seine Schüler hatten ihn ins Herz geschlossen. Deutsch, Türkisch und Ethik waren seine Fächer. Aber er sei viel mehr gewesen als "nur" ein Fachlehrer, sagt Kollegin Ilknur Konuk. "Er hat seine Schüler sehr gemocht. Ich habe oft Schüler gesehen, die Jahre später seinen Rat gesucht haben. Er war der Lehrer, zu dem man hingehen konnte." Ilknur Konuk sagt auch: Soydan Arslan habe sich immer gefragt, was wohl später aus seinen Schülern mal werden würde. Sein Engagement ließ auch im vergangenen Herbst nicht nach, obwohl sich nach den Ferien an seiner Schule die Corona-Fälle häuften.

Angst vor dem Virus

"Er kam zur Schule wie wir alle - aus Pflichtgefühl", berichtet Kollege Haluk Kaplan, "und wir haben gegenseitig nicht zugeben wollen, dass wir alle ein bisschen Angst hatten." Anfang November erwischte das Virus Soydan Arslan, im Unterricht bekam er rasende Kopfschmerzen. Er verabschiedete sich diesmal nicht lustig auf Italienisch, sondern sehr ernst auf Türkisch. Als hätte er eine Vorahnung gehabt.

Seine Kollegen waren besorgt. Aber nie, sagen sie, hätten sie gedacht, dass es ihn so umhauen würde. Er war doch jung, hatte keine Vorerkrankungen, war ein Kämpfer. Doch schnell kam Soydan Arslan ins Krankenhaus. Haluk Kaplan erinnert sich an eines der letzten Telefonate mit seinem Freund. "Er hat gesagt: 'Ich kriege keine Luft'. Ich habe gesagt: 'Komm, wir reden später'."

Die Schüler von Soydan Arslan haben eine Gedenk-Ecke im Klassenzimmer eingerichtet | Quelle: rbb/Sylvia Tiegs

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Tod und Trauer

Es gab kein "später" mehr. Drei Wochen wurde Soydan Arslan künstlich beatmet, dann starb er am 17. Dezember im Benjamin-Franklin-Krankenhaus. Mit nur 39 Jahren. Zurück bleiben seine Frau und die beiden Kinder – der Sohn ist zehn, die Tochter erst acht Jahre alt. "Er war ein begeisterter Papa", sagt seine Kollegin Ilknur Konuk mit Tränen in den Augen.

Sie ist nach wie vor fassungslos, genauso wie Haluk Kaplan und Götz Brennecke. Es quält sie die Frage: Hat sich Soydan Arslan in der Schule angesteckt? Der Schock und die Angst sitzen tief.

Seine Schüler haben ihm eine Gedenk-Ecke im Klassenzimmer eingerichtet - mit Fotos und einem T-Shirt seines Lieblingsvereins Galatasaray Istanbul.

Auch die drei Lehrerfreunde haben es sich zur Aufgabe gemacht, Soydan Arslans Familie zu unterstützen und das Andenken an ihn wachzuhalten. Im Lehrerzimmer steht sein Foto mit einer Kerze. Seinen alten Platz dort haben sie ihm freigelassen.

Wenn er könnte, würde Soydan sie auch jetzt noch trösten - davon ist Götz Brennecke fest überzeugt: "Was er sagen würde? 'Kopf hoch, Götze, komm! Weiter geht's!'"

Beitrag von Sylvia Tiegs

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