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Audio: Inforadio | 17.01.2022 | Gespräch mit Jörg Weimann | Quelle: dpa/Christoph Soeder

Berliner Intensivmediziner

"Wenn ich nur auf die Patientenzahlen schaue, sehe ich nur die halbe Wahrheit"

In den Krankenhäusern, die sich bei Weitem nicht im Normalbetrieb befänden, herrsche gerade Ruhe vor dem Sturm, sagt der Berliner Intensivmediziner Jörg Weimann. Bald würden immer mehr Patienten kommen, während gleichzeitig mehr Personal ausfalle.

Der Berliner Intensivmediziner Jörg Weimann hat die aktuelle Pandemie-Lage als "Ruhe vor dem Sturm" beschrieben. Zwar sind zurzeit weder die Intensiv- noch die Normalstationen der Krankenhäuser in Berlin und Brandenburg überlastet. Weimann, Chef der Intensivmedizin am Gertrauden-Krankenhaus in Berlin-Wilmersdorf, warnte am Montag im rbb trotzdem vor den kommenden Wochen.

Denn wenn man jetzt nur auf die Patientenzahlen schaue, sehe man nur die "halbe Wahrheit", sagte der Mediziner im rbb-Inforadio.

Corona-Patienten auf Normalstation

Omikron-Welle macht sich in Berliner Krankenhäusern bemerkbar

Die Omikron-Welle führt zu immer neuen Rekordinzidenzen. Auf den Intensivstationen ist die Corona-Virusvariante noch nicht angekommen, auf den Normalstationen der Kliniken sieht es mancherorts aber schon anders aus - auch in Berlin.

Einerseits füllten sich die Normalstationen der Kliniken erwartungsgemäß vermehrt mit Covid-Patienten. Man rechne aber auch damit, dass sich vermehrt Mitarbeiter der Krankenhäuser infizierten oder in Quarantäne geschickt werden müssten. Diese ständen dann aber auch nicht mehr für die Versorgung der Patienten zur Verfügung.

Das habe man ja auch, so Weimann weiter, bei den Berliner Verkehsbetrieben (BVG) oder im Kultur- oder Sportbereich gesehen. Dort fielen ja auch schon Veranstaltungen aus oder auch gastronomische Einrichtungen würden teilweise schließen müssen. "Das heißt, auch in den Krankenhäusern kann und wird es passieren, dass man da Einschränkungen hat. Bei gleichen Patientenzahlen", so der Mediziner.

Mehr Patienten und weniger Personal

Wenn man zusätzlich davon ausgehe, dass sich der Trend zu mehr Infektionen noch eine Weile fortsetzen werde und somit kontinuierlich mehr Patienten in die Krankenhäuser kämen, während weiterhin Mitarbeiter ausfielen, sei das schon etwas, "was uns Kopfschmerzen macht und was dann auch schwer zu managen sein wird. Denn dann wird der Bedarf hoch sein bei gleichzeitigem Ausfall von Personal", so Weimann weiter

Der Intensivmediziner verwies auch darauf, dass sich die Kliniken schon lange nicht mehr im Normalbetrieb befänden. Elektive Eingriffe, also solche, die warten könnten, würden ja schon verschoben. "Inwieweit da dann noch weiter eingeschränkt werden muss, wird man sehen. Aber das steht zu befürchten", sagte Weiman weiter.

Anstieg in Berlin, Bremen und Hamburg schon sichtbar

Zuvor hatte der Präsident der Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, der "Augsburger Allgemeinen" (Montag), gesagt, man sehe unter anderem in Berlin, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein den Anstieg auf den Normalstationen bereits, während sich die rasche Ausbreitung der Omikron-Variante laut Fachmedizinern indes noch nicht bemerkbar mache.

Laut Gaß bereiten sich die Kliniken bundesweit intensiv auf die Welle der neuen Virusvariante vor. "Wenn die Modelle sich bewahrheiten und wir schon sehr bald mit mehr als 100.000 Infizierten pro Tag rechnen müssen, werden auch weiterhin viele Patienten im Krankenhaus versorgt werden müssen", sagte Gaß. Im Unterschied zu vorangegangenen Wellen würden Patienten in den kommenden Wochen aber wohl vermehrt in den Normalstationen ankommen, da die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs bei Omikron geringer sei, sagte er.

2G plus in der Berliner Gastronomie

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Lauterbach warnt vor "schweren Wochen"

Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnte davor, die Bedrohung zu unterschätzen: "Wir dürfen uns mit Blick auf die aktuell sinkenden Krankenhauszahlen insbesondere auf den Intensivstationen nicht in Sicherheit wiegen", sagte er der "Bild am Sonntag".

Momentan erkrankten vor allem die Jüngeren, die viele Kontakte hätten, so Lauterbach weiter. Das werde sich ändern. "Wenn sich bald auch die Älteren infizieren, wird die Zahl der Klinikeinweisungen wieder steigen." Da könne es, je nach Entwicklung, nicht nur bei den Intensivstationen knapp werden, sondern auch auf den normalen Stationen. Es könne zur Schließung ganzer Abteilung kommen.

"Uns drohen in Deutschland sehr schwere Wochen", sagte Lauterbach. "Eine Durchseuchung bedeutet, dass Hunderttausende schwer krank werden und wir wieder viele Tausend Corona-Tote beklagen müssen." Im internationalen Vergleich habe Deutschland eine relativ alte Bevölkerung mit vielen chronisch Kranken. "In Kombination mit der niedrigen Impfbereitschaft ist das brandgefährlich."

DIVI will Daten auch für Normalstationen

Der Leiter des Divi-Intensivregisters, Christian Karagiannidis, sprach sich dafür aus, Daten über Corona-Infizierte auch auf den Normalstationen der Krankenhäuser zu erheben. "Wir brauchen endlich ein Monitoring, das wie das Intensivregister zuverlässig die mit Corona infizierten Krankenhauspatienten erfasst", sagte er der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Samstag). Auf den Normalstationen könne die Lage dramatisch werden, "wenn die Fallzahlen weiterhin so durch die Decke gehen".

Sendung: Inforadio, 17.01.2022, 11:25 Uhr

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