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Video: rbb24 Abendschau | 22.05.2023 | Fanny Michaelis | Quelle: rbb

#Wiegehtesuns? | Inklusiver Arbeitsmarkt

"Wir werden zu oft unterschätzt"

Josephine Dröge aus Berlin hat seit ihrer Geburt eine spastische Lähmung. Sie bewältigt ihren Alltag allein, sich selbst zu finanzieren ist ihr wichtig. Der Weg ins Berufsleben war für die junge Frau aber nicht leicht. Ein Gesprächsprotokoll

In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Vor Kurzem hat der Bundesrat einem Gesetz zugestimmt, mit dem Menschen mit Behinderungen stärker als bisher Zugang zum Arbeitsmarkt finden sollen. Der Nachholbedarf bei beruflicher Inklusion ist in Deutschland auch im Jahr 2023 denkbar groß.

Die Berlinerin Josephine Dröge, 25 Jahre alt, ist gehbehindert. Seit 2021 arbeitet die gelernte Kauffrau für Büromanagement in dem Inklusionsunternehmen Handfest, einem Catering-Betrieb. Was hält Josephine Dröge von dem Gesetz und wie sieht ihr Arbeitsalltag aus?

Inklusiver Arbeitsmarkt

Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts

Ich habe seit meiner Geburt eine spastische Diparese. Es ist eine Spastik in beiden Beinen. Linksseitig ist ein bisschen stärker als rechts. Ich bin damals zehn Wochen zu früh auf die Welt gekommen. Dabei gab es einen Sauerstoffmangel, der diese Schwerbehinderung ausgelöst hat.

Laufen kann ich zum Glück und darüber bin ich auch sehr dankbar. Ich kann keine weiten Strecken laufen. Ich kann nicht so gut draußen laufen. Drinnen muss ich immer auf Unebenheiten achten. Die Stolpergefahr bei einer kleinen Treppe oder Teppichkante ist wirklich sehr hoch.

Deswegen habe ich meinen Rollstuhl dabei, daran kann ich mich festhalten oder mich hinsetzen, wenn ich irgendwann auch Schmerzen in den Beinen oder in den Knien bekomme. Es gibt schlechte Tage, es gibt gute Tage. Ich kann nicht rennen, ich kann nur kurze Strecken ohne Rollstuhl laufen.

Ich wollte immer arbeiten. Es war mir besonders wichtig, eigenes Geld zu verdienen, selbstständig zu sein, um auf niemanden angewiesen zu sein. Ich finde es wichtig, weil es einfach zum Leben dazugehört.

2015 habe ich die Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement angefangen, im Juli 2018 war ich mit der Ausbildung fertig. Danach habe ich bis Mitte 2019 weiter in dem Betrieb gearbeitet, eine Vertretungsstelle als Sekretärin übernommen und war Teil in einem politischen Team. Mitte 2019 habe ich mich entschieden, zu pausieren und eine kurze Zeit Auszeit zu nehmen, auch aufgrund gesundheitlicher Probleme. Dann bin ich in eine Maßnahme des Jobcenters rein und habe glücklicherweise den Job hier gefunden. Im November 2021 ging es los.

Seitdem bin ich bei Handfest am Empfang tätig und kümmere mich um Büromanagementaufgaben. Zum einen habe ich die Telefonzentrale, ich empfange aber auch unsere Gäste oder vereinbare Termine. Wenn Material fehlt, bestelle ich neues Material. Was mir besonders Spaß macht, ist die vorbereitende Buchhaltung – Rechnungen und Lieferscheine abgleichen, die dann zur Buchhaltung gehen.

#Wiegehtesuns? | Schwarze Berlinerin

"Die Menschen helfen einfach nicht. Sie gehen vorbei"

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Zu Beginn war es wirklich nicht leicht mit einer Einschränkung ins Berufsleben zu kommen. Ich hatte viele Vorstellungsgespräche, es wurde Interesse gezeigt, aber das Vertrauen fehlte oft und man wird unterschätzt. Nur weil ich körperlich eingeschränkt bin und den Rollstuhl zur Unterstützung habe, heißt es nicht, dass ich nichts im Kopf habe. Ich habe eine abgeschlossene Ausbildung, habe drei Jahre lang durchgezogen und einen guten Schulabschluss.

Jetzt bin ich einfach froh, hier zu sein, weil mir die Arbeit zugetraut wird und sie dankbar sind für das, was ich mache. Und das bedeutet mir einfach unglaublich viel. Im privaten Bereich merke ich oft, dass ich unterschätzt werde. Meine Freunde wissen natürlich genau, was ich kann und was nicht. Wenn ich neue Leute kennenlerne, ist es schwierig. Die denken immer, wenn du einen Rollstuhl hast, dass du komplett darauf angewiesen bist und nichts ohne Hilfe machen kannst. Nur weil ich den Rollstuhl habe, heißt es nicht, dass du nicht ganz normal mit mir einkaufen, ins Kino oder shoppen gehen kannst.

Bei der Arbeit ist es selten der Fall, dass ich unterschätzt werde. Die Kunden sehen, dass ich im Bürostuhl sitze oder mal zum Tresen gelaufen komme. Ich versuche natürlich, alles selbständig zu lösen. Aber gewisse Dinge kann ich nicht machen, zum Beispiel Kopierpapier aus dem Lager holen. Ich werde in allen Situationen unterstützt und kann jederzeit nach Hilfe fragen. Und wenn ich im Haus unterwegs sein muss, nehme ich meinen Rollstuhl. Auf Dauer wäre es sonst zu anstrengend.

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Dass Menschen mit Beeinträchtigung besser in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen, finde ich wichtig, vor allem für unsere Gesellschaft. Es gibt viele Leute, die damit keine Erfahrung oder Berührungspunkte haben und unsicher sind. Sie haben vielleicht auch ein bisschen Angst davor, weil sie nicht wissen, wie sie mit demjenigen umgehen sollen. Aber ich finde es wichtig, die Leute mit einzubeziehen. Es gibt auch ein größeres Dazugehörigkeitsgefühl.

Bei uns arbeiten auch taubstumme Menschen in den Ausgabestellen der Küchen. Und es ist so schön zu sehen, wie das Miteinander ist – wenn ein Mensch, der keine Einschränkung hat, mit jemandem zusammenarbeiten kann und auch möchte, der Einschränkungen hat. Derjenige möchte ja genau dasselbe wie du: arbeiten, sein eigenes Geld verdienen und selbständig sein. Das ist so unglaublich wichtig heutzutage. Wir möchten genauso behandelt werden wie andere Menschen. Wir sind keine anderen Menschen, nur weil wir eine körperliche Schwäche haben.

Arbeitgeber sollten zumindestens probieren jemanden einzustellen, der eine Beeinträchtigung oder Lernschwäche hat. Oft ist es die Unsicherheit, dass vielleicht irgendetwas passiert. Aber wenn man die Leute an die Hand nimmt, würden sich das viel mehr Leute zutrauen. Dass höhere Geldstrafen gezahlt werden sollen, wenn Betriebe Menschen mit Behinderung nicht einstellen oder es nicht mal versuchen, begrüße ich.

Persönlich möchte ich beruflich erstmal hier im Betrieb bleiben, ich fühle mich einfach mega wohl. Das nächste Ziel ist eine eigene Wohnung, in der ich selbständig sein kann und ich möchte einfach glücklich werden – weiterhin gut in den Berufsalltag integriert werden – und einfach gesund bleiben.

Gesprächsprotokoll: Fanny Michaelis

Sendung: rbb24 Abendschau, 22.05.2023, 19:30 Uhr

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