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Video: rbb|24 | 29.03.2022 | Christian Titze | Quelle: picture alliance

Alte Pläne neu auf dem Tisch

Wie die geplante A100-Verlängerung Bund und Senat entzweit

Am Dienstag erklärte die Bundesregierung, den Ausbau der A100 voranzutreiben. Die Opposition befürwortet ihn. Der Berliner Senat wollte ihn eigentlich aussitzen. Ob der Bund Berlin übergeht, ist nur eine der offenen Fragen. Von Sebastian Schneider

Zwischen Grenzallee und Sonnenallee kann man das hellgraue Band schon erkennen, sauber ausgeschachtet und in Beton gegossen verläuft es nach Norden, schlängelt sich vorbei an der Großbaustelle des Estrel-Hotels, entlang an Bahnschienen, Kleingärten und Parkplätzen. Fast bis zum Treptower Park haben sich die Bagger und Laster schon vorgearbeitet. Hier soll der 16. Bauabschnitt der A100 in zwei Jahren freigegeben werden, teurer als geplant, aber trotzdem nicht das Ende: Die Bundesregierung möchte den Berliner Stadtring verlängern bis zur Südspitze von Prenzlauer Berg. Seit Dienstag ist sie darin einen Schritt weiter und das hat von neuem den Streit darum entfacht, wieviel Autobahn eine Metropole wie Berlin heute vertragen kann.

Die bundeseigene Autobahn GmbH schrieb am Dienstagnachmittag den Auftrag zur konkreten Planung des 17. Bauabschnitts zwischen Treptow und Lichtenberg aus [vergabe.autobahn.de]. Damit sei klar, dass dieser nun auch gebaut werde, sagte Daniela Kluckert, die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium (FDP), der "Morgenpost" [Bezahlinhalt]. Aber so klar ist das Ganze noch nicht.

Das Interview erschien am Morgen. Glaubt man der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), erfuhr sie aus der Zeitung, dass das FDP-geführte Verkehrsministerium das riesige Bauprojekt in ihrer Stadt vorantreiben will. Sie klang nicht amüsiert. Jetzt haben Bund und Senat ein Problem. Denn bezeichnete man den Weiterbau der A100 als umstritten, wäre das untertrieben.

Bundesverkehrsministerium dafür, Senat größtenteils dagegen

Giffey selbst hat sich für einen Weiterbau ausgesprochen, genau wie die Oppositionsparteien CDU, FDP und AfD. Das Teilstück sei wichtig, um den Osten und Südosten der Stadt besser anzubinden und Wohngebiete von Verkehr zu entlasten. Die Bündnispartner Grüne und Linke sowie Teile der SPD aber lehnen das Projekt strikt ab - wie auch im Bund. Eine neue Betonschneise mitten durch die Stadt bringe Luft- und Lärmbelastung, sei teuer und nicht mehr zeitgemäß.

Im Koalitionsvertrag einigte sich der Senat deshalb auf einen Kompromiss: Bis zum Ende der Legislaturperiode 2026 sitzt er das Thema aus, beteiligt sich nicht an weiteren Planungen. "Diese Vereinbarung, die wir mit unseren Koalitionspartnern geschlossen haben, ist für mich auch bindend", sagte Giffey am Dienstag.

Ampel-Partner Grüne: "Alleingang des Bundesverkehrsministers"

Doch seit 2021 ist die Bundesregierung allein für Planung, Bau und Instandhaltung der Autobahnen zuständig, damit solche Großprojekte schneller ablaufen. Das heißt: Das entscheidende Planfeststellungsverfahren erledigt nicht der Berliner Senat. Der Weiterbau der A100 ist in einem Bundesgesetz festgehalten, das nur der Bundestag ändern kann. Danach sieht es momentan nicht aus. Die FDP-Staatssekretärin Kluckert, Wahlkreis Pankow, sagte der "Morgenpost", der Senat könne den Bau nicht stoppen. Auch auf Bundesebene habe man sich im Koalitionsvertrag mit den Grünen geeinigt, wichtige Verkehrsprojekte einschließlich Lückenschlüssen in Deutschland anzugehen. Dazu gehöre auch der Weiterbau der A100.

Dazu jedoch findet sich im Ampel-Koalitionsvertrag konkret nichts. Es heißt, dass der sechs Jahre alte Bundesverkehrswegeplan neu überprüft werden soll, bis dahin solle es eine gemeinsame Abstimmung über die laufenden Projekte geben. "Eine solche gemeinsame Verständigung erfolgte zur A100 nicht", widerspricht Stefan Gelbhaar, der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, ebenfalls aus Pankow. Es sei ein Alleingang des Bundesverkehrsministers gewesen, daher gebe es Gesprächsbedarf. Die A100 sei weder nötig noch sinnvoll.

Es wäre ein Novum, wenn das Verkehrsministerium versuchen würde, ein Projekt dieser Dimension gegen den Willen einer Landesregierung durchzusetzen; noch dazu mit der Begründung, ein Stück Autobahn mitten durch die Stadt sei Bundesinteresse. Aber wie der Senat nun mit diesen Plänen umgehen kann, ist offen.

Quelle: rbb

218.000 Euro pro Meter

Schon der Bau des 16. Abschnitts war ein derart aufgeladenes Thema, dass es 2011 eine rot-grüne Koalition verhinderte. Für das 3,2 Kilometer lange hellgraue Betonband wurden mehrere Wohnhäuser und Kleingarten-Parzellen abgerissen, Bürgerinitiativen und Naturschützer protestierten. Ende 2024 soll die Strecke fertig sein, zwei Jahre später und fast 50 Prozent teurer als geplant. Sie kostet nun umgerechnet etwa 218.000 Euro pro Meter, die teuerste Straße Deutschlands.

So wie ursprünglich geplant kann sie wohl nicht genutzt werden, es sind inzwischen schlichtweg zu viele Fahrzeuge unterwegs – diese würden sich dann am Treptower Park in die umliegenden Straßen verteilen. Für diese Mengen aber ist die bestehende Infrastruktur nicht ausgelegt. Wie der Verkehr über die Autobahn fließt, ist Sache des Bundes – wie er dorthin und von dort wegkommt, ist Sache des Landes Berlin.

Der Bund argumentiert, der 16. Bauabschnitt mache nur Sinn, wenn auch der nächste Abschnitt bis zur Storkower Straße komme. Erst dann würde sich "die angestrebte vollständige Verkehrswirkung entfalten", heißt es im bis heute gültigen Bundesverkehrswegeplan (BVWP) von 2016. Beide Teile seien aneinandergekoppelt. "Man verlagert das Problem des abfließenden Verkehrs nur, schafft sich immer weitere Engstellen mit Staus. So, dass man sich peu à peu Richtung Ringschluss der Stadtautobahn vorarbeitet", entgegnet der Verkehrsforscher Weert Canzler vom Wissenschaftszentrum Berlin im Gespräch mit rbb|24.

VR-Projekt

So können Sie die geplante A100 in Virtual Reality abfliegen

Die Virtual-Reality-Anwendung zur geplanten A100-Verlängerung gibt es auch in einer Desktop-Version für den Browser - optimiert für Mozilla Firefox sowie Google Chrome.

Rauten aus Asphalt

Die Idee, die A100 in den Nordosten Berlins zu verlängern und den Ring möglicherweise ganz zu schließen, ist so alt wie die Autobahn selbst. 1958 wurde der erste Abschnitt der A100 eröffnet. Danach sollte sich ein Rautennetz aus Asphalt über Berlin legen und der Ring schließlich vollendet werden. Weitergebaut aber wurde, wegen der Teilung der Stadt, nur im Westen. Die Autobahn wurde bestenfalls ein Halbkreis statt eines Rings.

Doppelstöckiger Tunnel unter dem Ostkreuz

Nach der Wiedervereinigung kam buchstäblich neue Fahrt in die Debatte: 1999 erstellten Ingenieurbüros eine Vorplanung für den Senat, auf welcher Route die A100 weitergezogen werden sollte. Für die Fachleute war es eine verzwickte Angelegenheit: eine Autobahn durch Wohn- und Gewerbegebiete führen und dabei immer wieder Bahngleise kreuzen. Diverse Brücken bauten sie in die Pläne ein, mehrere Tunnel, davon einen sogar doppelstöckig - durch eine besonders enge Straße. Wohnhäuser, die im Weg stehen, müssten weg. Groß was geändert wurden an diesen Plänen nicht mehr.

Bleibt es dabei, würde der 17. Abschnitt vom Treptower Park über die Elsenbrücke verlaufen, die allerdings gerade grundlegend saniert wird. Ein Teil von ihr müsste wieder abgerissen werden. Danach arbeitet sich die A100 durch Wohnstraßen vor, taucht in einem zweistöckigen Tunnel unter dem Ostkreuz durch, fünf massive Betonblöcke wurden bereits als Vorleistungen unter den Bahnhof gebaut. Auf der östlichen Seite der Ringbahn kommt die Autobahn wieder ans Licht, führt auf einer Rampe über das Ring-Center hinweg, überkreuzt die Frankfurter Allee und endet nach 4,1 Kilometern nahe des S-Bahnhofs Storkower Straße.

"Planung aus den 1960er Jahren als Grundlage für den Verkehr von morgen": Der Mobilitäts- und Verkehrsforscher Weert Canzler | Quelle: Presse / David Ausserhofer

Eine Schlange, kein Ring

Der Verkehrsforscher Canzler bezeichnet den Weiterbau des Stadtrings, der nur eine Schlange ist, als Unsinn. "Berlin vergleicht sich ja gerne mit internationalen Metropolen – und wenn man da hinschaut: Die meisten versuchen sich am Rückbau von Stadtautobahnen und schränken den motorisierten Individualverkehr ein. Zum Beispiel Seoul, Barcelona, Paris, Mailand, Stockholm, Helsinki. In Berlin dagegen nimmt man heute eine Planung aus den 1960er Jahren als Grundlage für den Verkehr von morgen", sagt Canzler.

Die Planungen stammen aus der Zeit der autogerechten Stadt. Die Bundesregierung versuchte damals, Bürgern das Autofahren so leicht wie möglich zu machen. CO2-Ausstoß war für die Verantwortlichen kein Thema. Heute schreibt das Klimaschutzgesetz jedoch genau das Gegenteil vor: Die Emission im Verkehr sollen bis 2030 halbiert werden, das Bundesverfassungsgericht zwang die Regierung hier noch zum Nachschärfen.

In der Gegenwart ist die A100 seit Jahren eine der meistbefahrenen Autobahnen in Deutschland. Die Stadt wächst schneller, als der ÖPNV ausgebaut wird. Die Zahl der zugelassenen Pkw in der Stadt steigt, im Jahr 2016 waren es 321 Autos je 1.000 Einwohner. Im Juni 2021 waren es bereits 327 Autos. Wie man damit umgeht, ist die große Frage: Den zunehmenden Auto- und Lkw-Verkehr akzeptieren und ihm mehr Raum bieten, in der Erwartung, dass es dann weniger Staus gibt? Oder es ihm schwerer machen, damit er unattraktiver wird und letztlich abnimmt?

"Verlagerung von einem Verkehrsmittel auf das andere"

Der Informatiker Kai Nagel von der TU Berlin ist Experte für die Planung von Verkehrssystemen. Er hat sich mit seinem Team das Gutachten genau angesehen, mit dem die Bundesregierung damals den Weiterbau der Autobahn begründet hat. "Induzierter Verkehr, dass also durch ein neues Angebot ganz neue Autofahrten erzeugt werden, ist bei der Verlängerung der A100 nicht einmal so ein großer Faktor. Viel entscheidender ist die Verlagerung von einem Verkehrsmittel auf das andere: In dem Fall vom öffentlichen Verkehr oder vom Fahrrad auf das Auto", sagt Nagel rbb|24.

Hier spiele der Zeitgewinn die entscheidende Rolle. Wenn es kürzer dauere, mit dem Auto über die Autobahn zu fahren, als mit dem Nahverkehr durch die Stadt, werde das Verkehrsmittel automatisch attraktiver. Dem entgegen stehe der Effekt der höheren Umweltbelastung.

Dabei müsse man unterscheiden. Die Lärmbelastung insgesamt nehme durch die Verlagerung von Verkehr auf die verlängerte Autobahn ab, weil tatsächlich weniger Verkehr durch Wohngebiete fließe und sich die Autobahn durch Maßnahmen wie modernen Lärmschutz relativ gut abschirmen lasse, sagt der TU-Professor. Die Belastung durch CO2 und Stickoxide dagegen nehme durch den Ausbau deutlich zu.

"Es gibt hier keine einfache Antwort. Schlussendlich ist es eine politische Frage: Steht der Zeitgewinn im Vordergrund? Den gibt es. Oder geht es vorrangig um Klimaschutz? Die CO2-Effekte sind eindeutig negativ", sagt Nagel.

Erstmal gibt's nur Geld für die Planung: Bis 2025 soll feststehen, ob ein Weiterbau der A100 ökologisch vertretbar wäre und einen ausreichenden Verkehrsnutzen brächte. | Quelle: rbb/Karo Krämer

Abschnitt 17 soll durch den "Klimacheck"

Die nächsten Jahre wird erstmal geprüft, noch kein Bagger bewegt. Dann geht es um die Untersuchung von "aktuellen städtebaulichen, verkehrlichen und umweltverträglichen Bedingungen, Verkehrsplanung/Verkehrsuntersuchung, notwendige naturschutzrechtliche Untersuchungen sowie Vermessung und Baugrunderkundungen", sagte ein Sprecher der bundeseigenen Autobahn GmbH am Dienstag dem rbb.

2025 soll zumindest die genaue Streckenführung feststehen, 2027 das Planfeststellungsverfahren beginnen, rechnet die Autobahn GmbH. Die Ampel-Koalition hat für solche Bauvorhaben einen "Klimacheck" vereinbart. Ob der neue Teil der A100 diesen Check besteht, ist offen. Auch, was das Ganze kosten wird.

Der letzte Stand ist neun Jahre alt: Damals rechnete der Bund für die 4,1 Kilometer mit 531 Millionen Euro. Diese Kosten gelten inzwischen als überholt, Verkehrsexperten schätzen sie im Gespräch mit rbb|24 auf bis zu einer Milliarde Euro - namentlich zitieren lassen will sich damit keiner, zu viele Fragen sind noch ungeklärt, zu weit liegt der Abschluss noch in der Zukunft. Bis alles fertiggebaut ist, dürfte es Ende der 2030er sein. Einen halbwegs genauen Termin kann keiner nennen.

Doch bis es in Treptow richtig losgeht, bohrt, gräbt und walzt man schon längst auf der nächsten Großbaustelle: Im Westen wird das Autobahndreieck Funkturm saniert, mindestens acht Jahre sind für die Arbeiten eingeplant. Die Schlange wird ein Stück verlegt.

Historie

1955 wird der erste Autobahnabschnitt der späteren A100 eröffnet. 1968 verkündet der damalige Senator für Bau- und Wohnungswesen, Rolf Schwedler (SPD), in einer Hochglanzbroschüre, die gesamte Stadt solle mit einem Netz von Autobahntrassen durchzogen werden - Teilung hin oder her.

Das damalige Konzept des Senats sieht vor, die Stadt gitterartig mit Autobahnen zu durchziehen, mit vier sogenannten Tangenten. Die Innenstadt soll mit einem Ring umschlossen werden. Dazu gehören mehrere, auch längere Zubringer. Der Stadtring bekommt die Nummer A100. 1976 wird der Rautenplan wieder verworfen, später auch die sogenannte Westtangente. Die Vision eines Rings aber bekommt nach der Wende neue Unterstützung.

1992 steht der Weiterbau der A100 erstmals im Bundesverkehrswegeplan. Damit werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Bund die Kosten weitgehend übernimmt.

In den Jahren 1997 bis 1999 erarbeitet eine Planungsgemeinschaft aus den Ingenieurbüros Grassl und KuK (Krebs und Kiefer) für den schwarz-roten Senat eine Vorplanung. Sie ist bis heute die Grundlage für alle Pläne rund um die östliche Erweiterung der Stadtautobahn. Eine Aktualisierung gab es seitdem nicht mehr. Auch die Kostenschätzung wurde lediglich "angepasst".

Nach der Berlin-Wahl 2011 scheitert eine Koalition zwischen SPD und Grünen, weil sich letztere hartnäckig gegen die neue Trasse sträuben. Inzwischen protestieren Umweltschützer wie Anwohner gegen die - aus ihrer Sicht - "Schneise des Lärms". Erst im erneuten Bündnis mit der CDU kann die SPD den Weiterbau durchsetzen.

Seit Mai 2013 wird der 16. Bauabschnitt bis Treptow gebaut, 2024 soll dieser Teil fertig gestellt sein.

Seit der Abgeordnetenhauswahl im September 2016 hat die bisherige Koalition aus SPD und CDU, die einen Weiterbau befürwortete, keine Mehrheit mehr. Rot-Rot-Grün beschließt im damaligen Koalitionsvertrag, den 17. Bauabschnitt, also eine Verlängerung bis zur Frankfurter Allee, werde es in den nächsten fünf Jahren nicht geben. Am Treptower Park werde es einen "qualifizierten Abschluss" der A100 geben.

Auch die seit 2021 regierende rot-grün-rote Koalition unter Franziska Giffey (SPD) hält fest, den Bau des 17. Abschnitts bis zum Ende der Legislaturperiode nicht weiter verfolgen zu wollen.

Giffey und der SPD-Senator Andreas Geisel hatten sich in der Vergangenheit für einen solchen Ausbau ausgesprochen, ebenso wie der SPD-Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, Oliver Igel. Teile der SPD, die Grünen sowie die Linke lehnen den Ausbau ab. Die Opposition aus CDU, FDP und AfD befürwortet ihn.

Trassenführung

Der aktuell entstehende 16. Bauabschnitt der A100 hat eine Länge von 3,2 Kilometern und führt vom Dreieck Neukölln bis zur Anschlussstelle Treptower Park.

Als 17. Bauabschnitt würden sich von dort aus weitere 4,1 Kilometer bis zur Anschlussstelle Storkower Straße anschließen: Die Autobahn würde an der Elsenbrücke (wird gerade saniert) zunächst über eine Brücke über die Spree führen, anschließend neben den S-Bahn-Gleisen entlang bis zum Ostkreuz.

Dort würde die Autobahn in einem doppelstöckigen Tunnel abtauchen. Am Bahnhof wurden für diesen bereits im Zuge der Umbaumaßnahmen des Bahnhofs unterirdisch eine Decke und seitliche Stützwände einbetoniert. Der Tunnel würde weiter unterhalb einer Straße mit Wohnhäusern verlaufen. Kurz vor der Frankfurter Allee geht es wieder oberirdisch weiter - über eine Rampe am Ring-Center und den S-Bahn-Gleisen entlang - bis zur Storkower Straße. Dort soll sich der Verkehr dann in die umliegenden Straßen verteilen.

Bautechnisches

Geplant ist eine vier- bis sechsstreifige Stadtautobahn mit zum Teil überfahrbarem Seitenstreifen. Der tiefste Punkt soll bei 25 Meter im Tunnel liegen, der höchste Punkt auf 31,50 Metern.

Eingeplant ist ein Doppelstocktunnel unter der Neuen Bahnhofstraße/Gürtelstraße. Dazu wurde bei den Umbauten am Bahnhof Ostkreuz bereits der Tunneleingang als "Vorsorgebauwerk" angelegt.

 

 

Kosten und Nutzen

Für den 16. Bauabschnitt der A100 werden die Kosten aktuell auf rund 700 Millionen Euro geschätzt, statt wie ursprünglich geplant 473 Millionen Euro. Damit gilt sie - bezogen auf ihre Länge - als teuerste Autobahn Deutschlands.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ging im Sommer 2016 davon aus, dass der 17. Bauabschnitt der Stadtautobahn 531 Millionen Euro kosten würde. Allerdings stützt sich die Schätzung weitgehend auf Daten aus der Vorplanung von 1999. Damals waren 1.171,5 Millionen Mark angesetzt. Die 513 Millionen ergaben sich nach einer "Anpassung auf das heutige Kostenniveau, aus den Erfahrungen der Kostenentwicklung des 16. Bauabschnitts (BA) der A100 und in Bezug auf die Anpassung am Ende des 17. BA im Bereich der Einbindung in das vorhandene Straßennetz" (Anfrage Harald Moritz, 2013)

Laut Bundesverkehrwegeplan 2030 will der Bund in das "laufende Projekt" A100 848,3 Millionen Euro investieren. Als Kosten Dritter sind dort 25,2 Millionen Euro angegeben. Auf Nachfrage von rbb|24 hieß es im August 2016, mit den 848,3 Millionen Euro sei kostenmäßig "die Summe der zum Betrachtungszeitpunkt zukünftig noch zu leistenden Projektinvestitionen für das haushalterisch aus drei Einzelmaßnahmen bestehende Gesamtprojekt veranschlagt". Die im BVWP genannten Kosten seien die Gesamtkosten "abzüglich bereits verausgabter Mittel für den 16. BA und Vorleistungen im Bereich Ostkreuz".

Weil die A100 eine Bundesautobahn ist, finanziert die Bundesregierung das Bauprojekt. Berlin müsste die Planungskosten tragen. Der damalige verantwortliche Staatssekretär Christian Gaebler ging im Juni 2016 von rund "50 bis 60 Millionen Euro" aus.

Im Jahr 2012 erwartete die Bundesregierung ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von 3,2 für den 16. Bauabschnitt - Werte größer als Faktor 1 gelten als wirtschaftlich. Nach einer Fertigstellung des 17. Bauabschnitts läge dieser Wert aus Sicht des Bunds noch höher. Die ökologischen Folgen eines solchen Baus, speziell welche CO2-Menge durch Bau und Betrieb zusätzlich verursacht wird, sind in diese Berechnung allerdings nicht eingeflossen.

Inzwischen gehen Verkehrsexperten für den 17. Bauabschnitt von einer insgesamten Summe von etwa einer Milliarde Euro aus, statt der ursprünglich geplanten 530 Millionen.

Zeitplan

Im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030 (BVWP) ist der 17. Bauabschnitt der A100 als "fest disponiertes Projekt" eingeplant, mit "vordringlichem Bedarf". Inzwischen ist der BVWP auch rechtskräftig - am 2. Dezember verabschiedete der Bundestag die Ausbaugesetze. Der Bund könnte den Bau damit theoretisch auch gegen den Willen Berlins durchsetzen.

Allerdings: Auch wenn der Baubedarf im BVWP "gesetzlich festgestellt" ist, müssen die Bagger noch im Depot bleiben. Für das tatsächliche Baurecht sind ein Planfeststellungsverfahren und der Planfeststellungsbeschluss nötig. Zuvor wird erst einmal geprüft, ob der Bau des 17. Abschnitts aktuell zulässig ist. Die verantwortliche Autobahn GmbH des Bundes erklärte, dafür untersuche man "die aktuellen städtebaulichen, verkehrlichen und umweltverträglichen Bedingungen, Verkehrsplanung/Verkehrsuntersuchung, notwendige naturschutzrechtliche Untersuchungen sowie Vermessung und Baugrunderkundungen".

Bis 2025 will die Bundesregierung die Streckenführung und die Planung für den 17. Abschnitt abgeschlossen haben. Ab 2027 rechnet sie nach jetzigem Stand mit dem Start des Plan feststellungsverfahrens. Falls diese Planung den Bau ermöglicht, steht noch kein Fertigstellungstermin fest. Auch zu den aktuell erwarteten Kosten gibt die Bundesregierung keine Auskunft.

Sendung: rbb24 Abendschau, 30.03.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Sebastian Schneider, rbb|24

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