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Audio: rbb24 Inforadio | 30.08.2022 | Torsten Sydow | Quelle: dpa/Frank Rumpenhorst

Viele Fragen noch unbeantwortet

Brandenburg plant Verfassungstreue-Check für Beamte

Immer wieder tauchen Extremisten auch in den Reihen von Landesdienern auf. Die Brandenburger Landesregierung setzt nun als erstes Bundesland einen Check auf Verfassungstreue auf - und startet einen Pilotversuch mit einigen offenen Fragen.

Mit juristisch heiklen Projekten kennt sich der Brandenburger Innenminister Michael Stübgen (CDU) aus - und er ist bereit, in rechtlichen Grauzonen ins Risiko zu gehen. So ist es geschehen bei der umstrittenen Kennzeichenfahndung "Kesy" und so geschieht es nun auch beim sogenannten Verfassungs-Check, den Stübgen am Dienstag nach der Kabinettssitzung vorgestellt hat. Demnach sollen angehende Beamte in Brandenburg künftig vor ihrer Einstellung auf ihre Treue zur Verfassung überprüft werden.

Brandenburg betritt Neuland

Das Kabinett hatte Stübgens Gesetzentwurf den Segen gegeben, der in diesen Fällen eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz vorsieht. Brandenburg betritt damit als erstes Bundesland dieses Neuland. Der Innenminister hatte nach der Kabinettsentscheidung von einem "maßvollen und effektiven Weg" gesprochen, um die Beamtenschaft vor Extremisten zu schützen.

Vorgesehen ist, dass die Bewerber über die Anfrage beim und die Auskunft vom Verfassungsschutz informiert werden - auch, um dagegen Rechtsmittel einlegen zu können. Die Anfrage soll nur für diejenigen Bewerber erfolgen, die bereits für eine Einstellung ausgewählt wurden. Sie werde nicht vor der Anwärterausbildung durchgeführt, sondern erst, wenn die Verbeamtung auf Probe oder in Ausnahmefällen unmittelbar eine Berufung ins Lebenszeitverhältnis vorgesehen ist, hieß es.

Gewerkschaft der Polizei befürchtet Flickenteppich

Bei Beamten, die bereits im Staatsdienst sind, soll es nur bei Auffälligkeiten eine Anfrage beim Nachrichtendienst geben. Diejenigen, die es aber betreffen wird, haben noch eine Reihe offener Fragen. Die Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Brandenburg (GdP), Anita Kirsten, befürwortet zwar eine solche Überprüfung grundsätzlich, fragt sich aber, wie sie in der Praxis aussehen wird. Das gebe der Gesetzentwurf nicht vor. "Ich habe Fragezeichen, ob alle Behörden an einem Strang ziehen werden", so Kirsten gegenüber rbb|24. Sie fürchte, dass künftig jede einstellende Behörde das Gesetz unterschiedlich auslegen werde.

Verfassungsrechtler betont Notwendigkeit von Transparenz

Ulrich Battis, emeritierter Staats- und Verfassungsrechtler an der Humboldt-Universität Berlin, betont im Gespräch mit rbb|24 die Notwendigkeit eines durchsichtigen, rechtsstaatlichen Verfahrens. Grundsätzlich sei es legitim, dass der Staat prüfe, ob Beamte verfassungstreu seien. Staat und Beamte hätten eine gegenseitige Treuepflicht, die auch in der Verfassung und im Beamtenrecht verankert sei. Allerdings müssten im Rahmen einer Überprüfung vor allem von Beamten-Anwärtern die Ergebnisse zwingend transparent gehalten werden, so Battis weiter.

Er fordert, "dass im Falle einer Ablehnung eines Beamtenanwärters alles offengelegt wird, was der Verfassungsschutz vorgetragen hat, um es zu überprüfen". Es könne nicht genügen, dass der Verfassungsschutz irgendetwas schreibt und Behörden am Ende ohne die Nennung von Gründen eine Person nicht einstellen. Das wäre verfassungswidrig, so Battis.

Skepsis gegenüber Regelungen

Über das Gesetz muss noch der Landtag entscheiden. BVB/Freie Wähler signalisierten bereits Zustimmung. Die mitregierenden Grünen hatten sich dagegen bislang skeptisch gegenüber einer grundsätzlichen Überprüfung aller Beamten-Anwärter gezeigt. AfD und Linke lehnen die Pläne Stübgens ab. Die AfD steht selbst unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.

Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Dennis Hohloch, wehrt sich dabei gegen die Einmischung des Verfassungsschutzes in das Privatleben von Landesmitarbeitern. Der Linken-Fraktionsvorsitzende Sebastian Walter sagt, er misstraue dem Verfassungsschutz und halte den Check für zu bürokratisch und intransparent.

Warnung des Brandenburger Verfassungsschutzchefs

Extremisten könnten Energiekrise und Preissteigerung ausnutzen

Verfahren sei bereits eingeübt

Einen bürokratischen Mehraufwand kann Innenminister Stübgen indes nicht erkennen. Der Verfassungsschutz könne diese Aufgabe ohne zusätzliches Personal übernehmen. Das Vorgehen sei bereits mit der Überprüfung von Sicherheitspersonal und Beschäftigten an Flughäfen eingeübt. Nach Angaben von Staatssekretär Markus Grünewald geht es bei der Überprüfung um die Teilnahme an Versammlungen oder eine Mitgliedschaft in extremistischen Gruppierungen, das Tragen verfassungsfeindlicher Symbole oder Straftaten wie Volksverhetzung.

Kein zweiter "Radikalenerlass" geplant

Stübgen machte zur Bekräftigung seines Vorhabens deutlich, dass die Beamtenschaft insbesondere vor Rechtsextremisten geschützt werden müsse. "Eine extremistisch unterwanderte Partei sitzt derzeit in vielen Parlamenten", warnte er mit Blick auf die AfD.

Die Landesregierung bemüht sich nach eigenen Angaben, den Gesetzentwurf vom sogenannten "Radikalenerlass" von 1972 abzugrenzen. Nach einer Einigung zwischen Bund und Ländern wurden in der Bundesrepublik damals Bewerber und Beschäftigte des öffentlichen Dienstes jahrelang auf ihre Verfassungstreue überprüft. Im vorliegenden Gesetzentwurf seien umfangreiche Datenschutzregeln enthalten, hieß es. Die einstellende Behörde müsse etwa die in ihrem Besitz befindlichen Daten zu Kandidatinnen und Kandidaten vernichten, sobald sie diese nicht mehr benötige.

Sendung: rbb24 Inforadio, 30.08.2022, 18:50 Uhr

Mit Informationen von Hanno Christ und Katrin Neumann

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