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Audio: rbb24 Inforadio | 08.09.2022 | Jan Menzel | Quelle: dpa/W. Kumm

Neun-Euro-Ticket und Härtefallfonds

Berliner Abgeordnete debattieren über Entlastungen wegen steigender Preise

Die Ampelkoalition des Bundes hat angesichts stark steigender Preise ein Entlastungspaket für die Bürger vorgelegt. Nun hat auch das Berliner Abgeordnetenhaus darüber debattiert, welche Hilfen es lokal geben soll.

Das Abgeordnetenhaus hat über Maßnahmen angesichts der stark steigenden Preise insbesondere für Energie debattiert.

Der Berliner FDP-Fraktionsvorsitzende Sebastian Czaja lobte dabei das jüngste Entlastungspaket der Ampel-Koalition im Bund. Die Hälfte der Hilfen gingen als Steuerentlastungen an die "hart arbeitende Mitte", sagte Czaja. Er forderte den Senat aber auf, dieses Paket um einen "Schutzschirm für kleinere und mittlere Unternehmen" zu ergänzen. Scharf attackierte der FDP-Fraktionschef die Linke, die über einen "heißen Herbst schwadroniere".

Nachfolgeregelung für Neun-Euro-Ticket

Giffey spricht sich für 29-Euro-Ticket aus

Wie die Berliner Verkehrssenatorin hat sich nun auch die Regierende Bürgermeisterin Giffey für ein 29-Euro-Ticket ausgesprochen - als temporäres Nachfolgemodell für das Neun-Euro-Ticket. Noch fehlt aber die Einigung darüber mit Brandenburg.

SPD-Fraktionschef warnt vor Massenarmut

Czaja forderte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) auf, sich vom Koalitionspartner Die Linke zu distanzieren. Giffey hielt er vor, sich in der Diskussion um Entlastungen für die Bürger parteipolitisch zu profilieren. Die Regierende liefere sich ein "Windhundrennen" mit der grünen Senatorin Bettina Jarasch - eine Anspielung auf die koalitionsinternen Debatten über einen Nachfolger für das Neun-Euro-Ticket.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh warnte dagegen vor Massenarmut und dem "Abrutschen" ganzer Bevölkerungsschichten durch den Preisauftrieb. Die Bürgerinnen und Bürger müssten in Höhe der Steuermehreinnahmen des Staates entlastet werden. "Das Geld ist da", sagte der SPD-Politiker. Der Staat profitiere unter anderem über die Mehrwertsteuer enorm von den gestiegenen Preisen. Jährlich belaufe sich dieses Volumen auf rund 163 Milliarden Euro. Dieses Geld müsse zur Entlastung verwendet werden, sagte Saleh.

Linken-Fraktionschef Carsten Schatz sprach sich für eine regelmäßige und dauerhafte Unterstützung von Menschen mit niedrigen Einkommen aus. So müssten die Regelsätze der Bezieher von Arbeitslosengeld ab Oktober um 200 Euro angehoben werden. Zusätzlich sollten die gestiegenen Stromkosten separat erstattet werden, schlug Schatz vor.

Kritik von Oppositionsparteien

Für die Oppositionspartei CDU warnte Fraktionschef Kai Wegner davor, dass Berlin auf "eine sehr ernste Krise" zusteuere. Die Bürger bräuchten konkrete, schnelle und direkte Hilfen. Als Beispiel nannte Wegner einen "echten" Energiepreisdeckel für Strom, Öl und Gas. In der Debatte um vergünstigte Tarife für Busse und Bahnen erteilte der CDU-Fraktionschef den Überlegungen der Koalition für ein neues Neun-Euro-Ticket eine Absage. "Die Lösung ist unser 365-Euro-Ticket", erklärte Wegner. Dieses Angebot sei sowohl langfristiger als auch nachhaltiger als das Neun-Euro-Ticket.

Grünen-Fraktionschef Werner Graf verteidigte dagegen einen Berliner Fahrschein für die Zeit von Oktober bis Dezember als Nachfolger des Neun-Euro-Tickets. "Das füllt die Lücke", sagte Graf mit Blick auf die Hilfen, die die Bundesregierung beschlossen hat. Er betonte, dass die rot-grün-rote Koalition insbesondere den Menschen mit niedrigem Einkommen helfen wolle. "Zentral ist auch ein Härtefallfonds", betonte der Grünen-Fraktionschef.

AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker warf dem FDP-Fraktionschef Czaja vor, er wolle den Menschen "verkaufen", dass das Entlastungspaket der Bundesregierung der Mitte der Gesellschaft helfe. "Das Entlastungspaket wird von der hart arbeitenden Mitte finanziert, sie wird aber nicht entlastet", kritisierte Brinker. Vielmehr würden Bürger und Unternehmen in den Ruin getrieben.

Die Regierende Bürgermeisterin sagte hierzu, "Weltuntergangsszenarien helfen nicht weiter, sondern eine seriöse Zuversicht."

Protestmärsche gegen steigende Kosten

Der heiße Herbst ist da

Noch ist die Erinnerung an die Corona-Proteste wach, da rollt die nächste Welle auf das Land zu: gegen eine Explosion der Energiekosten und Preissteigerungen, für die viele der Ampelkoalition die Schuld geben. Von Olaf Sundermeyer

Regierende Bürgermeisterin kontert Kritik

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, SPD, wies die Kritik der Opposition zurück. Der Senat arbeite sehr konkret daran, das Entlastungspaket des Bundes zu ergänzen. "Ich weiß nicht, ob sie es mitbekommen haben – wir haben den Berliner Energiegipfel, wir haben mit der Berliner Wirtschaft eine Charta zum Energiesparen abgeschlossen und wir haben Pläne für den Härtefallfonds", so Giffey in Richtung der Oppositionsreihen. "Wir sind schon seit Wochen und Monaten dabei, diese Dinge vorzubereiten", wies Giffey am Donnerstag bei der ersten Plenarsitzung nach der Sommerpause im Abgeordnetenhaus Kritik aus der CDU zurück. CDU-Fraktionschef Kai Wegner hatte dem Senat vorgehalten, sich zu viel Zeit zu lassen und angesichts von Inflation und Energiekrise zu wenig zu unternehmen.

"Wir wollen das, was in Berlin passiert, sinnvoll ergänzen", sagte Giffey. "Es geht darum, dass wir jetzt in den nächsten Tagen das Entlastungspaket finalisieren werden."

Für den Umgang mit Inflation und Krise plädierte Giffey für einen kühlen Kopf. "Und wenn alle ihren Beitrag dazu leisten, dann sind wir uns ja einig, dass wir das mit einer Haltung angehen, die ganz klar sagt: Berlin packt das."

Sendung: rbb24 Inforadio, 08.09.2022, 13:40 Uhr

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