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Quelle: dpa/Susann Prautsch

Keine Lüftung, kaum Homeoffice

Klagen über Hygienemängel in Berliner Bürgeramt

Viele Angestellte sind pandemiebedingt längst im Homeoffice. In vielen Berliner Verwaltungen hakt es aber offensichtlich. Beschwerden gibt es aus dem Bürgeramt Wedding, wo es Probleme mit Lüftungsmöglichkeiten gibt. Von Stefan Ruwoldt und Lisa Schwesig

Kein Homeoffice, keine Lüftungsmöglichkeiten im Wartebereich, keine reduzierten Fallbearbeitungen: In Bezug auf den Schutz vor Corona-Infektionen im Bürgeramt Berlin-Wedding in der Osloer Straße gibt es Vorwürfe gegen die Verantwortlichen, auch im Bezirk. "Man kann sich den Lockdown sparen, wenn so inkonsequent gehandelt wird", sagte eine betroffene Person, die anonym bleiben möchte, rbb|24.

Auch von Gewerkschaftsseite werden Vorwürfe laut. So erklärte Verdi-Landesbezirksfachbereichsleiter Erich Mendroch in Bezug auf eine fehlende Lüftung: "Das ist eine Sache, die überhaupt nicht geht." Menschen in Räumen ohne Lüftungsmöglichkeit warten zu lassen, "halte ich für fahrlässig", so Mendroch zu rbb|24.

Der Gewerkschaftsvertreter sagte weiter, die technischen Voraussetzungen für eine Tätigkeit im Homeoffice seien in den Berliner Bezirksämtern derzeit mangelhaft - im Gegensatz beispielsweise zu Senatsämtern. "Es fehlt an nötiger Technik und mobilen Endgeräten", so Mendroch. Außerdem seien die Sicherheitsstandards derart hoch, dass eine Arbeit vom heimischen Schreibtisch erschwert werde. "Man hätte sich im ersten Lockdown darauf vorbereiten können, weil Homeoffice einen anderen Stellenwert bekommen hat", sagte er.

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Verdi: Unterschiede in den Ämtern

Mendroch geht zwar davon aus, dass es sich bei den beschriebenen Zuständen im Bürgeramt Wedding um einen Einzelfall handelt, er sagte rbb|24 aber auch: "Wir haben noch nicht den gesamten Überblick über alle zwölf Bezirksämter." Sowohl Hygiene-Maßnahmen als auch Besuchszeiten und Regelungen zum Homeoffice würden in den einzelnen Ämtern sehr unterschiedlich gehandhabt. Mendroch kritisierte, dass es keine landesweiten Standards in Berlin gebe, die in allen Ämtern gelten. "Es gibt unter den Bürgermeister*innen keinen Konsens über ein einheitliches Vorgehen", so der Gewerkschafter.

Verdi ist nach eigenen Angaben im Regelfall auf Meldungen der Personalräte angewiesen, sollten Missstände beobachtet werden. Die zuständige Personalrätin für Mitte wollte sich auf rbb|24-Anfrage nicht zu dem Thema äußern. Der obengenannten anonymen Quelle zufolge hat sich allerdings bisher niemand aus der Weddinger Belegschaft an den Personalrat gewandt.

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Bezirksamt will Zustände prüfen

Vom Bezirksamt Mitte hieß es auf Anfrage von rbb|24, man werde "die konkreten Beanstandungen überprüfen". Zu den Vorwürfen oder der Situation im Bürgeramt Wedding wurden weder von Seiten des Bezirks noch von Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) Angaben gemacht. Pressesprecherin Laura Sander erklärte: "Das Amt für Bürgerdienste in Mitte hat Regelungen zum Dienstbetrieb unter Pandemie-Bedingungen. Der Schutz der Mitarbeitenden und Kund*innen ist äußerst wichtig." Wer könne, Risikopatientin oder -patient sei und parallel Kinder zu betreuen habe, solle im Homeoffice arbeiten. Sei eine Doppelbelegung von Büroräumen unvermeidbar, würden Atemschutzmasken zur Verfügung gestellt werden.

Auch die bestehenden Hygiene- und Schutzmaßnahmen hätten Bestand, zudem gebe es Plexiglasscheiben und Einlasskontrollen. Weiter heißt es vom Bezirk: "Zur Einhaltung der Hygiene- und Schutzmaßnahmen sowie Abstandsflächen auch in den Wartebereichen werden für die Standorte die Anzahl der zusätzlichen Terminschleifen begrenzt. In Abhängigkeit der tatsächlichen Personalsituation können Abweichungen eintreten." Man beschränke sich auf Kerndienstleistungen wie Meldeangelegenheiten, Pässe und Personaldokumente. Die Abholung von Dokumenten müsse zuvor telefonisch vereinbart werden.

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Wo es besser läuft

In einem anderen Berliner Amt werden die beschriebenen Maßnahmen strikt umgesetzt. Eine Mitarbeiterin des Jugendamtes Neukölln, die nicht namentlich genannt werden möchte, erklärte auf rbb|24-Anfrage, dass spätestens seit September für ausreichend Schutz gesorgt wurde. So hätte die Belegschaft Einmalmasken und FFP2-Masken sowie Schutzscheiben und Desinfektionsmittel erhalten. "Am Anfang der Pandemie sah es anders aus", sagte sie. Da habe man mit einem Masken-Engpass zu kämpfen gehabt, weshalb Mitarbeitende sich für Hausbesuche privat hätten ausstatten müssen.

Inzwischen erhalten die Jugendamtsmitarbeitenden täglichen Erinnerungs-Pushs an ihren Arbeitsplätzen, die zu Abstand, Händewaschen, Lüften und der Benutzung der Corona-Warn-App mahnen. "Wir haben genaue Arbeitsanweisungen, was das pandemiebedingte Arbeiten angeht", erklärte die Angestellte. Bis auf Termine zum Kinderschutz würde alles telefonisch stattfinden. Zudem seien die Arbeitsräume genau ausgemessen worden, um zu schauen, wieviele Personen sich unter Einhaltung der Abstandsregeln dort aufhalten dürfen. "Die Leute dürfen auch nicht mehr zu uns ins Gebäude, sondern werden persönlich von uns abgeholt", erklärt sie weiter.

Dennoch beklagt auch sie, dass mobiles Arbeiten im Jugendamt derzeit nur eingeschränkt möglich sei. "In unserem Team sind vier bis fünf Personen im Homeoffice, für die es nur einen Laptop gibt", so die Mitarbeiterin. In den Büros säßen dafür höchstens zwei Personen.

Keine Endgeräte, kein Homeoffice

Am Freitag riefen die Senatsverwaltungen für Wirtschaft und Arbeit Unternehmen und Beschäftigte erneut dazu auf, "Anstrengungen zur Ausweitung von Homeoffice und zur Arbeitsplatzsicherheit" weiter zu intensivieren. Ziel sei es, die Anwesenheitsquote, wenn möglich, gegenüber der im normalen Betrieb üblichen Anwesenheit weiter spürbar zu reduzieren. "Dazu soll Homeoffice immer dort zur Regel werden, wo dies auf Grund der Art der Tätigkeit möglich ist", heißt es in einer Mitteilung. Dies gelte insbesondere für Büroarbeit. Arbeiten im Großraumbüro soll vermieden und die Hygiene- und Schutzmaßnahmen verstärkt werden.

Zuletzt hatte das Land Berlin 5.000 weitere Notebooks in Aussicht gestellt, die ab 15. Januar den Mitarbeitenden der Bezirksverwaltungen zur Verfügung gestellt werden sollen. Damit stünden den 23.800 Angestellten insgesamt 7.600 mobile Geräte für eine Arbeit zu Hause zur Verfügung. Damit wären rund 32 Prozent der Berliner Verwaltung Homeoffice-fähig, zuvor waren es 12 Prozent. Weitere Endgeräte sollen in den kommenden Monaten ausgeliefert werden, teilte die Senatsinnenverwaltung mit.

Beitrag von Stefan Ruwoldt und Lisa Schwesig

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