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Quelle: Christophe Gateau/dpa

Meinung | Kommunikation im Lockdown

Politiker verspielen den Rückhalt der Bevölkerung

In der Corona-Krise versprechen Politiker aktuell vieles, das sie nicht halten können. Damit verspielen sie Akzeptanz und Interesse der Bevölkerung. Das ist gefährlich. Von Rebecca Barth

Ein Sonntagabend im Februar. Der Freund und ich sind bei einem befreundeten Pärchen eingeladen. Es gibt Burger und Wein und endlich wieder soziale Kontakte.

"Alles regelkonform", sagt die Gastgeberin stolz. Ich schüttele den Kopf.
"Aber wir sind doch ein Haushalt, und ihr auch", sagt sie.
"Genau, ein Haushalt plus eins", sage ich.

Verwirrung am Tisch.

"Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn", stellt meine Freundin fest und rollt die Augen.

Kommentar

Meinung | Versprechen in der Coronakrise

Mehr Demut wagen

Akzeptanz für die Corona-Maßnahmen schwindet

Ihre Genervtheit kann ich gut verstehen, denn die politische Kommunikation in der Krise ist an vielen Stellen mangelhaft, verwirrend, zermürbend und damit kontraproduktiv.

Sie vergrault derzeit auch diejenigen, die die Maßnahmen bisher gutgeheißen haben, die sich seit einem Jahr zurücknehmen und einschränken. Eine aktuelle Umfrage im Auftrag der dpa zeigt, dass die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen schwindet.

Mit schwindender Akzeptanz steigt das Desinteresse. Und das ist gefährlich, denn die ansteckenderen Corona-Mutanten gewinnen immer mehr an Boden. Gerade jetzt ist es wichtig, gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

Aber wie soll das gehen, wenn das nicht einmal die Regierenden in Bund und Ländern schaffen? Wenn Brandenburg lockert und Berlin nicht. Wenn eine Inzidenz von 35 angestrebt wird, Forscher und Ärzte aber darauf hinweisen, dass dieser Wert utopisch ist. Wenn Politiker große Versprechungen machen, die sie nicht halten können?

Und das in Dauerschleife. Seit Monaten.

Kommunikationspannen stiften Verwirrung

Auf Bundesebene ist das jüngste Beispiel für so eine große Ankündigung, von der am Ende nichts als heiße Luft bleibt, Gesundheitsminister Jens Spahn und seine Schnelltests, die dann doch nicht so schnell kommen, wie versprochen.

In Berlin ist es Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci. Ende Januar tönte sie, das Unternehmen Berlin-Chemie sei bereit, Impfstoff zu produzieren. Wow! Ein großer Knall. Das genannte Unternehmen fand sich durch Kalayci in der unangenehmen Situation wieder, öffentlich verkünden zu müssen, dass es leider keinen Impfstoff herstellen könne.

Am Montag dann kündigte Kalayci im Radioeins-Interview an, von nun an könnten auch Polizisten und chronisch Kranke geimpft werden. Die chronisch Kranken "können sich schon jetzt per Attest an Impfzentren wenden", sagte die Senatorin.

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Es passierte, was passieren musste: Betroffene versuchten, ein solches Attest bei ihren Hausärzten zu ergattern. Leider hatte die vorab niemand informiert. Details waren offenbar nicht geklärt worden.

Am Dienstag dann waren die Worte der Senatorin vom Montag Makulatur: Chronisch Kranke brauchen jetzt doch kein Attest mehr.

Wie viel sind Informationen wert, die am nächsten Tag schon wieder irrelevant sind?

Dabei hätte es Kalayci niemand übelgenommen, mit der großen Ankündigung zwei Tage zu warten, aber dafür Details zu präsentieren, mit denen Betroffene etwas anfangen können, anstatt sie in die Lage zu versetzen, Stunden mit Eigenrecherche zu verbringen.

Es fehlt an verlässlichen Perspektiven

Am Ende bleibt das Gefühl, sich auf Politiker nicht verlassen zu können. Das ist das Schlimmste, weil es Gleichgültigkeit provoziert. Ich kann Personen schlichtweg nicht ernst nehmen, deren Worte von heute bereits morgen nicht mehr gültig sind. Also höre ich erst gar nicht mehr zu. Mitten in einer Pandemie ist das nicht die beste Entwicklung.

Verschuldet haben sie Politiker, die erst reden und dann handeln. Nach einem Jahr Corona sind die meisten Menschen müde, besonders die dunklen Wintermonate zehren an den Nerven. Verlässliche Perspektiven sind heute wichtiger denn je.

Zugegeben, das mit der Verlässlichkeit ist schwer bei einem neuartigen Virus, das auch noch mutiert, wenn man es gar nicht braucht. Trotzdem kann jeder Bürger verlangen, dass zuerst organisiert und dann angekündigt wird. Nicht umgekehrt.

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Verunsicherung, Zweifel und viel Frust

Aber Berlin hat doch jetzt eine Öffnungsstrategie, könnte man da einwerfen. Langfristig angelegt, geknüpft an verschiedene Inzidenzen. Genau das, was viele Menschen seit langem fordern.

Doch auch diese Strategie ist nur ein weiteres Beispiel für zermürbende Kommunikation. Sie kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Infektionszahlen wieder steigen und die dem Plan zugrundeliegenden Inzidenzen in weite Ferne rücken.

Was bleibt also? Hoffnung etwa? Perspektiven?

Im Gegenteil: Verunsicherung, Zweifel und viel Frust. Eben nichts, das den Menschen das Gefühl geben würde, da sei ein Plan vorhanden, mit dem man sich noch ernsthaft befassen sollte. Den man gar befolgen müsse.

Da wünsche ich mir ein paar mehr Merkels auf Entscheiderposten. Denn egal, wie man die Entscheidungen der Kanzlerin finden mag, sie ist wenigstens ruhig, bis sie was zu sagen hat. Und darauf kann man sich dann auch verlassen.

Die Kommentarfunktion wurde am 25.02.2021 um 18:02 Uhr geschlossen

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Beitrag von Rebecca Barth

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