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Quelle: dpa/Frank Hoermann

Impfquoten-Monitoring

RKI-Studie zu Impfbereitschaft weist Sprachbarriere als Hauptproblem aus

Eine Studie des Robert-Koch-Instituts sollte untersuchen, inwiefern sich die Impfquoten bei Menschen mit und ohne Migrationshintergrund unterscheiden. Es gibt kleine Unterschiede, interessanter ist jedoch, worin sich diese begründen.

Bessere Impfangebote für Menschen mit Migrationshintergrund könnten der Impfkampagne in Deutschland noch einmal einen Schub geben. Das legt eine am Donnerstag vorgestellte Studie des Robert-Koch-Instituts nahe [rki.de].

Die Impfquote bei Menschen mit Migrationshintergrund sei unter den Befragten geringer als bei der Vergleichsgruppe mit Personen ohne Migrationshintergrund, heißt es in der Studie. Gleichzeitig sei aber die durchschnittliche Impfbereitschaft bei den Menschen mit Migrationshintergrund "signifikant höher". Als Hauptproblem vermuten die Wissenschaftler sprachliche Barrieren.

Nur 750 Impfungen im Januar

Berlin will trotz geringer Nachfrage weiter in Kiezen impfen

Migrationsgeschichte ist weniger entscheidend als die Sprachbarriere

Der Untersuchung zufolge seien rund 84 Prozent der befragten Menschen mit Migrationshintergrund geimpft. Bei der Vergleichsgruppe mit Menschen ohne Migrationshintergrund gaben 92 Prozent an, bereits gegen Corona geimpft zu sein. Für die Studie hatte das RKI zwei Fokusgruppen aus jeweils 1.000 zufällig ausgewählten Personen gebildet - die einen mit, die anderen ohne Migrationshintergrund. Die Impfquoten beider Gruppen lagen damit jeweils über dem aktuellen Wert der Gesamtbevölkerung.

Zielführender als der reine Vergleich zwischen diesen beiden Personengruppen aufgrund ihres Migrationshintergrunds dürfte die Betrachtung spezieller Faktoren sein. Elisa Wulkotte aus dem Forschungsteam des RKI erklärte in einer Video-Konferenz zur Präsentation der Ergebnisse, auf was sich Unterschiede in der Impfquote vor allem zurückführen lassen: "Bildung und Einkommen, das Alter, Diskriminierungserfahrung im Gesundheitsbereich, sowie und ganz wesentlich: Die Sprache."

In der Tat sind die statistischen Unterschiede nach Sprachniveau aufgeschlüsselt am gravierendsten: Menschen, die gut bis muttersprachlich Deutsch sprechen, gaben an, zu 92 Prozent geimpft zu sein, bei mittelmäßigen Deutschkenntnissen sank die Quote auf 83 Prozent. Unter den Personen, die sich selbst schlechte Deutschkenntnisse attestierten, waren nur noch 75 Prozent geimpft.

Zweite Studie des RKI zu dieser These

Die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte vor rund einem Monat für Diskussionen gesorgt, als sie mit einem Statement nahelegte, dass Menschen mit Migrationshintergrund eine geringere Impfwilligkeit haben könnten, als Menschen ohne Migrationshintergrund. Die Inanspruchnahme des Impfens sei eine "integrationspolitische Frage", sagte sie damals.

Auch der Berliner Virologe Christian Drosten hatte in seinem bekannten NDR-Podcast "Coronavirus Update" gesagt, dass es vor allem die "alten informationsfernen Personen" ungeimpft seien, "Leute mit Migrationshintergrund". Begründet wurde das damals unter anderem mit einer ersten Studie des RKI, bei der die 3.000 Teilnehmenden jedoch nur auf Deutsch befragt worden waren. Das war der Grund, dass das RKI jetzt eine neue Studie vorlegte, die differenzierter unterscheidet.

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Dr. Erdal Safak von der Berliner Gesellschaft Türkischer Mediziner begrüßt diese neue Studie. Sie zeige, was er schon öfter beobachtet habe in seinem Berufsalltag. Der Kardiologe ist eigentlich Oberarzt an einem Berliner Vivantes-Klinikum, impft aber auch ehrenamtlich in Neukölln. Er sagt, es sei schwierig, mit schlechten Sprachkenntnissen Zugang zum deutschen Gesundheitssystem zu finden und: "Desto schwieriger ist es für denjenigen dann, sich zu orientieren und eben Impfangebote abzuholen oder sich überhaupt über die Corona-Impfung zu informieren", so Safak in der rbb-Abendschau am Donnerstagabend.

Berlin setzt Impfen in Kiezen fort - aber kommt das an?

Die Studie wies auch aus, dass die Personen mit Migrationshintergrund anfälliger für gewisse Falschinformationen bezüglich des Coronavirus und der Impfung seien. Wissenschaftlerin Elisa Wulkotte forderte deshalb, dass Falschinformationen "wirksam entkräftet werden" sollten und wünschte sich eine zielgerichtete Impfkampagne.

Die Berliner Landesregierung hatte am Donnerstag bekannt gegeben, die Impfangebote in Berliner Kiezen trotz niedriger Nachfrage im Januar fortsetzen zu wollen. Oppositionspolitiker Kai Wegner (CDU) kritisierte die bisherige Umsetzung dieser Angebote, sie hätten "den Anschein einer Show-Veranstaltung", so Wegner. Gleichzeitig betonte er, eine aufsuchende Kampagne in den Kiezen bei Unterstützung migrantischer Communities sei wichtig und sinnvoll. Auch Impfarzt Erdal Safak hält akut Impfangebote vor Ort für die beste Lösung, mittel- und langfristig müsse es darum gehen, Sprachbarrieren abzubauen.

Sendung: Abendschau, 03.02.2022, 19.30 Uhr

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