rbb24
  1. rbb|24
  2. Politik
Audio: Inforadio | 28.02.2022 | Jan Menzel | Quelle: dpa/Matthias Tödt

Finanzielle Folgen der Pandemie

Was Corona Berlin gekostet hat - und noch kosten wird

In zwei Jahren Pandemie hat Berlin so viel Geld ausgegeben wie noch nie in einem solchen Zeitraum. Trotzdem scheint das Land finanziell glimpflich davon gekommen zu sein. Die Schlussrechnung steht aber noch aus. Von Jan Menzel

Bei diesen Zahlen könnte man auf die Idee kommen, dass in der Finanzverwaltung die Sektkorken knallen: "Nur" 151 Millionen Euro stehen als Defizit im vorläufigen Jahresabschluss für 2021. Gemessen an den Befürchtungen der Haushaltspolitiker wirkt das fast wie die sprichwörtlichen Peanuts. Selbst, wenn man das größere Haushaltsdefizit von 1,5 Milliarden aus dem Jahr 2020 dazu nimmt, sieht die Bilanz eigentlich ganz passabel aus. Corona hätte demnach ein paar unschöne Kratzer in der haushaltspolitischen Hochglanzfolie der vergangenen Jahre verursacht, mehr aber auch nicht.

Ein Blick in die Auflistungen der Finanzverwaltung für das Abgeordnetenhaus zeigt jedoch, wie teuer Corona die Stadt tatsächlich zu stehen kommt. Im so genannten "Kameralen Monitoring Covid-19" sind für das vergangene Jahr coronabedingte Ausgaben von 3,9 Milliarden Euro aufgelistet. Geld, das in normalen Zeiten niemals ausgegeben worden wäre. So aber mussten insbesondere die Gesundheits-, die Bildungs- und die Wirtschaftsverwaltung sehr viel tiefer in die Tasche greifen. Spitzenreiter bei den Corona-Ausgaben ist die Verkehrsverwaltung mit 1,2 Milliarden Euro.

Hohe Kosten, aber kaum Passagiere im ÖPNV

Der Öffentliche Personennahverkehr wurde durch Lockdown, Homeoffice, das Runterfahren des öffentlichen Lebens und sicherlich auch die Sorge vieler, sich zu infizieren, hart getroffen. Fahrgäste blieben weg und Einnahmen fielen aus, während die Kosten fürs Personal und den Betrieb von Bussen und Bahnen weiterliefen. Allein für die "Leistungen des innerstädtischen ÖPNV", die von der BVG erbracht werden, mussten 718 Millionen Euro nachgeschossen werden. Die S-Bahn brauchte 415 Millionen Euro zusätzlich und für den Regionalverkehr waren noch einmal 57 Millionen Euro fällig.

Dass im Gesundheitsbereich ebenfalls hohe Ausgaben aufgelaufen sind, kann angesichts einer Pandemie kaum überraschen. Allein der Aufbau und der monatelange Betrieb der über die Stadt verteilten Impfzentren kostete rund 358 Millionen Euro. Für den Betrieb der provisorischen Covid-Klinik auf dem Messegelände mussten 5,1 Millionen Euro entrichtet werden. Der Rückbau dieser glücklicherweise nie genutzten Not-Klinik schlug noch einmal mit 16,8 Millionen Euro zu Buche. Für Schnelltests in den landeseigenen Testzentren wurden gut 110 Millionen Euro ausgegeben.

Schnelltests und Masken für Schulen

Die Bildungsverwaltung hatte die höchsten Ausgaben bei Schnelltests und FFP2-Masken für Kinder und Jugendliche sowie das Personal in Schulen und Kitas. Die Übersicht der Finanzverwaltung zeigt, dass hierfür mindestens 86 Millionen Euro aufgewendet wurden. Um Lernrückstände aufzuholen hatte die damalige Senatorin Sandra Scheeres, SPD, frühzeitig spezielle Angebote wie die "Lernbrücke" und Ferienschulen initiiert. Die Kosten für beides lagen bei 21,4 Millionen Euro. Darüber hinaus sind Lehrer-Laptops für 54,6 Millionen Euro angeschafft worden.

Prüfungen laufen seit Januar

Rückzahlung von Corona-Hilfen löst in Brandenburg Irritationen aus

Seit Januar werden Unternehmen, Selbständige und Freiberufler in Brandenburg überprüft, die Coronahilfen erhalten haben. Unter vielen Betroffenen herrscht Unsicherheit darüber, was genau sie warum und bis wann zurückzahlen müssen. Von Anja Dobrodinsky

Die Pandemie mit ihren höheren Hygiene- und Quarantäneerfordernissen hat sich auch auf den Etat der Sozialverwaltung ausgewirkt. Unterkünfte für Wohnungslose und Asylsuchende konnten nicht vollständig belegt werden. Hier erhielten die Betreiber pro Bewohner höhere Sätze. Zudem mussten Altverträge neu verhandelt werden. Alles in allem kamen 82 Millionen Euro zusammen. Für die Ausstattung von zwei Unterkünften am Columbiadamm und in der Buchholzer Straße wurden 3,7 Millionen Euro gebraucht.

Unterstützung für Branchen und Betriebe

Mit verschiedenen Programmen, aber auch direkten Zuschüssen wurden Branchen und Unternehmen unterstützt. 22,4 Millionen Euro zahlte die Wirtschaftsverwaltung für die Förderung des Berlin-Marketings. Für Neustarthilfen, Soforthilfen unter anderem für Medien- und Kulturschaffende sowie eine Unterstützung bei der Gewerbemiete flossen 141,6 Millionen Euro. Da das Messegeschäft praktisch seit Beginn der Pandemie komplett zum Erliegen gekommen ist, brauchte auch die landeseigene Messegesellschaft eine Kapitalzuführung von 95 Millionen Euro.

Andere Einrichtungen mussten ebenfalls finanziell über Wasser gehalten werden: So bekam der Zoo 16,5 Millionen Euro, der Friedrichstadtpalast wurde mit einer Liquiditätshilfe von 22,6 Millionen Euro bezuschusst und die Stiftung Zentral- und Landesbibliothek erhielt 34 Millionen Euro.

Für das erste Coronajahr 2020 gibt es keine ähnliche detaillierte Auflistung der Corona-Ausgaben wie für 2020. Die Kosten dürften sich aber auf einem ganz ähnlichen Niveau bewegt haben. Finanzsenator Daniel Wesener (B‘90/Die Grünen) taxierte kürzlich im Tagesspiegel die jährlichen Corona-Kosten im Bereich zwischen 3 und 4 Milliarden Euro.

Konjunkturklimaindex der IHK

Stimmung in der regionalen Wirtschaft hat sich "deutlich abgekühlt"

Nach zuletzt hoffnungsvollen Signalen kämpfen die meisten der Unternehmen in der Region jetzt wieder mit massiven Problemen. Das belegt auch der gesunkene Konjunkturklimaindex der IHK Berlin-Brandenburg. Diese fordert politische Antworten. Von Angela Ulrich

Bundeszuschüsse hielten den Haushalt stabil

Dass Berlins Landeshalt trotz dieser unvorhergesehen Ausgabenblöcke nicht ins Wanken geraten ist, hat mehrere Gründe. Allein für verschiedenen Soforthilfeprogramm hat der Bund mehr als fünf Milliarden Euro an das Land gezahlt, die dieses Geld an Selbständige und Unternehmen weiterreichte. Finanzpolitiker sprechen von durchlaufenden Posten, die den Landeshaushalt nicht belasten.

Zusätzlich überwies der Bund allein 2021 mehr als eine Milliarde Euro, um dem Öffentlichen Personennahverkehr und den Krankenhäusern durch die Krise zu helfen. Zum anderen schichteten die Senatsverwaltungen ihre Budgets um: Nicht gebrauchte Euros wurden genutzt, um Corona-Löcher zu stopfen. Und das Land selbst mobilisierte 1,16 Milliarden Euro aus der eigens eingerichteten Corona-Rücklage.

Der Sparstrumpf ist noch gut gefüllt

Dieser Sparstrumpf – mit Krediten befüllt - ist jetzt im dritten Jahr der Pandemie immer noch prall. 5,4 Milliarden Euro wurden nicht abgebucht und liegen in der Reserve. Auch das könnte den Eindruck erwecken, Berlin wäre finanziell mit einem blauen Auge davongekommen. Allerdings ist noch lange nicht alles abgerechnet.

Erst im Frühjahr legen die Landesunternehmen ihre Jahresabschlüsse für 2021 vor. Schon jetzt ist klar, dass der Flughafen, die Messegesellschaft und auch die BVG erneut Hilfen brauchen. Die Haushaltspolitiker im Abgeordnetenhaus rechnen hier mit etwa einer Milliarde Euro, die aus der Corona-Rücklage abfließen wird. Für Beschaffungen und Leistungen etwa in die Impfzentren müssen ebenfalls noch offene Rechnungen beglichen werden. Die Kosten werden nach Schätzungen im hohen dreistelligen Millionenbereich liegen.

Eine ähnliche Größenordnung dürfte auch das vom Senat versprochene Neustart-Programm haben, mit dem besonders hart getroffenen Branchen wieder auf die Beine geholfen werden soll.

Die große Unbekannte ist Corona selbst

Die große Unbekannte in der großen Berliner Corona-Abrechnung ist aber die Pandemie selbst. Wie sich die Infektionszahlen im kommenden Herbst und im nächsten Jahr entwickeln werden und welche Auswirkungen mögliche neue Wellen haben könnten, lässt sich seriös nicht sagen. Finanzsenator Daniel Wesener spricht gerne von der Glaskugel, die niemand habe.

Fast alles spricht aber dafür, dass die Milliarden, die noch in der Corona-Rücklage schlummern, zum allergrößten Teil auch ausgeben werden und nur ein relativ kleiner Teil zurückgezahlt wird. Berlins Schuldenberg wächst damit auf ein Allzeit-Hoch von annähernd 66 Milliarden. Das sind acht Milliarden mehr als noch 2019 - dem Jahr bevor die Pandemie ausbrach.

Sendung: Inforadio, 28.02.2022, 07:45 Uhr

Beitrag von Jan Menzel

Artikel im mobilen Angebot lesen