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Video: rbb24 | 15.02.2023 | Material: rbb24 Abendschau | Quelle: dpa/Flashpic/Jens Krick

Jugendorganisationen zu möglichen Koalitionen

"Wir würden einen kleinen Aufstand anzetteln"

Auf dem Tisch liegen momentan einige Optionen: Schwarz-Rot, Schwarz-Grün oder auch die Fortführung von Rot-Grün-Rot. Was denken die Jüngeren? Ein Besuch bei Grüner Jugend, Jusos und der Jungen Union. Von Leonie Schwarzer

Luna Evans steht auf einer Leiter. Es ist kalt und neblig, sie trägt eine große goldene Brille, ihre Locken hat sie zu einem Knoten zusammengebunden. Mit einer Schere durchtrennt die Sprecherin der Grünen Jugend Kabelbinder, das Wahlplakat rutscht die Laterne hinab. Drei anstrengende Monate liegen hinter ihr, jetzt ist der Wahlkampf vorbei.

"Ich bin schon ziemlich erschöpft", sagt Luna Evans. Neben ihrem Engagement bei der Grünen Jugend, studiert die 21-Jährige Politik und Philosophie und hat zwei Nebenjobs. Sie hat sich vorgenommen, am Wochenende jetzt erstmal nichts zu machen, ganz viel zu schlafen. Trotzdem: Entspannt wird es nicht – jetzt gehe es darum, sich mit anderen darüber auszutauschen, wie es weitergehen kann, weiterhin Druck auszuüben.

Nach der Berlin-Wahl

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Für die Grüne Jugend geht nur Rot-Grün-Rot

Die Grünen schafften es bei der Abgeordnetenhauswahl auf Platz 3, mit gerade einmal rund 100 Stimmen weniger als die SPD. Luna Evans ist zufrieden mit dem Wahlergebnis ihrer Partei, vor allem mit Blick auf die Regierungsbeteiligung der Grünen: "Wir konnten als einzige Partei das Wahlergebnis relativ gut halten". Die Grüne Jugend habe ihre Themen mit einer eigenen Kampagne gut setzen können – die Enteignung großer Wohnungskonzerne, Wahlrecht für alle und ein klimaneutrales Berlin 2030. Besonders stolz ist sie auf das gute Abschneiden bei den Jüngeren: Unter den 18-24-Jährigen waren die Grünen stärkste Kraft. "Ich glaube, dass wir genau die Themen ansprechen, die junge Menschen bewegen", sagt Luna Evans.

Mit dem Ende des Wahlkampfs beginnt das Suchen nach einer neuen Regierung. Und da findet Luna Evans deutliche Worte: "Für uns ist ganz klar, dass Kai Wegner, der lieber rassistische Vornamendebatten führt und ein Antidiskriminierungsgesetz abschaffen will, nicht Regierender Bürgermeister in Berlin sein darf." Rot-Grün-Rot sei die einzige Koalition, die eine bessere Zukunft für Berlin schaffen könne. Nur so ließen sich höhere Löhne, niedrigere Mieten und ein klimagerechtes Berlin auch umsetzen. Und was, wenn doch schwarz-grün kommt? "Dann würden wir definitiv einen kleinen Aufstand in der Partei anzetteln", sagt Luna Evans und lacht.

Quelle: rbb

Auch die Jusos wollen nicht mit der CDU koalieren

Ähnliche Worte finden auch die Jusos. Kari Lenke ist stellvertretende Landesvorsitzende und sitzt mit zwei Juso-Freunden im Kreisbüro der SPD Tempelhof-Schöneberg. Die 24-Jährige studiert Volkswissenschaftslehre an der FU Berlin, trägt schulterlanges braunes Haar und Turnschuhe. Für sie sei ganz klar: Kein Schwarz-Rot. "Eine CDU, die immer rechter wird, die sich rassistischer Narrative bedient, ist für uns keine Partei, mit der wir eine Koalition eingehen wollen." Auch die Jusos sprechen sich für eine Fortführung der rot-grün-roten Koalition aus: Das Bündnis habe nach wie vor eine stabile Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Es gehe bei einer Koalition darum, Gemeinsamkeiten zu finden – und das sehe man bei rot-grün-rot deutlich.

Die drei sitzen vor einem aufgeklappten Laptop, versuchen Antworten zu finden, warum die SPD so schlecht abgeschnitten hat – auch bei den Jüngeren. Gerade mal auf Platz 4 schaffte es die Partei bei den 18 bis 24-Jährigen, noch hinter der CDU. "Es lag an der Kampagne, an den Themen, die gesetzt wurden", glaubt Kari Lenke, "die sprechen ältere Menschen mehr an als Jüngere." Viele junge Menschen würden in der SPD nicht mehr die starke linke Kraft sehen. Und die SPD habe viele ältere Kandidierende, das Image einer älteren Volkspartei. Dabei gebe es auch viele junge Kandidierende – allerdings würden die auf den Listen eher hinten stehen und deshalb bei einem schlechten Wahlergebnis auch als erste aus den Volksvertretungen rausfliegen.

Auch auf Kari Lenke trifft das zu. Mit der Wahl hat sie ihr Mandat als Bezirksverordnete in Tempelhof-Schöneberg verloren. "Ich war sehr traurig, auch ein bisschen wütend, dass es ausgerechnet mich trifft, ausgerechnet junge Menschen trifft", sagt sie. Es sei auch eine harte persönliche Umstellung, sie müsse jetzt auf Stellensuche gehen. Denn: Mit dem Verlust des Mandats entfällt auch die Aufwandsentschädigung, rund 1.000 Euro im Monat.

Kari Lenke will versuchen, trotzdem in der Bezirkspolitik weiter am Ball zu bleiben – die Themen würden sie ja nach wie vor interessieren. Jetzt sei es erstmal wichtig, in der SPD personelle Konsequenzen zu ziehen und die Wahl inhaltlich aufzuarbeiten. "Welche Themen sprechen Menschen an", sagt Kari Lenke, "insbesondere auch junge Menschen, die nach wie vor linke Mehrheiten wollen."

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Junge Union ist für alle möglichen Koalitionen offen

Bei der Jungen Union herrscht eine ganz andere Stimmung. Salahdin Koban ist Landesgeschäftsführer, er arbeitet in einem Unternehmen, trägt eine kantige Brille und ein Hemd unter seinem Pullover. Er hat einen türkisfarbenen Jutebeutel dabei, denn er hat noch die letzten Wahlkampfartikel bei einem Freund abgeholt – Kulis, Coffee-to-go-Becher mit CDU-Logo. "Wir sind glücklich über das Ergebnis", sagt Salahdin Koban, "aber man muss es auch mit Demut aufnehmen." Die CDU ist klarer Wahlsieger, holte rund zehn Prozentpunkte mehr als bei der Wahl vor anderthalb Jahren.

Bei den jüngsten Wählerinnen und Wählern schaffte es die CDU nur auf Platz drei, konnte aber insgesamt in allen Altersgruppen dazugewinnen. Salahdin Koban glaubt, dass durch die Kampagne junge Menschen erreicht werden konnten. Auf einem Wahlplakat war zu lesen: "Was Kriminelle bald häufiger hören: Haftbefehl" – eine Anspielung auf den bekannten Rapper. "Ich glaube, das kam sehr gut an", sagt Salahdin Koban. Fünf Kandidaten aus der Jungen Union hätten es bei dieser Wahl ins Abgeordnetenhaus geschafft, könnten dort jetzt die Interessen der Jugendlichen vertreten.

Was mögliche Koalitionen angeht, ist die Junge Union offen. "Es werden jetzt Sondierungsgespräche stattfinden. Mit der Sozialdemokratie und mit den Grünen. Ich glaube, wir sollten einfach mal abwarten", sagt Salahdin Koban, "wichtig ist, dass wir eine stabile Regierung für Berlin am Ende haben." Bedeutet: Kai Wegner als Regierender Bürgermeister. Rot-Grün-Rot hält er für keine gute Idee: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Koalition der Verlierer jetzt Berlin regieren sollte oder wird."

Druck ausüben können die Jüngeren, entscheiden nicht

Druck ausüben können die Jüngeren, das hat schon die #noGroKo-Kampagne der Jusos auf Bundesebene bewiesen. Entscheiden können sie allerdings nicht – das werden vor allem die Älteren. Am Freitag beginnen die ersten Sondierungsgespräche, eingeladen hat als Wahlsieger erst einmal die CDU.

Sendung: rbb24 Abendschau, 15.02.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Leonie Schwarzer

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