rbb24
  1. rbb|24
  2. Sport

Leider gibt es ein Problem beim Abspielen des Videos.

Audio: rbb24 Inforadio Spreepolitik | 27.05.2023 | Sebastian Schöbel | Quelle: Schoening

Stadionpläne in der zweiten Liga?

Berliner Politik stellt sich auf Herthas Abstieg ein

Der Abstieg in die zweite Liga und der drohende Lizenzentzug könnten für Hertha BSC auch sportpolitische Folgen haben: Der Traum vom eigenen Stadion ist ohne Fürsprache der Politik erst einmal geplatzt. Von Sebastian Schöbel

Dass sich auch Sportpolitiker:innen bisweilen zum Fußballcoach berufen fühlen, kann man in diesen Tagen im Berliner Abgeordnetenhaus erleben. Fragt man zum Beispiel Karsten Woldeit, den sportpolitischen Sprecher der AfD-Fraktion nach der "Alten Dame", bekommt man erstmal eine detaillierte Analyse zu verfehlter Kaderplanung und verschenkten Talenten präsentiert.

Woldeit denkt wehmütig an die Zeit unter Felix Magath zurück und spekuliert, dass an Sandro Schwarz "zu lange" festgehalten worden sei. "Der Erfolg einer Bundesligamannschaft steht im Mix aus Routiniers und wilden, hungrigen Nachwuchsspielern", sinniert Woldeit. "Das kam unter Schwarz gar nicht." Den neuen Hertha-Präsident Kay Bernstein finde er zwar "super sympathisch", aber er bezweifle, "ob ein Vorsinger aus der Ostkurve so ein Unternehmen führen kann", sagt Woldeit. Wenn jetzt auch noch die Lizenz für die Bundesliga verlorengeht, könne das "das Ende von Hertha BSC" sein.

Kein Steuergeld für Misswirtschaft im Verein: Der AfD-Sportpolitiker Karsten Woldeit. | Quelle: dpa

Ohne Lizenz eher das Level Lichtenberg 47

Dass das Land Berlin helfend einspringt, etwa mit Bankbürgschaften, lehnt Woldeit dennoch ab, wie er betont. Spanien habe mit dem FC Barcelona vorgemacht, wo das enden könne, so der AfD-Sportpolitiker: "Geld vom Steuerzahler für eine Misswirtschaft im Verein, das ist nicht der richtige Weg." Der milliardenschwere Weltklub aus Katalonien wurde von der Regierung immer wieder unterstützt und mit Nachsicht behandelt - und schrammt trotzdem seit Jahren am Rand der Pleite entlang. Ohne mittelfristige Aussicht, es wieder aus diesen Schulden herauszuschaffen.

Die Miete für das Olympiastadion könne das Land Berlin durchaus reduzieren oder stunden, sagt der Sportpolitiker Woldeit. Auch Beratungen bei anstehenden Verhandlungen um die Lizenz sei möglich - mehr aber nicht. Geht die Spielberechtigung für die zweite Liga verloren und Hertha rutscht in die Regionalliga ab, so Woldeit, sei auch Herthas Zeit im Olympiastadion vorbei. "Ich bin regelmäßig bei Lichtenberg 47", erzählt er, im Hans-Zoschke-Stadion mit knapp 10.000 Plätzen. "Das ist die Größe für die Regionalliga." Ein Duell dieser beiden Berliner Mannschaften möge er sich aber gar nicht vorstellen, sagt Woldeit.

CDU: Lizenzentzug wäre "Katastrophe für die Sportstadt Berlin"

Spricht man Stephan Standfuß von der CDU auf Hertha BSC an, wirkt er erstmal so, als sei er gerade erst aus dem Heimspiel gegen den VfL Bochum getaumelt. "Ich war im Stadion, hab’s miterlebt", sagt Standfuß, einer der lautesten Hertha-Unterstützer in der Berliner Politik. "Letzte Minute, das Tor, das den Abstieg besiegelt hat. Ganz bitterer Moment."

Ähnlich wie Woldeit will auch Standfuß von Herthas Plänen für einen Stadionneubau im Olympiapark im Moment nichts hören. Der Wiederaufstieg in die erste Liga, die finanzielle Stabilität des Vereins und vor allem die Lizenz für die Bundesliga habe jetzt Priorität. "Ich halte es für schwierig, dass wir einen Viertligisten ins Olympiastadion schicken", sagt Standfuß mit Blick auf den drohenden Lizenzverlust.

In diesem Fall müsse man über einen Umzug nachdenken, trotz des eigentlich bis 2025 laufenden Mietvertrages "Nebenan gibt es das Mommsenstadion", so Standfuß – und muss bei dem Gedanken selber lachen. Gemeint ist die Spielstätte von Tennis Borussia neben der Messe, mit 15.000 Plätzen. Ausmalen will sich Standfuß dieses Szenario aber nicht, wie er sagt: "Das ist eine Katastrophe für die Sportstadt Berlin."

"Das passt alles nicht zusammen": Dennis Buchner, sportpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. | Quelle: dpa

Sportsenatorin: Stadionfrage zunächst "unabhängig von der Ligazugehörigkeit"

Die Sportsenatorin Iris Spranger von der SPD will das Lindeneck im Olympiapark als Bauplatz für ein neues Hertha-Stadion vorantreiben. Und auf rbb-Nachfrage bleibt sie auch nach Herthas Abstieg bei diesem Ziel: "Die grundsätzliche Frage, ob und wie ein reines Fußball-Stadion im Olympiapark gebaut werden könnte, ist zunächst einmal unabhängig von der Ligazugehörigkeit von Hertha BSC und dem Erwerb der Lizenz für die kommende Saison zu betrachten", teilt ihre Pressestelle mit. Die einberufene Expertenkommission, die den Neubau prüfen soll, arbeite weiter.

Allerdings räumt die Innenverwaltung bereits ein: Zum Prüfauftrag für ein mögliches Hertha-Stadion gehörten "naturgemäß auch wirtschaftliche Betrachtungen, darunter die finanziellen Auswirkungen auf das Land Berlin". Gemeint ist die Befürchtung der Stadionkritiker, dass Hertha bei anhaltend leeren Kassen seine neue Spielstätte nicht bezahlen kann und Berlin auf der Rechnung sitzen bleibt.

Sprangers SPD aber steht Herthas Stadionplänen deutlich skeptischer gegenüber, die Grünen lehnen die Arena sogar ab. In diesen Tagen halten sich die Sportpolitiker:innen beider Parteien aber bedeckt. Fraglich sei, ob der Verein überhaupt noch die Mittel hat, einen Stadionneubau zu finanzieren, sagt der sportpolitische Sprecher der SPD, Dennis Buchner. "Fakt ist, Hertha BSC hat 75 Prozent der Anteile verkauft. Für einen Stadionneubau müsste weiteres Geld in Höhe von 200, 300 Millionen aufgenommen werden. Das passt alles nicht zusammen", erklärt Buchner.

Chronik des Hertha-Abstiegs

Denn sie wussten (nicht), was sie tun

Nun ist es offiziell: Hertha BSC ist aus der Bundesliga abgestiegen. Die Berliner haben abermals eine rekordverdächtig chaotische Saison hinter sich. Dabei spielten Faktoren auf und neben dem Platz eine Rolle. Die Chronik des Absturzes. Von Marc Schwitzky

Linke: Stadionneubau im Lindeneck "nie machbar" gewesen

Klara Schedlich, Sportexpertin der Grünen, will zunächst das Ergebnis der Expertenkommission zum neuen Stadion abwarten, wie sie sagt. "Vereine werden immer auf- oder absteigen. Es wäre ein Vorgreifen der Debatte, wenn wir noch gar nicht wissen, wie es mit dem Verein weitergeht", so die sportpolitische Sprecherin ihrer Fraktion.

Deutlich wird hingegen der Linken-Sportpolitiker Damiano Valgolio. Der Stadionneubau im Lindeneck sei nie machbar gewesen, die Expertenkommission "hätte man gar nicht gründen dürfen, so wie man den ein oder anderen Investor bei Hertha nicht hätte reinlassen sollen", sagt der Oppositionspolitiker. Valgolio plädiert dafür, mit Herthas Fans zu besprechen, wie man "realistisch zu einem bezahlbaren Stadion" kommt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 27.05.2023, 20 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

Artikel im mobilen Angebot lesen