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Video: Abendschau | 31.10.2019 | Siegmund, Jöhrens | Quelle: M. Sohn

Berliner Verwaltungsgericht

Biobauern scheitern mit Klimaklage gegen Bundesregierung

Das Berliner Verwaltungsgericht hat eine Klimaklage von Öko-Landwirten gegen die Bundesregierung zurückgewiesen. Die Kläger wollten gemeinsam mit Greenpeace die Regierung zu einem besseren Klimaschutz zwingen. Das Gericht lässt aber eine Berufung zu.

Das Berliner Verwaltungsgericht hat am Donnerstag die Klage gegen die Bundesregierung auf Einhaltung des Klimaziels 2020 abgewiesen. Zur Begründung hieß es, die Klage sei mangels Klagebefugnissen unzulässig. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das Verwaltungsgericht die Berufung gegen das Urteil zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen.

Geklagt hatten drei Biobauernfamilien aus Brandenburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen gemeinsam mit der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Der Brandenburger Kläger ist der Biobauer Heiner Lütke Schwienhorst aus Ogrosen bei Vetschau (Oberspreewald-Lausitz). Sie warfen der Bundesregierung vor, ihre Verpflichtungen zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen nicht einzuhalten. Sie wollten erreichen, dass der CO2-Ausstoß in Deutschland bis kommendes Jahr um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt wird. Nach derzeitigem Stand werden die Emissionen aber nur um 32 Prozent sinken.

Kläger: Bundesregierung unternimmt nicht genug für Klimaschutz

Durch die Folgen des Klimawandels, etwa Starkregen oder anhaltende Dürre, sehen die Bauernfamilien ihre Existenzgrundlage bedroht. Die Bundesregierung sei dafür verantwortlich zu machen, weil sie es unterlassen habe, wirksame Mechanismen für den Klimaschutz umzusetzen, hieß es in der Klageschrift. Die Kläger wollten die Bundesregierung gerichtlich dazu verpflichten, die Klimaschutzziele einzuhalten.

Die Anwälte der Bundesregierung argumentierten dagegen, eine Klage sei nicht zulässig, weil sie gegen die Gewaltenteilung und das Demokratieprinzip verstoße. Die Verpflichtung der Exekutive durch ein Verwaltungsgericht zu einem bestimmten Handeln wäre ein "schwerer Eingriff in die politische Willensbildung der Bundesregierung".

Gericht: Klimaschutzziel ist Absichtserklärung

Das Gericht schloss sich mit dem Urteil der Auffassung der Bundesregierung an. Der Beschluss der Bundesregierung zum Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 sei eine politische Absichtserklärung, enthalte aber keine rechtsverbindliche Regelung mit Außenwirkung, auf die sich die Kläger berufen könnten, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. Auch hätten die Kläger nicht ausreichend dargelegt, dass die Maßnahmen der Bundesregierung zum Klimaschutz völlig ungeeignet und unzulänglich gewesen seien.

Zudem habe die Bundesregierung ihre Klimaziele für 2020 durch den im Oktober verabschiedeten Regierungsentwurfs zum Bundes-Klimaschutzgesetz auf das Jahr 2023 verschoben - aus Sicht des Gerichtes eine "zulässige Zielabweichung".

Eingereicht wurde die Klage gegen die Bundesregierung bereits im Oktober 2018. Erst im Juni 2019 habe die Bundesregierung eine Klage-Erwiderung vorgelegt, sagte Greenpeace-Anwalt Severin Pabsch. Der Streitwert des Verfahrens liegt ihm zufolge bei rund 80.000 Euro. 

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Anwältin der Kläger spricht von Teilerfolg

Die Klägeranwältin Roda Verheyen feierte das Urteil als Teilerfolg. Mit der Zulassung zur Berufung "sei die Geschichte noch nicht zu Ende", sagte Verheyen. Das zeige, Klimaschutz sei justiziabel.

In der Verhandlung haben die Biobauern-Familien beschrieben, warum sie wegen der Erderhitzung um ihre Existenz fürchten. Sie schilderten Ernteausfälle wegen Trockenheit und Extremwetter und berichteten von Schädlingen, die in Deutschland normalerweise eigentlich gar nicht vorkommen sollten. "Ich bitte Sie, der Regierung beizubringen, dass wir einen anderen Weg einschlagen müssen", sagte einer der Kläger. "Wir brauchen Hilfe."

Die drei Klägerfamilien wurden zu Prozessbeginn im voll besetzten Gerichtssaal von Unterstützern mit Applaus begrüßt. Vor dem Gerichtsgebäude forderten außerdem rund 100 Demonstranten mit drei Traktoren friedlich mehr Engagement im Kampf gegen die Erderhitzung. 

Kläger sehen Grundrechte verletzt

Die Ökolandwirte klagten wegen einer Verletzung ihrer Grundrechte, erläuterte Pabsch. Der Staat habe Schutzpflichten für das Eigentum seiner Bürger. Doch die Folgen des Klimawandels bedrohten die landwirtschaftliche Existenz der klagenden Bauern - durch Extremwetterereignisse wie Starkregen oder anhaltende Dürre sowie latent durch den steigenden Meeresspiegel. Einkommenseinbußen in ihrer explizit nachhaltigen Landwirtschaft seien kausal auf den Klimawandel zurückzuführen.

"Wir haben genau jetzt die Nase voll", sagte Silke Backsen, Bäuerin auf der schleswig-holsteinischen Nordseeinsel Pellworm. "Politiker haben die großen Stellschrauben in der Hand - nicht wir." Ihre Insel liege zum Teil schon jetzt unterhalb des Meeresspiegels. Bei Starkregen laufe sie voll "wie eine Badewanne", so Backsen.

Wenn dann noch eine Sturmflut dazukomme, könne das Wasser nicht einmal durch die Siele ablaufen. Doch es habe auch schon Dürreperioden gegeben, in denen das Futter für die Rinder und die Schafe fehlte.

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