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Video: rbb24 Abendschau | 05.08.2022 | I. Völlnagel | Quelle: dpa/B. Nolte

Stichtag 31. Oktober

Wie die Neuberechnung der Grundsteuer die Digitalisierung beschleunigen soll - und Nerven kostet

Grundstücksbesitzer werden derzeit zum Formular gebeten. Im Steuerportal Elster müssen sie eine Erklärung abgeben, mit der die Grundsteuer neu berechnet wird. Hunderttausende trifft das in Berlin - nicht jeder kommt mit dem System zurecht. Von Iris Völlnagel

Jürgen Fischer ist verärgert. Als der Rentner vor Jahren sein Haus in Berlin baute, begann er, alle Unterlagen immer fein säuberlich in einem Ordner abzuheften. In früheren Jahren hat ihm die Ordnung immer geholfen, seine Steuererklärungen zu machen, wie er sagt: Ein Handgriff und er hatte alles parat. Nun soll er die Grundsteuererklärung über das Onlineportal Elster abgeben. Mehrfach habe er es schon versucht, ohne Erfolg. Er sei einfach nicht durch gekommen. "Es rödelt und rödelt. Da habe ich mich ganz schnell wieder abgemeldet", sagt Fischer. Das Portal scheint überlastet zu sein.

Verfassungsgericht erklärte bisherige Regelungen für verfassungswidrig

Seit dem 1. Juli 2022 ist das Steuerportal Elster für die Grundsteuermeldung freigeschaltet. Wer am Stichtag 1. Januar 2022 Eigentümerin oder Eigentümer von Grundbesitz war, muss die Erklärung abgeben. Aufgrund der Angaben soll die Grundsteuer bis Ende 2024 neu berechnet werden. Die bisherigen Regelungen und Berechnungen waren 2018 vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt worden.

In Berlin betrifft die Entscheidung rund 840.000 Steuerpflichtige, die nun Details zu ihrem Grund und Boden an das Finanzamt übermitteln müssen. Die Probleme bei der Erfassung sind schnell bekannt geworden. Ja, es habe Anfang Juli Server-Probleme gegeben, gibt der zuständige Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) zu: "Die bayerischen Kollegen, die das System für alle Bundesländer betreuen, hatten offenbar die Vielzahl der Zugriffe unterschätzt. Da mussten zusätzliche Server-Kapazitäten bereitgestellt werden."

Seitdem sei es nicht mehr zu größeren Ausfällen gekommen, so der Finanzsenator. Nun könne es auch an den häuslichen WLAN-Kapazitäten liegen. Derzeit kämen jeden Tag rund 1.500 Meldungen an, so der Grünen-Politiker. "Noch nicht die Geschwindigkeit, die wir brauchen." Doch dass mehr als 95 Prozent der Erklärungen elektronisch eingereicht würden, sei ein Erfolg, so Wesener.

Neuerfassung bringt Digitalisierung mit sich

Seit 27 Jahren zahlt Jürgen Fischer Grundsteuer, jedes Quartal rund 60 Euro. Er verstehe nicht, warum er jetzt Angaben wie Grundstücksgröße, Art der Bebauung oder Flurstücknummer, die den Finanzbehörden schon lange vorliegen, online eingeben muss. "Am meisten ärgert mich, dass man das dem Bürger einfach überstülpt. Die Daten liegen doch den Finanzämtern bereits vor", sagt der Rentner.

Das sieht Finanzsenator Wesener anders: Es seien nur acht Merkmale, die die Steuerpflichtigen angeben müssten. Die habe man schnell zusammen, wenn man als Eigentümer einen Kaufvertrag oder ein Grundbuch habe. "Wir wollen die Grundsteuerreform nutzen, um in puncto Digitalisierung von Steuerverwaltung voranzukommen." Deshalb sollen die Erklärungen auch über das Onlineportal Elster gemacht werden. "Die Grundbücher sind nicht digitalisiert. Deshalb müssen wir hier die Bürger um Mithilfe bitten."

Energieeffiziente Sanierungen

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Keine Briefe mehr vom Amt

Dass er die Grundsteuererklärung nun abgeben müsse, habe er über die Medien und von seinen Nachbarn erfahren, sagt Jürgen Fischer. "Ich war entsetzt als ich mitgekriegt habe, dass die Berliner Behörden es nicht für nötig halten, ihre Bürger zu informieren. Die Grundsteuererklärung ist nichts, was man mal in drei Minuten ausfüllt".

"Wir haben lange diskutiert, ob man alle Steuerpflichtigen anschreiben muss", sagt Finanzsenator Wesener. In Flächenländern wie Brandenburg hätten die Finanzbehörden das machen müssen, um den Betroffenen die Grundsteuernummer mitzuteilen. In Berlin seien die Nummern den Finanzbehörden wie Steuerpflichtigen bereits bekannt. Ein klassisches analoges Anschreiben sei also nicht nötig gewesen, zumal die Versendung rund eine Million Euro gekostet hätte. "Die Finanzverwaltung sollte auch mal auf die Kosten gucken", betont Wesener. Stattdessen habe man sich dann entschieden, 1.000 Hausverwaltungen anzuschreiben. Die seien für rund eine halbe Million Wohnungseigentümer die Ansprechpartner.

Höhe der Grundsteuer noch unklar

Jürgen Fischer will nun die Sommerzeit nutzen, seine Erklärung abzugeben. Dafür hat er bis zum 31. Oktober 2022 Zeit. Wer merken sollte, dass er oder sie es nicht rechtzeitig schafft, könne eine Fristverlängerungen beantragen, betont der Finanzsenator. Versäumniszuschläge sollen danach keine erhoben werden. "Spätestens da wird es aber einen Brief geben", sagt Daniel Wesener mit einem Schmunzeln im Gesicht.

Wieviel Grundsteuer Jürgen Fischer künftig zahlen muss, wird er erst Ende 2024 erfahren. Zuvor muss das Berliner Abgeordnetenhaus noch den für Berlin gültigen Hebesatz festlegen. Die neuen Grundsteuersätze sollen ab 2025 gelten. Für Berlin werde sich durch die Reform an der Einnahmesumme von rund 840 Millionen Euro pro Jahr nichts ändern, zeigt sich der Finanzsenator überzeugt. Nur die Verteilung, wer künftig wieviel Grundsteuer zahlen muss, soll gerechter werden. Entscheidend sei dabei in Berlin auch die Lage, so der Finanzsenator.

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.08.2022, 7:10 Uhr

Beitrag von Iris Völlnagel

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