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Audio: rbb24 Inforadio | 07.03.2024 | Johannes Frewel | Quelle: NurPhoto

Neues EU-Gesetz "Digital Markets Act"

Warum Google Maps plötzlich anders ist und Apple nun auch Android-Apps zulässt

In der EU gilt seit Anfang März mehr Wettbewerb bei digitalen Angeboten: Der "Digital Markets Act" zwingt die großen Technikkonzerne, ihre Plattformen auch für andere Dienste zu öffnen. Das merken die meisten Smartphone-Nutzer bereits.

Wer wie gewohnt via Google nach einer Adresse sucht, wundert sich seit einigen Tagen vielleicht: Wieso passiert nichts mehr, wenn ich auf die Karte mit dem Suchergebnis klicke? Der Grund hat drei Buchstaben: DMA, lang "Digital Markets Act", ein EU-Gesetz, das seit dem 6. März gilt. Das soll die Marktmacht der sechs größten Technikkonzerne aufbrechen.

Für die Adresssuche mit Maps heißt das ganz praktisch: Ich muss Umwege gehen und Maps gesondert ansteuern - denn automatisch darf der Gigant Google seine Suche mit anderen seiner Dienste nicht mehr verknüpfen. Deshalb darf man zum Beispiel nun auch den Messenger von Meta nutzen, wenn man gar kein Facebook-Konto hat. Der DMA soll dafür sorgen, dass kleinere Mitbewerber nicht mehr so arg von den wenigen Riesenkonzernen unterjocht werden können und der Wettbewerb etwas fairer wird. Aber der Reihe nach.

Kulturpass, Umzugskosten, Whatsapp

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Wer umzieht, kann bei der Steuererklärung mehr Geld sparen, Apple-Nutzer dürfen ihre Apps auch von anderswo laden und Schwimmkurse und Saunenbesuche in den Berliner Bädern werden teurer: Der März hält mehr Neuerungen bereit, als Sie vielleicht denken.

Wie begründet die EU das neue Gesetz?

Im Juli 2023 hat das EU-Parlament den DMA verabschiedet. Der Vorwurf lautet, manche große Plattformbetreiber seien so mächtig geworden, dass sie ihre Marktposition zementieren könnten. Der DMA soll diese Starre mit Regeln für die sogenannten Gatekeeper (Torwächter) aufbrechen. Die EU-Kommission machte bisher 22 "Gatekeeper"-Dienste der sechs vorherrschenden Unternehmen aus: Apple, Amazon, Microsoft, Alphabet (Google), Meta (Facebook, Whatsapp, Instagram) und der chinesische Konzern Bytedance (TikTok). Sie sollen künftig weniger Kontrolle darüber haben, welche Apps auf Handys vorinstalliert sind.

Was merke ich davon als Nutzerin oder Nutzer?

Neben Google Maps dürften vor allem die Neuerungen bei Whatsapp und Apple den meisten Usern in der EU auffallen. Apple muss erstmals zulassen, dass auf dem iPhone Apps aus anderen Quellen als dem hauseigenen App Store installiert werden können. Außerdem können europäische Anwenderinnen und Anwender künftig den Standard-Browser im iPhone frei festlegen. Bislang öffnet der Apple-Browser Safari automatisch alle Web-Links. Jetzt kann diese Aufgabe auch von Browsern wie Google Chrome, Firefox, Microsoft Edge, Brave, Opera oder DuckDuckGo übernommen werden. Die Wettbewerber werden auch nicht mehr gezwungen, in ihren Apps die von Apple favorisierte Technik "WebKit" zur Darstellung von Webseiten zu verwenden, sondern dürfen ihre eigenen "Web-Engines" benutzen. Um die neuen Möglichkeiten nutzen zu können, muss auf dem Gerät die aktuellste Betriebssystem-Version iOS 17.4 installiert sein.

Auch das Apple-Monopol bei kontaktlosen Zahlungstransaktionen mit dem iPhone fällt in der EU. Bislang konnte nur der hauseigene Bezahldienst Apple Pay die NFC-Funktion ("Near Field Communication") des iPhones nutzen, um eine Bezahlung an der Supermarktkasse oder anderen Bezahlterminal vorzunehmen. Die Anwender können nun selbst festlegen, welche Bezahl-Anwendung standardmäßig starten soll.

Halbzeitbilanz Smartphone-Fasten

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Außerdem sollen Messengerdienste miteinander kommunizieren können. Heißt: Man kann dann von Whatsapp auch Nachrichten an Signal- oder Threema-Nutzer schicken und umgekehrt. Die Nachrichten aus anderen Diensten sollen in einem separaten Bereich auf der App landen. Das solle deutlich machen, dass für die Nachrichten andere Sicherheitsstandards gelten könnten, sagte der Whatsapp-Manager Dick Brouwer dem Magazin "Wired". Whatsapp nutzt die Verschlüsselungstechnologie von Signal - und das macht die Vernetzung mit anderen Diensten, die ebenfalls darauf zurückgreifen, einfacher. Man werde aber auch andere verlässliche Verschlüsselungsprotokolle unterstützen.

Das Problem ist noch: Die anderen wollen von diesem Glück bisher nichts wissen. Signal verweist darauf, dass der Dienst über den Schutz von Inhalten hinausgehe: "Wir haben neuartige Techniken entwickelt, um auch vertrauliche Metadaten wie Profilnamen und -foto, Kontaktlisten, Gruppenmitgliedschaften und Informationen darüber, wer wem Nachrichten sendet, zu verschlüsseln." Andere große Apps erfüllten "nicht annähernd die Datenschutzstandards von Signal". Bei Threema hieß es, Whatsapp gebe alle Protokolle vor, "und wir wüssten nicht mit Sicherheit, was mit den Nutzerdaten geschieht, wenn sie an Whatsapp übertragen werden, zumal Whatsapp nicht Open Source ist". Auch gebe es ungelöste Probleme wie die Adressierung, da Whatsapp die Telefonnummer verwende und Threema eine zufällig generierte ID. Dies könne Threema-Nutzer potenziell deanonymisieren.

Wie soll das mit anderen App Stores auf dem iPhone funktionieren?

App-Entwickler können entweder alles beim Alten lassen und ihre Anwendungen wie bisher nur über Apples App Store mit einer Abgabe von 15 oder 30 Prozent der Erlöse bei digitalen Gütern und Abos vertreiben - oder sie machen von den neuen Möglichkeiten Gebrauch. Dann gelten für sie andere Konditionen. Bei Anwendungen, die sie über Apples App Store vertreiben, sinkt die Abgabe auf jeweils 10 und 17 Prozent - plus weitere 3 Prozent, wenn sie das Abrechnungssystem des Konzerns nutzen.

Neu ist eine "Kerntechnologie-Abgabe" von 50 Cent für die Erstinstallation einer App in einem Zwölfmonatszeitraum, die nach einer Million Downloads fällig wird. Bei Apps, die über andere Marktplätze vertrieben werden, soll Apple nur sie bekommen. Steigen Entwickler auf das neue Modell um, führt kein Weg zurück.

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Bitte Updaten, bitte durchlesen, bitte zustimmen: Als Erstes poppen gerade immer wieder neue Fragen auf dem Bildschirm auf - denn ähnlich wie bei Cookies darf das stille Einverständnis eines Nutzers nicht mehr vorausgesetzt werden. "Was die Anbieter jetzt immer tun müssen, ist, den Nutzer vorher fragen. Die EU wollte eigentlich was für die Verbraucher tun. Jetzt werden die Verbraucher halt mit diesen Fragen genervt. Möchten sie dem zustimmen?", sagt Jan Mahn, Redakteur beim Computermagazin c't im Ressort Systeme und Sicherheit. Viele verstünden das gar nicht, weil diese Fragen dann vergleichsweise juristisch formuliert seien und klickten dann wahlweise auf Ja oder Nein. "Und dann haben die Anbieter im schlimmsten Falle wieder ihre Einwilligung und dürfen Daten austauschen." Das hehre Ziel der Fragerei: Nutzer sollen transparenter als bisher über die Verwendung ihrer Daten aufgeklärt werden.

Halten sich Apple und Co. auch an das neue Gesetz?

Seit September hatten die Unternehmen ein halbes Jahr Zeit, sich auf die neuen Regeln einzustellen. Bei Verstößen gegen den DMA drohen heftige Geldstrafen, in Ausnahmefällen sogar die Aufspaltung. Aber so wirklich schrecken kann das die großen Sechs offenbar nicht. Apple und Google haben nach Einschätzung von Verbraucherschützern bisher nicht alle Vorgaben umgesetzt. "Google-Nutzer:innen hatten zum Stichtag kein Update für das gängigste mobile Betriebssystem Android 13. Das Update von Apple umfasst nicht alle notwendigen Änderungen", erklärte die Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (Vzbv), Ramona Pop, am vergangenen Montag. Die Europäische Kommission müsse "entschieden" gegen solche Verstöße vorgehen.

Um von den Neuerungen profitieren zu können, müssten die Kundinnen und Kunden ihr mobiles Betriebssystem aktualisieren. Bei Google stand laut Vzbv jedoch kein Update für das populäre Smartphone Galaxy S20 zur Verfügung. Apple kritisierten die Verbraucherschützer, weil trotz verfügbarer Updates einige Funktionen nicht möglich waren. So ließ sich der Apple-Browser Safari nicht vollständig deinstallieren und auch andere fremde Apps konnten nicht zum Standard für die Nutzung gemacht werden. Auch bei Google konnten nicht alle vorinstallierten Apps vollständig gelöscht werden.

Apple zumindest hat inzwischen nachgebessert: Der Konzern kündigte an, nun auch die direkte Installation von Anwendungen außerhalb von App Stores zu ermöglichen. Künftig würden Entwickler in der Lage sein, ihre Apps direkt von Websites aus zu vertreiben, kündigte Apple am Dienstag an.

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Aus Sicht des Audio-Streaming-Dienstes Spotify widersprechen unter anderem der Umstieg auf eine neue Gebührenstruktur und die "Kerntechnologie-Abgabe" dem DMA. Spotify gehört zu den größeren Diensten (rund ein Prozent der App-Anbieter nach Apples Rechnung), für die die "Kerntechnologie-Abgabe" fällig würde. Und sie könnte ordentlich ins Kontor schlagen: Denn sie müsste nicht nur bei im Moment aktiven Nutzern bezahlt werden. Auch wenn jemand die App nur ungenutzt auf seinem iPhone hat, kostet das Spotify beim ersten automatischen Update in einem Zwölfmonatszeitraum 50 Cent. Apple habe die neuen Abgaben so gestaltet, dass es für Entwickler nicht attraktiv oder auch tragbar sei, ihre Apps über andere Stores zu vertreiben, kritisiert neben Spotify auch der Fortnite-Hersteller Epic.

Was passiert, wenn europäische Nutzer die EU-verlassen?

Die DMA-Neuerungen gelten laut Apple grundsätzlich nur für Nutzer, deren Profil auf eines der EU-Länder eingestellt ist und die sich auch tatsächlich in der Union aufhalten. Wenn sie die EU für kürzere Reisen verlassen, werde alles unverändert funktionieren. Aber wenn sie für "zu lange" ausreisen, werden sie etwa keine neuen App-Marktplätze installieren können. Aus ihnen geladene Apps sollen weiter laufen - aber nicht aktualisiert werden können. Wie lange "zu lange" ist - Apple hüllt sich in Schweigen.

Wie sieht es auf Android-Smartphones aus?

Auf Telefonen mit dem Google-Betriebssystem Android dürfen bereits seit langem Apps aus anderen Marktplätzen geladen werden. Google muss sich aber an anderer Stelle anpassen: In der Websuche werden künftig Ergebnisse von spezialisierten Suchmaschinen etwa bei Flügen, Hotels oder Shopping-Angeboten ausführlicher dargestellt. Google darf die eigenen Produkte in Suchmaschinenergebnissen nicht mehr wie bisher günstiger platzieren.

Wer auch in Zukunft keine Umwege gehen will, auch nicht bei Maps, kann die Dienste übrigens in seinem Google-Benutzerkonto standardmäßig miteinander verknüpfen. Dann bleibt alles wie gehabt.

Sendung: Fritz, 12.03.2024, 14 Uhr

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