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Quelle: dpa/Schoening

Kommentar | Kinos öffnen ab 1. Juli

Für den Neustart reicht es nicht, den Lichtschalter umzulegen

Lange haben wir sie vermisst, die Kinos. Endlich dürfen sie ab Donnerstag in Berlin und Brandenburg wieder öffnen. Aber wie wirtschaftlich kann das sein, unter den Bedingungen einer Pandemie? Ein Kommentar von Anke Sterneborg

Acht Monate waren die Kinos geschlossen, nun öffnen sie ausgerechnet im Sommer, in dem es die Menschen an die Gewässer und in die Biergärten zieht, noch zusätzlich bedrängt durch die Fußball-Europa-Meisterschaft, die den Kinos schon immer Konkurrenz gemacht hat. Gleichzeitig ist es noch nicht wieder so heiß, dass die Schwitzenden in klimatisierte Kinos flüchten.

Viel Enttäuschung, Verzweiflung und Wut hat sich bei den Kinobetreibern angestaut, dazu jede Menge Filme: Insgesamt 27 Filme stehen zum offiziellen Kinoneustart am 1. Juli auf der Startmarke. Fast vier Filme müsste man pro Tag sehen, um sie alle in einer Woche zu schaffen. Große US-Blockbuster wie "Godzilla versus Kong" sind dabei, und kleine deutsch-italienische Dokumentar-Perlen wie "Vor mir der Süden". Im ganzen Juli sind es 88 Filme.

Zwischen Erleichterung und Hoffnung

Trotzdem sind die Kinomacher erstmal erleichtert, dass es wieder losgeht. Und auf der Sommer-Berlinale war zu spüren, wie groß die Sehnsucht nach dem Gemeinschaftserlebnis vor der Leinwand ist. Die langen Monate des "streaming only" haben das Kino nicht überflüssig gemacht.

Jetzt hoffen die Kinobetreiber darauf, dass der Mindestabstand von 1,50 Meter auf 1 Meter reduziert wird, dann müssten bei Verteilung der Zuschauer im Schachbrettmuster keine Reihen mehr frei bleiben, statt mickrigen 20 Prozent Auslastung kämen sie auf 50 Prozent.

Öffnungen sind in Deutschland seit dem 17. Juni möglich, doch genutzt wurde diese Möglichkeit nur von wenigen Kinos, denn: Um einen Kinosaal nach fast acht Monaten wieder in Betrieb zu nehmen, reicht es nicht, den Lichtschalter umzulegen und die Türen zu öffnen. Putzen, Wartung, Bestellung von Getränken und Snacks, Buchung von Filmen. Das fängt schon beim Personal an, Kartenabreißer*innen und Kassierer*innen müssen neu angeworben werden, da das Stammpersonal in der langen Pause notgedrungen in andere Bereiche abgewandert ist.

Kultur immer noch nicht systemrelevant

Dazu, das Schlimmste: die Planungsunsicherheit. Strenge Abstands– und Hygiene-Regeln haben nach dem ersten Lockdown dazu geführt, dass der Kinobetrieb im besten Fall ein Plus-Minus-Null Geschäft war, ein privates Kultursponsoring-Projekt, das nur knapp kostendeckend war.

Jetzt bewegen sich die Inzidenzzahlen bei unter zehn Prozent, trotzdem sind die Maßnahmen im Kino strenger als in der Gastronomie. Obwohl es weltweit keinen einzigen nachgewiesenen Fall von Ansteckung im Kino gibt, soll es bei der strikten Kontakt-Nachverfolgung bleiben. Auch bei der Sommer-Berlinale im Freien brauchte man in den Open-Air-Kinos Test und Maske, um dabei sein zu dürfen, während sich gleichzeitig in Bier- und Restaurantgärten die Menschen drängten. Anders als die Wirtschaft gilt die Kultur, die gerade bei der Bewältigung von Krisen helfen kann, noch immer nicht als systemrelevant.

Sendung: rbbKultur, 01.07.2021, 07:10 Uhr

Beitrag von Anke Sterneborg

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