rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama
Audio: Antenne Brandenburg | 01.09.2022 | Lisa Steger | Quelle: dpa/S.Stache

Grundstücksstreit in Rangsdorf

Justizministerin sagt Familie nach Justizpanne Schadensersatz zu

Eine Familie aus Rangsdorf, die wegen einer Justizpanne bei einer Zwangsversteigerung ihr Haus verliert, soll entschädigt werden. Das hat Justizministerin Hoffmann im Landtag angekündigt. Der Fall hatte viele Menschen bewegt. Von Lisa Steger

Die Familie Walter aus Rangsdorf (Teltow-Fläming), die nach einem Fehler des Amtsgerichts Luckenwalde Land und Haus verloren hatte, kann auf Schadensersatz vom Land Brandenburg hoffen. Wie viel es sein wird und wann die Eheleute das Geld erhalten, ist aber noch offen.

Ministerin und Gerichtspräsident zerknirscht

"Was rechtlich möglich ist, werden wir ausschöpfen", kündigte Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) im Rechtsausschuss des Landtages an. Der Familie müsse ein langwieriger Prozess um Schadensersatz erspart werden. "Es war ein Fehler der Justiz mit schwerwiegenden Folgen", so Hoffmann im Ausschuss. "Das Ministerium und die Justiz werden sich bemühen, die schwierige Situation zu bewältigen." Die Ministerin bedankte sich bei Familie Walter, die "kooperativ und vertrauensvoll" sei und räumte ein: "Man kann bei so einer Situation durchaus auch aggressiv werden."

Auch Klaus-Christoph Clavée, Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, wo der Fall anhängig ist, sprach sich für staatlichen Schadensersatz aus. "Es wird um Summen gehen, über die ich nicht allein entscheiden kann", erklärte Clavée.

Teurer Justizfehler

Rangsdorfer Grundstücksstreit beschäftigt Rechtsausschuss des Landtags

Der Fall einer Familie, die in Rangsdorf ein Grundstück ersteigerte, ein Haus baute und nun wegen eines Justizfehlers alles an einen früheren Besitzer des Grundstücks zurückgeben muss, schlägt hohe Wellen und wird nun sogar den Landtag beschäftigen.

Odyssee durch die Gerichte

Der Rechtsausschuss des Brandenburger Landtages hatte den Fall nach der rbb-Berichterstattung auf die Tagesordnung gesetzt.

Hintergrund: Das Amtsgericht Luckenwalde hatte im Jahr 2010 ein unbebautes Grundstück an die Familie Walter versteigert, ohne vorher ausreichend gründlich nach dem Eigentümer – einem Amerikaner - zu suchen. Er trägt einen gängigen Nachnamen und war oft umgezogen. Seine Adresse befand sich aber in den Gerichtsakten in Luckenwalde. Und auch das dortige Finanzamt verfügte über die Anschrift in den USA, denn der Mann hatte seine Steuern stets bezahlt und sogar einen Winterdienst beauftragt. Mit der Suche hatte das Amtsgericht einen Anwalt beauftragt. Doch auch der tat nicht viel, wie das Landgericht Potsdam später feststellen sollte.

Grundstückseigentümer klagt erfolgreich

Zwei Jahre nach der Zwangsversteigerung erfuhr der Amerikaner, der mittlerweile in der Schweiz lebte, per Zufall, dass er sein Land losgeworden war: Der Winterdienst hatte sich bei ihm gemeldet, um zu berichten, dass er wohl nicht mehr benötigt werde.

Der Amerikaner klagte. Im Jahr 2014 bekam er im Landgericht Potsdam Recht. Das entschied: Das Grundstück gehört weiterhin dem Mann aus den USA. Und zwar mitsamt dem Haus, das die Familie in der Zwischenzeit dort gebaut hatte. Anfang August dieses Jahres bestätigte das Brandenburgische Oberlandesgericht in einem Teilurteil diese Einschätzung: Der Familie Walter gehört in Rangsdorf nichts mehr. Sie muss jetzt dem Kläger mitteilen, welchen Nutzen sie in den letzten Jahren aus der Immobilie gezogen hat. Klar sei jedenfalls, dass die Familie das Haus irgendwann herausgeben müsse.

Das bestätigte auch OLG-Präsident Clavée am Donnerstag im Rechtsauschuss. "Wünschenswert wäre, der Familie Eigentum zu verschaffen. Aber dazu sind wir nicht in der Lage." Wann die Familie das Haus hergeben müsse, habe das Oberlandesgericht aber noch nicht entschieden.

Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts

Land weg, Haus weg, Geld weg - Familie steht vor dem Ruin

2010 hatte eine Familie ein Grundstück in Rangsdorf bei einer Zwangsversteigerung gekauft und ein Haus gebaut. Doch das Amtsgericht Luckenwalde hatte Fehler gemacht. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit steht das Ehepaar nun vor dem Ruin. Von Lisa Steger

Familie nervlich am Ende

Die Eheleute aus Rangsdorf hatten sich für den Hausbau mit 280.000 Euro verschuldet. Ihr Kredit läuft weiter. Sie müssen ihn abtragen. Zudem haben sie inzwischen rund 80.000 Euro für Anwälte ausgegeben, sagte Ehefrau Kristin Walter im rbb-Interview. "Es ist gut, dass man das jetzt mal im politischen Rahmen erörtert hat", so die 41-Jährige. "Eine Entschädigung ist ein Trostpflaster, trotzdem fühlt es sich nicht gerecht an."

Denn auch nach dem Urteil in der zweiten Instanz, dem Oberlandesgericht, hofft die Mutter zweier Kinder, dass sie doch noch in dem Haus bleiben kann. "Wir fordern, dass das Urteil des Potsdamer Landgerichts aus dem Jahr 2014 überprüft wird." Notfalls, kündigte Kristin Walter an, will sie vor den Bundesgerichtshof gehen.

Zehn Jahre dauert der Rechtsstreit bereits, er führte die Eheleute vor das Amtsgericht Luckenwalde, das Landgericht Potsdam und das Oberlandesgericht; sogar an das Bundesverfassungsgericht hatten sie sich – ohne Erfolg – gewandt. Der Petitionsausschuss des Bundestages hat sich ebenfalls mit dem Fall beschäftigt und danach festgestellt, dass das Gesetz zur Zwangsversteigerung geändert werden müsse; das würde für künftige Fälle gelten, den Eheleuten aus Rangsdorf hilft es aber nicht.

"Die Hoffnung stirbt zuletzt"

Die Familie hat das juristische Tauziehen nicht nur finanziell und zeitlich sehr belastet: "Man hat ja auch Kinder und will den Alltag so schön wir möglich machen. Aber das hängt immer im Kopf. Die Nächte sind mitunter nicht so ganz lang." Die beiden Töchter, 11 und 14 Jahre alt, wüssten noch nicht, dass sie aus dem Haus herausmüssen. "Die Hoffnung stirbt zuletzt", so Kristin Walter. Koffer gepackt habe sie bisher nicht.

Der Eigentümer, der das Haus bekommen hat, hält an seiner Forderung fest. Und nicht nur das: Er verlangt zudem von der Rangsdorfer Familie Miete für das Haus, das sie selbst gebaut hat. Auch über diese Forderung hat das Brandenburgische Oberlandesgericht noch nicht entschieden.

Der Anwalt des Amerikaners äußert sich gegenüber dem rbb nicht; dies habe er mit dem Mandanten so vereinbart, teilte er mit.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 01.09.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Lisa Steger

Artikel im mobilen Angebot lesen