Grundstücksstreit in Rangsdorf - Justizministerin sagt Familie nach Justizpanne Schadensersatz zu

Do 01.09.22 | 16:48 Uhr | Von Lisa Steger
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Luftaufnahme des Rangsdorfer Sees.(Quelle:dpa/S.Stache)
Audio: Antenne Brandenburg | 01.09.2022 | Lisa Steger | Bild: dpa/S.Stache

Eine Familie aus Rangsdorf, die wegen einer Justizpanne bei einer Zwangsversteigerung ihr Haus verliert, soll entschädigt werden. Das hat Justizministerin Hoffmann im Landtag angekündigt. Der Fall hatte viele Menschen bewegt. Von Lisa Steger

Die Familie Walter aus Rangsdorf (Teltow-Fläming), die nach einem Fehler des Amtsgerichts Luckenwalde Land und Haus verloren hatte, kann auf Schadensersatz vom Land Brandenburg hoffen. Wie viel es sein wird und wann die Eheleute das Geld erhalten, ist aber noch offen.

Ministerin und Gerichtspräsident zerknirscht

"Was rechtlich möglich ist, werden wir ausschöpfen", kündigte Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) im Rechtsausschuss des Landtages an. Der Familie müsse ein langwieriger Prozess um Schadensersatz erspart werden. "Es war ein Fehler der Justiz mit schwerwiegenden Folgen", so Hoffmann im Ausschuss. "Das Ministerium und die Justiz werden sich bemühen, die schwierige Situation zu bewältigen." Die Ministerin bedankte sich bei Familie Walter, die "kooperativ und vertrauensvoll" sei und räumte ein: "Man kann bei so einer Situation durchaus auch aggressiv werden."

Auch Klaus-Christoph Clavée, Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, wo der Fall anhängig ist, sprach sich für staatlichen Schadensersatz aus. "Es wird um Summen gehen, über die ich nicht allein entscheiden kann", erklärte Clavée.

Odyssee durch die Gerichte

Der Rechtsausschuss des Brandenburger Landtages hatte den Fall nach der rbb-Berichterstattung auf die Tagesordnung gesetzt.

Hintergrund: Das Amtsgericht Luckenwalde hatte im Jahr 2010 ein unbebautes Grundstück an die Familie Walter versteigert, ohne vorher ausreichend gründlich nach dem Eigentümer – einem Amerikaner - zu suchen. Er trägt einen gängigen Nachnamen und war oft umgezogen. Seine Adresse befand sich aber in den Gerichtsakten in Luckenwalde. Und auch das dortige Finanzamt verfügte über die Anschrift in den USA, denn der Mann hatte seine Steuern stets bezahlt und sogar einen Winterdienst beauftragt. Mit der Suche hatte das Amtsgericht einen Anwalt beauftragt. Doch auch der tat nicht viel, wie das Landgericht Potsdam später feststellen sollte.

Grundstückseigentümer klagt erfolgreich

Zwei Jahre nach der Zwangsversteigerung erfuhr der Amerikaner, der mittlerweile in der Schweiz lebte, per Zufall, dass er sein Land losgeworden war: Der Winterdienst hatte sich bei ihm gemeldet, um zu berichten, dass er wohl nicht mehr benötigt werde.

Der Amerikaner klagte. Im Jahr 2014 bekam er im Landgericht Potsdam Recht. Das entschied: Das Grundstück gehört weiterhin dem Mann aus den USA. Und zwar mitsamt dem Haus, das die Familie in der Zwischenzeit dort gebaut hatte. Anfang August dieses Jahres bestätigte das Brandenburgische Oberlandesgericht in einem Teilurteil diese Einschätzung: Der Familie Walter gehört in Rangsdorf nichts mehr. Sie muss jetzt dem Kläger mitteilen, welchen Nutzen sie in den letzten Jahren aus der Immobilie gezogen hat. Klar sei jedenfalls, dass die Familie das Haus irgendwann herausgeben müsse.

Das bestätigte auch OLG-Präsident Clavée am Donnerstag im Rechtsauschuss. "Wünschenswert wäre, der Familie Eigentum zu verschaffen. Aber dazu sind wir nicht in der Lage." Wann die Familie das Haus hergeben müsse, habe das Oberlandesgericht aber noch nicht entschieden.

Familie nervlich am Ende

Die Eheleute aus Rangsdorf hatten sich für den Hausbau mit 280.000 Euro verschuldet. Ihr Kredit läuft weiter. Sie müssen ihn abtragen. Zudem haben sie inzwischen rund 80.000 Euro für Anwälte ausgegeben, sagte Ehefrau Kristin Walter im rbb-Interview. "Es ist gut, dass man das jetzt mal im politischen Rahmen erörtert hat", so die 41-Jährige. "Eine Entschädigung ist ein Trostpflaster, trotzdem fühlt es sich nicht gerecht an."

Denn auch nach dem Urteil in der zweiten Instanz, dem Oberlandesgericht, hofft die Mutter zweier Kinder, dass sie doch noch in dem Haus bleiben kann. "Wir fordern, dass das Urteil des Potsdamer Landgerichts aus dem Jahr 2014 überprüft wird." Notfalls, kündigte Kristin Walter an, will sie vor den Bundesgerichtshof gehen.

Zehn Jahre dauert der Rechtsstreit bereits, er führte die Eheleute vor das Amtsgericht Luckenwalde, das Landgericht Potsdam und das Oberlandesgericht; sogar an das Bundesverfassungsgericht hatten sie sich – ohne Erfolg – gewandt. Der Petitionsausschuss des Bundestages hat sich ebenfalls mit dem Fall beschäftigt und danach festgestellt, dass das Gesetz zur Zwangsversteigerung geändert werden müsse; das würde für künftige Fälle gelten, den Eheleuten aus Rangsdorf hilft es aber nicht.

"Die Hoffnung stirbt zuletzt"

Die Familie hat das juristische Tauziehen nicht nur finanziell und zeitlich sehr belastet: "Man hat ja auch Kinder und will den Alltag so schön wir möglich machen. Aber das hängt immer im Kopf. Die Nächte sind mitunter nicht so ganz lang." Die beiden Töchter, 11 und 14 Jahre alt, wüssten noch nicht, dass sie aus dem Haus herausmüssen. "Die Hoffnung stirbt zuletzt", so Kristin Walter. Koffer gepackt habe sie bisher nicht.

Der Eigentümer, der das Haus bekommen hat, hält an seiner Forderung fest. Und nicht nur das: Er verlangt zudem von der Rangsdorfer Familie Miete für das Haus, das sie selbst gebaut hat. Auch über diese Forderung hat das Brandenburgische Oberlandesgericht noch nicht entschieden.

Der Anwalt des Amerikaners äußert sich gegenüber dem rbb nicht; dies habe er mit dem Mandanten so vereinbart, teilte er mit.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 01.09.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Lisa Steger

26 Kommentare

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  1. 26.

    Das mag nach subjektivem Gerechtigkeitsempfinden so aussehen. Aber stellen Sie sich vor, jemand würde Ihr Eigentum "zweckentfremden" und daraus einen Nutzen ziehen, zum Beispiel Ihr Auto als Taxi benutzen, und daraus den Nutzen ziehen, sprich, richtig fett Kohle machen. Dann stünde Ihnen diese Kohle auch zu. Würden Sie dann verzichten?

  2. 25.

    Das gilt leider erst nach 10 Jahren. Dann hat man sich den Besitz eines anderen sozusagen gerichtlich "ersessen".

  3. 24.

    Das hilft nicht. Aber man kann eine ähnliche Lösung finden, wie es mit der 2.Sachenrechtsbereinigungsgesetz praktiziert wurde: Der redliche Erwerber darf vom Eigentümer zu Sonderkonditionen ein Vorkaufsrecht ausüben. Das Geld dafür bekommt er vom Land zurück. Sollte dies nicht reichen, hat der Schaden eine konkrete Höhe, die der verursachende Staat ausgleichen muss, wenn er haften muss. Wenn er nicht haften muss, ist das Gesetz neu zu überarbeiten. Zuständig ist die hier zitierte Ministerin.

  4. 23.

    Nein, der Eigentümer hat seine Steuern für Rangsdorf immer bezahlt. Schulden hatte er allerdings in Freiburg und diese Stadt initiierte die Verwertung seines Rangsdorfer Grundstücks.

  5. 22.

    Nein. Er hat die Grundsteuer bezahlt. Schulden hatte er in Freiburg, weshalb diese Stadt das Rangsdorfer Grundstück verwerten wollte.

  6. 21.

    Mit solchen Überlegungen ist man auf den "Holzweg" geraten, schon die Frage, wer soll den Abriss des Hauses bezahlen, der Grundstückeigentümer auf jeden Fall nicht. Soll es die Familie oder der Steuezahler sein?

  7. 20.

    Meines Wissens nach hat er privat zwar den Winterdienst beauftragt und bezahlt, aber die Grundsteuer - wohl aus Nachlässigkeit - nicht bezahlt, weshalb es wegen dieser Schulden zur Zwangsversteigerung kam.

  8. 19.

    Hier sollte investigativ recherchiert werden. Der Eigentümer ist zu finden und medial an den Pranger zu stellen. Es sollte ein Angebot für ein neues Grundstück an den Eigentümer gehen, dass dieser unter dem Einfluß öffentlichen Druckes annehmen müsste. Man sollte das Gesicht dieses Menschen auf den Tageszeitungen abdrucken.

  9. 18.

    Offenbar ist der "Eigentümer" ein ganz und gar unverschämten Raffke.
    Ansprüche kann er allenfalls gegen das unfähige "Gericht" erheben.

  10. 17.

    Zur Zeit des Zwangsversteigerungsverfahren hat er sich offenbar nicht um das Grundstück gekümmert...
    Also hat er Null Ansprüche.

  11. 16.

    Es kann ja wohl festgestellt werden, welcher Mitarbeiter bei dem für Zwangsversteigerung zuständigen Amtsgericht den Fehler begangen hat. Dann ist dieser für den Schaden haftbar und hat hoffentlich eine Berufshaftpflichtversicherung! Wenn der Staat einen Fehler macht, haftet er nämlich nach Paragraf 839 BGB!

  12. 15.

    " Wenn er sich nicht um seinen Besitz gekümmert hat, hat er auch keine Ansprüche mehr darauf. "
    Noch mal lesen, was in dem Beitrag steht.
    Und dann erklären Sie den Winterdienst.

  13. 14.

    Wie kann es sein, das der Eigentümer das von der Familie gebaute Haus kostenlos bekommt und zusätzlich noch Miete beansprucht? Da stimmt doch was nicht!
    Eigentlich müsste der Eigentümer das Haus der Familie abkaufen?

  14. 13.

    Wer haftet eigentlich, wenn Beamte in ihrer Tätigkeit gravierende Fehler begehen, die weitreichende und nicht wieder gutzumachende Folgen für die Bürger haben? Sie sind Staatsdiener, also sollte auch mindestend das Land für seine Bediensteten gerade stehen und die Opfer umgehend so entschädigen, als wäre nie ein Schaden entstanden. Bei der "Schnelligkeit", mit der Ämter, Behörden und Justiz jedoch Entscheidungen treffen und diese umsetzen, sind die Kinder der geschädigten Fmilie wahrscheinlich schon erwachsen. Man bedenke: bereits seit 10 Jahren! wird über diese Angelegenheit gestritten. Unglaublich...

  15. 12.

    Wie mit dem Eigentümer dieses Grundstücks umgegangen wurde ist noch erschreckender, und die Folgen desen, muss jetzt auch diese Familie "ausbaden".
    Jetzt wird aus Steuegeldern eine Enschädigung fällig, und das wars dann wohl. Eigentlich müssten die Verantwortlichen auch .......

  16. 11.

    Die Ungerechtigkeit kennt keine Grenzen. Durch die Inkompetenz und Schlamaperei der Behörden und der Justiz wird eine Familie in den Ruin getrieben. Wenn überhaupt eine Rückgabe zwingend ist, sollte hier mindestens eine Entschädigung in Höhe des entstandenen Schadens für die Familie herauskommen und das umgehend und nicht irgendwann, den der Kredit läuft ja weiter. Und wenn Rückgabe, dann sollte die Familie das Grundstück in dem Zustand übergeben, wie sie es übernommen hat - ohne Haus. Dass der Eigentümer nun noch Miete für ein Haus verlangt, welches andere auf ihre Kosten gebaut haben, ist eine Dreistigkeit ohnegleichen. ER sollte der Familie den Wert des Hauses ersetzen, wenn er denn schon das Grundtsück, so wie es jetzt ist, zurückhaben möchte. Hier muss politisch und rechtlich sofort nachgebessert werden, damit so etwas niemandem mehr passieren kann.

  17. 10.

    Na, dass lohnt sich jetzt aber. Hoffentlich muss das nicht wieder der Steuerzahler berappen. Bitte mehr Selbstverantwortlichkeit.

  18. 9.

    Der Eigentümer hat sich um sein Eigentum gekümmert. Er hat einen winterdienst beauftragt, somit hat er für die Verkehrssicherheit auf dem Gehweg vor seinem Grundstück gesorgt.
    Es hat sich um ein unbebautes Grundstück gehandelt, somit stand es Flora und Fauna zur Verfügung. Nirgendwo steht geschrieben, dass Grundstücke bebaut oder raspelkurz gemäht sein müssen.

    Im übrigen finde ich es schrecklich, das der Eigentümer zum einen das Haus behalten darf, ohne dafür zu zahlen und dann noch Mietzahlung gerichtlich einfordert.

  19. 8.

    Das klingt ja fast nach Großzügigkeit unser Landesregierung. Fest steht doch, dass bei diesem Vorgang nicht nur jemand sondern einige gepennt haben und bei solchen Dingen ist Schadensersatz zu leisten. Für die Sorgen, die Aufregung und die schlaflosen Nächte kann eh kein Schadensersatz gegeben werden.

  20. 7.

    Warum zahlt die Landesregierung dem Kläger den üblichen Grundstückspreis als Abfindung nicht aus?, dann hätte die Fam. nicht den großen Ärger.

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