Ehemals besetzter Seniorentreff - Die Stille Straße 10 in Berlin-Pankow bleibt - vorerst

Do 09.02.23 | 17:35 Uhr | Von Stephan Ozsváth
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Susanne Buss, Vorstandsvorsitzende Volkssolidarität. Evelyne Lemmer, Förderverein, Cordelia Koch, Grüne, Vize-Bürgermeisterin Pankow (Quelle: rbb/Stephan Ozsváth)
Audio: rbb 88,8 | 09.02.2023 | Stephan Ozsváth | Bild: rbb/Stephan Ozsváth

Vor rund zehn Jahren haben Senioren in der Stillen Straße in Berlin-Pankow ein Haus besetzt, um ihren Freizeittreff vor der Schließung zu retten. Seitdem müssen sie jährlich neu verhandeln. Jetzt haben sie eine etwas längerfristigere Lösung erreicht. Von Stephan Ozsváth

"Stille Straße bleibt", verkündet ein Poster im Eingangsbereich des Hauses trotzig. Ingrid Roland zeigt Katzenbilder auf ihrem Handy-Display. Die hat sie im Malkurs angefertigt. Der findet auch heute statt. Für sie ist es ein Termin, den sie jede Woche dick im Kalender ankreuzt. "Da ist Mal-Tag", sagt die 85-Jährige, "da ist die Woche nicht so uferlos".

Vor ihr liegen Bilder und Pinsel, die anderen Teilnehmerinnen haben Stifte und Papier vor sich liegen. Sie ist froh, dass sich der Bezirk und der Träger Volkssolidarität Berlin-Brandenburg Ende des vergangenen Jahres auf einen dreijährigen Nutzungsvertrages geeinigt haben.

Da haben manche hier nächtelang geschlafen, nur mal nach Hause, um neue Sachen anzuziehen, mal zu duschen.

Ingrid Roland, Rentnerin

Grauhaarige Hausbesetzer

"Das schwebte ja immer wie ein Damoklesschwert über uns", sagt sie. Zehn Jahre lang hangelten sich Bezirk und Volkssolidarität von Jahresvertrag zu Jahresvertrag. "Wir hatten immer im letzten Quartal die Sorge, wie geht es mit dem Haus weiter?", erinnert sich Sabine Buss, Vorstandsvorsitzende der Volkssolidarität Berlin-Brandenburg an die Jahre seit 2012.

Damals hatten Senioren – Frauen und Männer – 112 Tage lang die Begegnungsstätte in Berlin-Pankow besetzt. "Da haben manche hier nächtelang geschlafen, nur mal nach Hause, um neue Sachen anzuziehen, mal zu duschen", erinnert sich Rentnerin Ingrid Roland, "über ein Vierteljahr haben die das hier besetzt." Ein Buch über die Besetzung, die weltweit für Furore sorgte, liegt zum Verkauf aus, eine Fotowand erzählt von den grauhaarigen Hausbesetzern.

Ingrid Roland, 85 J. Malgruppe (Quelle: rbb/Stephan Ozsváth)
Rentnerin Ingrid Roland | Bild: rbb/Stephan Ozsváth

"Demokratielabor": Junge sollen von Alten lernen

Pankows Sozialstadträtin Cordelia Koch will die Geschichte des Hauses nutzbar machen, Junge sollen in einem "Demokratielabor" von den Alten lernen – auch dass Stasi-Chef Erich Mielke das Haus einmal bewohnte, soll eine Rolle spielen. "Die Aufgabe ist, eine generationenübergreifende Einrichtung zu schaffen", sagt die Grünen-Politikerin.

In den kommenden drei Jahren wollen Bezirk, Träger und Förderverein "Stille Straße 10" ein Konzept erarbeiten. Sozialstadträtin wie Volkssolidarität gehen davon aus, dass das Haus über die drei Jahre hinaus Bestand haben wird. "Wir sind erleichtert", sagt Eveline Lämmer, Sprecherin des Fördervereins. Sie blicke optimistisch in die Zukunft. "Wenn man zehn Jahre lang gekämpft hat, ist das ein gutes Ergebnis, zu hören, dass es einen Bedarf im Bezirk gibt."

Stille Straße 10 (Quelle: rbb/Stephan Ozsváth)
Bild: rbb/Stephan Ozsváth

30.000 Euro Betriebskosten pro Jahr

Sozialstadträtin Koch betont, die Bewohner von Pankow würden immer älter, eine solche Begegnungsstätte sei daher nötig. Sie erhofft sich von ihrem "Demokratielabor" Resonanz über die Bezirksgrenzen hinaus.

Ab dem 1. März zieht ein Verwaltungslotse für Sozialberatungen ins Haus ein, in dem bisher Kurse, Lesungen, Vorträge oder Konzerte stattfinden. Pro Jahr verschlingt das fast 100 Jahre alte Haus bis zu 30.000 Euro Betriebskosten, rechnet die Volkssolidarität vor. Wieviel Investitionen in die Zukunft nötig sein werden, soll ein Baugutachten ermitteln.

Sendung: rbb24 Inforadio, 09.02.2023, 17 Uhr

Beitrag von Stephan Ozsváth

10 Kommentare

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  1. 10.

    Ich verstehe dieses ganze Hin-und-Her überhaupt nicht.
    9-Euro-Ticket, kostenloses Schulessen, Schwimmhalle kostenlos usw. - was gibt es nicht alles in dieser Stadt zum Nulltarif bzw. für sehr, sehr kleines Geld.
    Und bei einem Treff für Senioren mit 30.000 Euro im Jahr wird herumpalavert?
    Auch wenn's 100.000 wäre, für solche Einrichtungen MUSS eine Finanzierung gesichert sein ... und nicht nur von Jahr zu Jahr.

  2. 9.

    30000 Euro Betriebskosten sind übrigens viel, wenn dann noch nicht die Heizkosten inbegriffen sind.

  3. 8.

    30 000 € Betriebskosten jährlich für ein Haus?
    Ich wohne in meinem eigenen Haus ..... und würde mir gern mal erklären lassen, was an diesem Haus so teuer ist.
    Ansonsten ist es eher irritierend, daß so eine Amtsposse überhaupt nötig ist.
    Man kann die Geschichte aus andersrum erzählen: 10 Jahre lang hat es die Stadtverwaltung nicht geschafft, ein Seniorenzentrum legal stattfinden zu lassen. Und nun will die zuständige Stadträtin offenbar noch gelobt werden, daß sie endlich ihre Arbeit macht?

  4. 6.

    Ich habe volles Verständnis für die Besetzung und möchte den Betroffenen als geborener Pankower, weiterhin Mut und Durchhaltevermögen wünschen. Leider wird in diesem Land viel zu wenig für die „Alten“ und den Kindern getan.

  5. 5.

    Das heißt, Sie haben grundsätzlich nichts gegen Hausbesetzer, solange diese anständig hausen?

  6. 4.

    Eine tolle Errungenschaft, die zeigt, dass Besetzungen ein legitimes, demokratisches Mittel sind. Die fragwürdige, sehr negative Formulierung, das Haus „verschlinge“ pro Jahr 30000€ hinterlässt jedoch einen unguten Geschmack. Muss das sein? Gehts nicht etwas neutraler?

  7. 3.

    30 k Betriebskosten pro Jahr?
    Das geht doch noch!
    Ich denke, richtige Infrastruktur für Ältere ist wesentlich teurer.

  8. 2.

    Das sind Hausbesetzer welche mir wesentlich angenehmer sind als die welche auf gelben Matratzen in zugemüllten Zimmern in FHain geschlafen haben.

  9. 1.

    Bin nach wie vor Fan von den Besetzern. So will ich im Alter auch noch drauf sein...

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