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Video: rbb|24 | 18.06.2023 | Material: rbb24 Brandenburg aktuell, Super.Markt | Quelle: dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Artenschutz für Kiebitze

Personenschutz für seltene Vögel

Kiebitze in Brandenburg kämpfen ums Überleben, denn Waschbären, Füchse und Marderhunde plündern ihre Nester. Weil Kiebitze am Boden brüten, sind ihre Eier leichte Beute. Naturschützer reagieren mit einer Notmaßnahme. Von Wolfgang Albus

Das Westhavelland ist über die Grenzen Deutschlands als Vogelparadies bekannt, vor allem als Rastplatz der Kraniche während des Vogelzugs. Ranger Thomas Klinner von der Naturwacht Brandenburg ist fast täglich in dieser Landschaft unterwegs und bemerkt, dass sogenannte Bodenbrüter kaum noch anzutreffen sind. Nesträuber haben sich in den vergangenen Jahren rasant vermehrt.

Waschbär und Fuchs gefährlicher als Greifvögel

Der Fuchs breitet sich aus, seit die Tollwut zurückgedrängt wurde. Hinzugekommen ist der Waschbär. Das niedliche Tier stammt ursprünglich aus Nordamerika und ist um 1945 unter anderem aus Pelztierfarmen in Brandenburg entkommen. Nun stellt er für den Nachwuchs der Kiebitze eine tödliche Gefahr dar. Während Kiebitze ihr Nest sogar gegen Greifvögel verteidigen können, sind sie in diesem Fall machtlos.

Quelle: rbb

Elektrozaun gegen Räuber

Die Naturwacht unternimmt nun im Westhavelland einen fast verzweifelten Versuch, um die letzten Kiebitze zu schützen. Gemeinsam mit Vogelexperten wie Peter Haase hat sie einige beliebte Brutflächen der Kiebitze identifiziert. Es handelt sich um landwirtschaftliche Flächen, die nun mit Elektrozäunen geschützt werden. Eine Sisyphos-Arbeit. Wenn der Zaun erst einmal steht, muss täglich kontrolliert werden, ob er Strom führt. Und wenn das Gras unter dem Zaun zu hoch wächst, muss er für die notwendigen Mäharbeiten von Hand versetzt werden.

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Thomas Klinner beschreibt plastisch, dass es sich beim Kiebitzschwund um ein neues Phänomen handelt. In den 1970er Jahren habe es sogar Menschen gegeben, die Kiebitzeier gesammelt und körbeweise mit nach Hause genommen hätten. Das habe den Bestand nicht gefährdet. "Es war in Ordnung, weil es einfach genug gab", sagt Klinner. "Wenn man heutzutage einen Korb Kiebitzeier mitnimmt, dann war es das. Dann gibt es keinen Kiebitz mehr hier bei uns im Havelland."

Der Elektrozaun scheint sich als Notmaßnahme zu bewähren. In der eingezäunten Fläche haben sich im Mai tatsächlich Kiebitze angesiedelt. Thomas Klinner untersucht vorsichtig die Nester und stellt fest, dass die Eier erfolgreich bebrütet wurden. Angesichts einer Fläche von gut 15 Hektar ist die Fläche kaum mehr als eine kleine Arche. Selbst eine zehnfache Größe könnte den Bestand kaum stabilisieren.

Mit dem Ranger im Westhavelland

Im Herbst freut sich der Ornithologe Thomas Klinner vor allem auf ein Spektakel. Bis zu 40.000 Zugvögel machen Rast am Gülper See im Naturpark Westhavelland. Gänse und Kraniche fliegen ein und sammeln sich auf dem großen Schlafgewässer.

Jagd: aufwändig und nur unter Auflagen

Da es diese Probleme nicht nur in Brandenburg gibt, wünscht Klinner sich eine bessere Koordination und Erforschung möglicher Schutzmaßnahmen, wie er sagt. Eine Lösung würde direkt an der Ursache ansetzen: die Jagd. Füchse oder Waschbären abzuschießen, gilt aber als wenig populär. Die Jäger kommen dieser Aufgabe zwar nach, angesichts des fast vollständigen Verschwindens der Bodenbrüter reicht das aber offenbar nicht aus.

Thomas Klinner bringt daher eine weitere Variante ins Spiel: "Wir brauchen Berufsjäger, die sich wirklich nur damit beschäftigen, weil das von privaten Hobby-Jägern einfach zeitlich gar nicht leistbar ist."

Quelle: rbb

Die Jagd ist auch deshalb aufwändig, weil die scheuen Tiere oft nur mit Fallen erlegt werden können. Da kommt der Tierschutz ins Spiel: Fallen müssen Tiere entweder unversehrt lebend fangen oder das Tier sofort töten. Das setzt Erfahrung und die entsprechende Technik voraus.

Vogelschützer Peter Haase verweist darauf, dass zu DDR-Zeiten die Jagd auf Beutegreifer erfolgreicher gewesen sei. Nicht nur die Bejagung des Waschbären müsse verstärkt werden, auch der Fuchs sei ein immer größeres Problem. Dabei hält er auch Abschuss-Prämien für einen erfolgversprechenden Weg.

Der Nabu hat noch einen Rat für alle, die in der Natur unterwegs sind. Um den bedrohten Bodenbrütern während der Brutzeit (ab März) möglichst viel Ruhe zu gönnen, sollten Spaziergänger und Hobbysportler Wege nicht verlassen und Hunde an einer Leine geführt werden.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 01.06.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Wolfgang Albus

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