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Quelle: imago images/S. Zeitz

Trotz hoher Priorität

Auf der Suche nach einem Corona-Impftermin in Berlin

Die Freude über meine Impfeinladung war schnell verflogen. Trotz "hoher Priorität" kann ich frühestens Ende Juni mit einer Corona-Schutzimpfung rechnen. Da helfen selbst die Tricks als gelernter Berliner nicht weiter. Ein persönlicher Erfahrungsbericht von Dominik Wurnig

Zwölf Großbuchstaben und Ziffern. Lange habe ich auf diesen Code gewartet. "Sie sind berechtigt, mit hoher Priorität eine Corona-Schutzimpfung zu erhalten", steht auf der Impfeinladung der Senatsverwaltung für Gesundheit. Meine Freude ist groß.

Endlich kann ich gegen SARS-CoV-2 geimpft werden. Meine Frau ist schwanger und gehört damit zu den Hochrisikogruppen. Denn eine Corona-Erkrankung erhöht massiv das Risiko für Frühgeburt, Schwangerschaftsvergiftung oder Schwangerschaftsdiabetes [aerzteblatt.de]. Da Schwangere nicht gegen Corona geimpft werden können, wird eine Ringimmunisierung versucht, in dem zwei nahestehende Kontaktpersonen in der Prioritätsgruppe 2 ein Impfangebot erhalten.

Soweit die Theorie.

In der Praxis ist die Impfeinladung für mich aber relativ wertlos und eine Schimäre. Als ich einen Impftermin ausmachen will, verfliegt das Hochgefühl. Für mich als Mitte Dreißigjährigen gibt es freie Termine mit Biontech/Pfizer oder Moderna in den Berliner Impfzentren erst wieder Ende Juni – in 70 Tagen.

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Kampf um jeden Stich

"First-World-Problem"

Ich beklage mich nicht. Meiner Familie geht es gut und es geht hier sprichwörtlich um ein "First-World-Problem". Wir sind gesund, haben Jobs und können uns ganz gut vor Corona schützen. Während wir über die richtige Organisation der Corona-Impfung debattieren, ist in zahlreichen Ländern die Impfkampagne [tagesschau.de] noch nicht mal angelaufen.

Allerdings handelt es sich um ein "First-World-Problem", das bis zu 400.000 Berlinerinnen und Berliner betrifft, die im letzten Monat eine Impfeinladung erhalten haben. Natürlich will auch ich möglichst bald geimpft sein. Es ist ein hausgemachtes Problem der Berliner Gesundheitspolitik.

Jede Hausarztpraxis organisiert die Impfungen anders - über Bekannte erfahre ich sogar von Praxen, die jüngere Patienten einfach so impfen, weil gerade noch Impfstoff übrig ist. Die Kassenärztliche Vereinigung lässt das Land Berlin bei den Impfzentren hängen und die auf Korrektheit bedachte Bürokratie verlangsamt das System. Dass die Astrazeneca-Vakzine nun nur noch Patienten über 60 verabreicht wird, macht die Lage für alle anderen schwieriger. Als Journalist berichte ich darüber.

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Fast wie bei der Kita-Platz-Suche

Gemeinsam mit Hundertausenden Berlinern versuche ich einen Impftermin zu ergattern. Da ich bereits durch das Stahlbad Wohnungsanmeldung, Kita-Platz-Suche und Kfz-Zulassung gegangen bin, weiß ich, dass viele Wege nach Rom führen, aber nie der Einfachste.

Bei der Plattform Doctolib poppen ab und zu frühere Termin auf. Vermutlich weil jemand seinen Termin abgesagt hat. Sobald man sie anklickt, sind sie auch schon wieder vergeben. Eine Bekannte versucht erfolglos parallel auf zwei Computern mit LAN-Internetkabel einen Tag lang so einen früheren Termin zu ergattern.

Auf der Onlineplattform Reddit lese ich, dass wie beim Bürgeramt, immer um 6:30 Uhr Termine freigeschaltet werden. Doch meine morgendliche Computer-Session verhilft mir nicht zu einem früheren Impftermin. Auch bringt es nichts, sich nachts um drei Uhr – mit Kleinkind ist man ja Nachtarbeit gewohnt – bei Doctolib einzuloggen.

Ich fühle mich wie eine Katze, die versucht den roten Punkt eines Laserpointers zu fangen.

Auch die nette Frau am anderen Ende der Impfhotline wirkt ein wenig desperat: "Wir können auch nur bei Doctolib klicken", sagt sie. Neue Termine gäbe es erst wieder bei neuen Lieferungen. Sie gibt mir den Rat mich bei meinem Hausarzt auf die Warteliste schreiben zu lassen und parallel einen Impftermin im Impfzentrum auszumachen. "Aber bitte dann wieder absagen, wenn sie geimpft werden", sagt sie mir noch. Das werde ich natürlich machen – aber schon jetzt ist absehbar, dass mit dieser Methode viele Termine ungenutzt verstreichen werden.

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Beim Hausarzt dann im August

Bei meinem Hausarzt wirkt man nicht wirklich erfreut über meinen Anruf. "Jetzt werden erstmal die 80- und 90-jährigen geimpft, die noch keine Impfeinladung erhalten haben", sagt die Sprechstundenhilfe am Telefon. In der Praxis würde ich wohl erst im August drankommen.

Mir bleibt die Hoffnung, dass die Impfungen aus irgendeinem Grund doch noch mehr Fahrt aufnehmen. "Das muss doch schneller werden", denke ich mir während ich mal wieder die freien Termine im Internet checke. Irgendwann müssen die über 60 Millionen Dosen doch eintreffen, die das Bundesgesundheitsministerium noch vor dem Impftermin im Juni erwartet [bundesgesundheitsministerium.de].

So viel zu hoher Priorität. Zum Glück ist das erhöhte Corona-Risiko für meine Frau bald überstanden. Der errechnete Geburtstermin ist der 30. April. Ich beschließe noch keinen Termin zu buchen - überraschenderweise gilt mein Code auch noch, wenn die Schwangerschaft vorbei ist.

Beitrag von Dominik Wurnig

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