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Audio: Inforadio | 13.01.2022 | Hannah Grünewald | Quelle: dpa/Schoening

Corona-Fälle in Tegel

Lockdown im Gefängnis aufgehoben

Nach Corona-Ausbrüchen in der JVA in Tegel mussten etwa 260 Insassen in Einzel-Isolation. Der Lockdown ist jetzt zwar aufgehoben. Psychisch belastend war es trotzdem für alle Beteiligten. Von Hannah Grünewald

Andreas Bach hat den Lockdown im Gefängnis selbst miterlebt: Er ist Inhaftierter in Tegel und arbeitet als Redakteur für das Gefangenmagazin "Lichtblick". Eine psychisch belastende Zeit sei die Isolation gewesen, sagt Bach. Insbesondere, weil der Lockdown im Gefängnis mit den Weihnachtsfeiertagen und dem Jahreswechsel zusammenfiel. "In dieser Zeit ist es dazu gekommen, dass einige Inhaftierte dann völlig von ihren Familien abgekoppelt waren", sagt Bach.

Mitte Dezember wurden in drei Teilanstalten des Gefängnisses in Tegel Corona-Fälle nachgewiesen. Erst isolierte man die einzelnen Anstalten voneinander, dann wurde auch die Bewegungsfreiheit der Inhaftierten beschränkt. Anfänglich durften die Inhaftierten in festen Gruppen, sogenannten Kohorten, Zeit verbringen. Nach erneuten Testungen und weiteren Corona-Infektionen wurde dann die Einzel-Isolation verstärkt. Das bedeutete für die Inhaftierten: keine Besuche, kaum Telefonate, nur zweimal am Tag Zellenaufschluss.

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Situation für betroffene Inhaftierte belastend

Auch Gefängnis-Seelsorgerin Christina Ostrick weiß, wie belastend die Situation für die betroffenen Inhaftierten ist. Sie begleitet die Häftlinge in Tegel durch die Corona-Pandemie. Für viele sei Corona lange Zeit weit entfernt gewesen, sagt Ostrick. Mit dem Ausbruch im Gefängnis im Dezember sei die Pandemie aber für viele spürbar geworden - und mit ihr auch die zusätzlichen Einschränkungen.

"Die Isolation bringt einige an den Rand ihrer psychischen Belastbarkeit", sagt Ostrick. Folgen: gegen Wände treten, schreien, zerstören von persönlichen Gegenständen. Ein Inhaftierter sei während der Isolation am Ende seiner Kraft gewesen und habe von Vollzugsbeamt:innen ein Handy bekommen, um mit der Seelsorgerin zu kommunizieren. Eine Praxis, die vor der Corona-Pandemie nicht möglich gewesen wäre.

Coronaschutzmaßnahmen werden immer wieder überprüft

Die Eindämmung der Pandemie sei eine komplizierte Aufgabe, die den Gefangenen viel abverlange, gibt die zuständige Abteilungsleiterin der Senatsverwaltung für Justiz, Susanne Gerlach zu. Bei allen Maßnahmen halte die JVA Tegel Rücksprache mit dem Gesundheitsamt Reinickendorf - auch um zu prüfen, ob die Maßnahmen noch erforderlich sind.

Gerlach spricht beim Pandemieschutz in den Anstalten von einem Spannungsverhältnis: "Wir müssen einerseits sehen, dass die Gefangenen Rechte haben, dass wir sie resozialisieren müssen, dass wir unsere gesetzlichen Aufgaben erfüllen wollen und müssen, - und andererseits immer wieder punktuell Dinge nicht so machen können, wie in normalen Zeiten."

Laut Gerlach haben sich seit Mitte Dezember 28 inhaftierte Personen mit dem Coronavirus im Gefängnis in Tegel infiziert. Der Großteil von ihnen ist genesen und aus der Quarantäne entlassen. Auch für die Inhaftierten der betroffenen Teilanstalten wurde die Einzel-Isolation am 10. Januar beendet. Nach aktuellem Stand sind derzeit noch drei Häftlinge am Coronavirus erkrankt. Einer von ihnen befindet sich in einem externen Krankenhaus.

Gerlach zieht trotz des Corona-Ausbruchs in Tegel Mitte Dezember eine positive Bilanz. In Berlins Gefängnissen seien seit Ausbruch der Pandemie 256 Häftlinge an Corona erkrankt, bei etwa 3.500 Inhaftierten insgesamt. "Auch wenn jede Infektion eine zu viel ist, meine ich doch, dass diese Herausforderung vor allem durch das tolle Engagement der Kolleginnen und Kollegen vor Ort insgesamt gut bewältigt worden ist."

Kritik an Vollzugsbeamt:innen

Der Inhaftierte Andreas Bach kritisiert hingegen das Verhalten einiger Vollzugsbeamt:innen. Diese hielten sich, so Bachs Schilderungen, oft nicht an die Maskenpflicht oder den Mindestabstand. Susanne Gerlach von der Berliner Justizsenatsverwaltung hält das Missachten der Schutzmaßnahmen bei Beamt:innen hingegen für Einzelfälle. Die Vorgesetzen seien angehalten, ihre Mitarbeitenden immer wieder auf die Pandemie-Schutzmaßnahmen aufmerksam zu machen.

Besondere Herausforderung

Beengte Lebensverhältnisse, viele Menschen unter einem Dach: Corona ganz aus den Gefängnissen zu halten sei schwierig, sagt Susanne Gerlach von der Justizsenatsverwaltung. Wer das Gefängnis betritt, muss sich an die 3G-Regel halten. Und auch bei Aktivitäten innerhalb der Anstalt, wie zum Beispiel dem Gottesdienst, müssen Impf-, Genesungs- oder Teststatus mitgeteilt werden.

Außerdem setzt man auch im Gefängnis weiterhin verstärkt auf die Impfung, nicht nur bei dem Personal, sondern auch bei den Inhaftierten. Noch gibt es keine belastbaren Zahlen, wie hoch die Impfquote bei den Inhaftierten ist. Bei den Mitarbeitenden liegt sie laut Susanne Gerlach bei über 80 Prozent.

Sendung: Inforadio, 13.01.2022, 18:25 Uhr

Beitrag von Hannah Grünewald

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