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Sondersitzung des Abgeordnetenhauses

Berliner Koalition beschließt Amri-Untersuchungsausschuss

R2G hat sich nach Monaten auf einen Untersuchungssausschuss im Fall Amri geeinigt. Fehler der Sicherheitsbehörden sollen aufgeklärt werden und die Frage, ob beim Berliner LKA alles rund läuft. Dort soll zudem eine Task-Force die Aktenmanipulation aufklären.

Die Berliner Regierungsfraktionen von SPD, Linke und Grüne haben sich am Montag darauf geeinigt, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzurichten. Dieser soll Behördenfehler im Fall des Attentäters Anis Amri aufarbeiten.

Zur Begründung teilten die Franktionsvorsitzenden mit, die Arbeit des Sonderermittlers Bruno Jost habe "gravierende Einzelfehler der Sicherheitsbehörden" aufgezeigt. Damit würden "strukturelle Fragen des Berliner LKA und unserer gesamten Sicherheitsarchitektur" aufgeworfen, die einer Klärung bedürften. In der gemeinsamen Mitteilung der Fraktionen hieß es weiter, der Ausschuss könne seine "Arbeit auf der Basis des Zwischenberichts des Sonderermittlers nach dem 3. Juli aufnehmen."

Sonderermittler Bruno Jost | Quelle: dpa-Zentralbild

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Burkard Dregger, begrüßte den Beschluss. Die Sondersitzung des Innenausschusses habe "mehr Fragen aufgeworfen, als dass sie Antworten geben konnte", es mangele an versprochener Transparenz, teilte Dregger mit. Die CDU-Fraktion werde die Einrichtung des Untersuchungsausschusses unterstüzen und wolle den Vorsitz für sich beanspruchen.

Auch die Berliner Fraktionen von FDP und AfD begrüßten den Beschluss, einen Untersuchungsausschuss einzurichten. Die AfD verwies auf Twitter darauf, bereits seit Monaten einen U-Ausschuss gefordert zu haben. Die FDP-Fraktion twitterte, sie begrüße sehr, dass R2G nun ihrer Forderung nachkomme.

Geisel: Warum wurde Amri nicht festgenommen?

Der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses hatte sich am Montag in einer Sondersitzung mit der mutmaßlichen Aktenmanipulation durch Beamte des Landeskriminalamts beschäftigt. Sie sollen versucht haben, Fehler im Fall Amri zu vertuschen. Innensenator Andreas Geisel (SPD) verteidigte sein Vorgehen in dem Fall, insbesondere die von ihm veranlassten Ermittlungen gegen Polizeibeamte.

In der rbb-Abendschau äußerte Geisel sein Unverständis darüber warum Amri nicht bereits im November 2016 als Drogendealer aus dem Verkehr gezogen wurde. Aus der Überwachung der Telekommunikation sei hervorgegangen, dass Amri gewerbsmäßig mit Drogen gehandelt habe, sagte Geisel. Darauf stehe eine Mindesstrafe von einem Jahr. Gleichzeitig sprach Geisel der Polizei sein Vertrauen aus. "Wir können einer Behörde nur vertrauen, wenn sie bereit ist, konsequent in den eigenen Reihen zu ermitteln. Das tut die Berliner Polizei."

Zur weiteren Aufklärung wird eine Task Force im Landeskriminalamt eingerichtet. 14 Beamte würden "jeden Stein, jedes Blatt, jede Datei" nach dem Vier-Augen-Prinzip umdrehen, kündigte Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) an. Erforderlich sei ein "Abgleich mit bisherigen Erkenntnissen". Unterstützt werden soll der schon vor einiger Zeit eingesetzte Sonderermittler des rot-rot-grünen Senats, Bruno Jost.

Tas: "Massiver Sicherheitsskandal"

Der innenpolitische Sprecher der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, Hakan Tas, hatte im Vorfeld der Sitzung von einem "massiven Sicherheitsskandal" im Fall Anis Amri gesprochen. Für diesen seien Führungspannen bei der Berliner Polizei, dem LKA sowie beim früheren Innensenator Frank Henkel (CDU) verantwortlich, sagte Tas der rbb-Hörfunkwelle radioeins.

Mit rückwirkend manipulierten Akten sollte der spätere Attentäter Amri als unwichtiger Kleinkrimineller präsentiert werden, so Tas. Dabei sei den Sicherheitsbehörden sehr wohl bekannt gewesen, dass Amri als Schwerstkrimineller unterwegs gewesen sei. Er hätte deshalb schon im November festgenommen werden können. Dann wäre es nicht zu dem Attentat auf dem Breitscheidplatz im Dezember gekommen.

Die Polizei, das LKA und der frühere Innensenator Henkel müssten sich nun fragen lassen, wie es so weit kommen konnte und warum derartige Vorgänge nicht aufgefallen seien, kritisierte Tas.

Zugleich lobte Tas die Arbeit des Sonderermittlers Bruno Jost und des derzeitigen Innensenators Andreas Geisel (SPD). Die Entscheidung, einen Sonderermittler in Berlin einzusetzen, sei richtig gewesen. Ob man einen Untersuchungsausschuss einsetze, müsse man auf der Grundlage der Ermittlungsergebnisse von Jost entscheiden.

Sieht bestehende Kontrollinstanzen zunächst als ausreichend an: Frank Zimmermann (SPD) | Quelle: dpa-Zentralbild

SPD hatte zuvor Untersuchungsausschuss abgelehnt

Zuvor hatte der Innenexperte der SPD, Frank Zimmermann, bei der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss im Fall Amri Zurückhaltung angemahnt. Noch am Montag sagte er dem rbb-Inforadio, es stehe noch nicht fest, ob ein Untersuchungsausschuss erforderlich sei.

Im Moment arbeiteten alle Kontrollinstanzen mit Hochdruck, sagte Zimmermann: die ministerielle Aufsicht, die Staatsanwaltschaft sowie der Sonderbeauftragte des Senats, der volle Einsicht in Akten und Daten habe. Zudem erhalte der Innenausschuss - das zuständige Kontrollorgan des Parlaments - einen aktuellen Bericht über den Stand der Ermittlungen. "Dieses Verfahren ist so schnell, wie ein Untersuchungsausschuss gar nicht schnell sein kann", sagte der Innenexperte. "Wir werden sehen, inwieweit wir mit den bisherigen Instrumenten zu einer vollständigen Aufklärung kommen, oder ob ein Untersuchungsausschuss erforderlich sein wird."

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Ausmaß des Drogenhandels gezielt verschleiert?

Am Wochenende war bekannt geworden, dass es neben den Hinweisen auf veränderte Telefonprotokolle auch Hinweise auf gelöschte Namen aus Amris Umfeld im Drogenmillieu gibt. "Damit verfestigt sich der Eindruck, dass es sich bei den ersten Löschungsversuchen nicht um Zufall handelt", hatte der Innensenator der "Berliner Morgenpost" gesagt. Möglicherweise sei damit versucht worden, das Ausmaß des Drogenhandels von Anis Amri zu verharmlosen und Fehler zu vertuschen, sagte ein Sprecher der Innenverwaltung der Deutschen Presse-Agentur.

Nach Angaben des Senators von vergangener Woche hatten Beamte den Tunesier Amri in einem Vermerk vom 1. November 2016 als aktiven und gewerbsmäßigen Drogenhändler eingestuft. Laut Geisel hätte der Bericht ausgereicht, um Amri zu verhaften. Doch der Bericht wurde nicht weitergeleitet.

Im Januar dann, also vier Wochen nach dem Terroranschlag, sei ein neues Dokument mit einem gekürzten und veränderten Text erstellt worden, so der Senator. Darin hieß es, Amri habe nur "möglicherweise Kleinsthandel" mit Drogen betrieben. Dieses Dokument sei auf den 1. November rückdatiert worden.

NRW setzte zuerst U-Ausschuss ein

Der Tunesier Amri hatte am 19. Dezember einen polnischen Lastwagen gekapert und war damit auf dem Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche in die Menschenmenge gerast. Zwölf Menschen starben, 67 wurden verletzt. Seit April überprüft der Sonderermittler Jost den Umgang der Behörden mit dem Fall Amri. Nordrhein-Westfalen hat bereits einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Das Bundesland war einer der Hauptaufenthaltsorte Amris.

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