Linke verliert Bundestagsabgeordnete - Wagenknecht beginnt mit Gründung eigener Partei

Mo 23.10.23 | 13:14 Uhr
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23.10.2023, Berlin: Die Politikerin Sahra Wagenknecht spricht während der Pressekonferenz zur Gründung des Vereins "Bündnis Sahra Wagenknecht - Für Vernunft und Gerechtigkeit".(Quelle:dpa/S.Stache)
Audio: rbb24 Inforadio | 23.10.2023 | Christopher Jähnert | Bild: dpa/S.Stache

Jahrzehntelang war sie in der Linken, jetzt geht Sahra Wagenknecht ihren eigenen Weg. Dafür bereitet sie mit weiteren Bundestagsabgeordneten und dem Verein "Bündnis Sahra Wagenknecht" die Gründung einer eigenen Partei vor.

Die bisherige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hat offiziell mit der Gründung ihrer eigenen Partei begonnen. Der Verein "Bündnis Sahra Wagenknecht - Für Vernunft und Gerechtigkeit" wurde gegründet, um eine neue Partei vorzubereiten", hieß es in einer am Montag in Berlin verteilten Erklärung.

Die Ampel-Regierung sei trotz zahlreicher Krisen in der Welt planlos, und Deutschland habe eine absurd schlechte Infrastruktur, sagte Wagenknecht in einer Pressekonferenz am Montag. "So wie es derzeit läuft, darf es nicht weitergehen." Deutschland drohe ein Wohlstandsverlust. Das Land müsse weg von einem blinden Öko-Kurs, der Mindestlohn müsse deutlich angehoben werden.

Zehn Abgeordnete verlassen Partei - Verbleib in Fraktion noch unklar

Wagenknecht hat zusammen mit den Bundestagsabgeordneten Amira Mohamed Ali und Christian Leye sowie dem Unternehmer Ralph Suikat und dem ehemaligen Geschäftsführer der Linken in Nordrhein-Westfalen, Lukas Schön, einen Verein ins Leben gerufen, um eine Parteigründung vorzubereiten. Experten trauen ihr zu, einen größeren Teil an Nicht- und Protestwählern auf sich zu vereinen.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch hat den Parteiaustritt von Sahra Wagenknecht und neun weiteren Abgeordneten als "unverantwortlich und inakzeptabel" kritisiert. Bartsch bestätigte am Montag, dass die zehn betroffenen Abgeordneten trotz ihres Parteiaustritts einen Antrag auf Verbleib in der Linksfraktion gestellt hätten. "Unsere Fraktion wird souverän und in großer Ruhe darüber entscheiden", kündigte Bartsch an.

Die Fraktion hat nur 38 Abgeordnete. Wenn mehr als zwei von ihnen austreten oder ausgeschlossen werden, verliert sie den Fraktionsstatus und kann nur noch als Gruppe weitermachen. Dies bedeutet neben weniger Rechten im parlamentarischen Betrieb auch den Verlust bedeutender Mittel der Bundestagsverwaltung, insbesondere für die Anstellung von Mitarbeitern.

Die Linke-Parteispitze will gegen die Wagenknecht-Mitstreiter vorgehen. Parteichef Martin Schirdewan hatte am Sonntag all jenen Mitgliedern mit Parteiausschluss gedroht, die sich Wagenknechts Verein anschließen wollen.

23.10.2023, Berlin: Die Vorstandsmitglieder des Vereins "Bündnis Sahra Wagenknecht - Für Vernunft und Gerechtigkeit" Lukas Schön (l-r), Amira Mohamed Ali, Sarah Wagenknecht, Ralf Suikat und Christian Leye stehen vor der Pressekonferenz zur Gründung des Vereins nebeneinander.(Quelle:dpa/S.Stache) Die Vorstandsmitglieder des Vereins "Bündnis Sahra Wagenknecht - Für Vernunft und Gerechtigkeit" Lukas Schön (l-r), Amira Mohamed Ali, Sahra Wagenknecht, Ralf Suikat und Christian Leye stehen vor der Pressekonferenz zur Gründung des Vereins am 23.10.2023 nebeneinander.

Insa: 27 Prozent können sich vorstellen, Wagenknecht-Partei zu wählen

Die bisherige Co-Fraktionschefin der Linken, Amira Mohamed Ali, sagte, die Gruppe sei bereits aus der Linkspartei ausgetreten. "Diese Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen." Die Linke habe trotz immer neuer Wahlniederlagen ihren Kurs nicht korrigiert und sei auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit. Viele Menschen hätten das Vertrauen in die Politik verloren.

Mohammed Ali erklärte, dass viele Menschen sich nicht von den bestehenden Parteien vertreten fühlen. "Wir wollen die bestehende Lücke im deutschen Parteiensystem schließen und eine Partei gründen, die für wirtschaftliche Vernunft, soziale Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit einsteht."

Einer Insa-Umfrage für "Bild am Sonntag" zufolge könnten sich 27 Prozent der Befragten in Deutschland vorstellen, eine Wagenknecht-Partei zu wählen.

Partei soll bei ostdeutschen Landtagswahlen antreten

Mit ihrer neuen Partei will Wagenknecht möglichst bei den drei ostdeutschen Landtagswahlen kommendes Jahr antreten. "Wir streben an, in den drei Bundesländern zu kandidieren, aber ob wir es wirklich in allen dreien schaffen, wird natürlich davon abhängen, wie sind die Landesverbände bis dahin aufgestellt, welche Kandidaten haben wir vor Ort", sagte die 54-Jährige am Montag in Berlin. Sie betonte, dass die Entscheidung letztlich bei der neu zu gründenden Partei liege.

Kommendes Jahr werden in Thüringen, Sachsen und Brandenburg Landtage gewählt. In Thüringen hätte eine Wagenknecht-Partei einer Insa-Umfrage vom Juli zufolge Potenzial, stärkste Kraft im Freistaat zu werden - vor allem auf Kosten der AfD und der Linken.

Die Brandenburger AfD befürchtet nach der angekündigten Neugründung Stimmenverluste bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland kommendes Jahr. Wagenknecht setze auf eine Spaltung der Opposition, kritisierte die AfD-Landesvorsitzende Birgit Bessin am Montag laut einer Mitteilung.

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.10.2023, 11:00 Uhr

152 Kommentare

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  1. 152.

    "...Wagenknecht setze auf eine Spaltung der Opposition, kritisierte die AfD-Landesvorsitzende Birgit Bessin am Montag laut einer Mitteilung...."
    Der war echt gut. Weiß Walter schon, dass er mit ihr zusammengearbeitet hat?

  2. 151.

    Ob Sarah Wagenknecht mit der neuen Partei wirklich den den großen Wurf landet - oder scheitert >> weiß man nach frühestens einem Jahr, von daher sind sämtliche Mutmaßungen und Votschussloorbeeren Kaffeesatzleserei.

  3. 150.

    Als die Linkspartei noch konsequente Arbeitnehmerpolitik gemacht hat, war sie auch in der Alt-BRD in den meisten Landtagen vertreten und kam selbst in Bayern auf 4,4%. Dann wollte Sie aber lieber in Konkurrenz zu den Grünen Hippe Großstadtpartei werden, was gründlich schief gegangen ist. Ihre klassische Wählerschaft hat sie nicht mehr vertreten und die Hippe Großstadtszene blieb lieber beim grünen Original. Das Resultat ist das parlamentarische Aus der Linkspartei.

  4. 149.

    Nur komisch, dass das Wagenknecht ausgerechnet 33 Jahre nach der Wende einfällt, wo ihr stalinistischer Stern neben dem „großen Sozialdemokrat“ Lafontaine längst in die Bedeutungslosigkeit versinkt. Klar zu Zeiten der PDS ohne Lafontaine Steigbügel wäre die Abspaltung auch purer Selbstmord.
    Dank der Flüchtlingspolitik und anderer aktueller Anlässe, kann man es auf Kosten der Linken vor den Wahlen nochmal richtig krachen lassen und sich ganz nebenbei der linken Bundestagsdiäten versichern.
    Offenbar lassen die demokratischen Parteien immer noch genügend Platz für solche Eintagsfliegen und Populisten wie Wagenknecht.
    Kapieren werden viele erst, wen sie da gewählt haben, wenn Wagenknechts Zaubervorstellung die Ernüchterung folgt, das Kind wieder in den Brunnen gefallen ist und alle erstaunt feststellen, dass auch Wagenknecht nur mit Wasser kochen kann.

  5. 148.

    "sich um Randgruppen zu kümmern als um die (ehemalige) Stammwählerschaft der Linken."

    Die Stammwählerschaft waren Ossis. Abgehängte bzw. sich abgehängt fühlende Ostdeutsche. Im Westen war doch die Linke bis aufs Saarland wenig erfolgreich bis kaum existent. Und nun gründet die "Saarländerin" Wagenknecht mit 9 Wessis eine neue Partei. Explizit ausgerichtet auf Wutbürger. Also ein Feld, was die AfD schon beackert.

  6. 147.

    Seit 30 Jahren erleben wir diese Politik. Sie können die Karten mischen wie sie wollen. Es ändert sich nichts, es wurde bisher immer schlimmer. Krieg, Sozialabbau,Finanzkrise, Umweltkrise , das ewige auf und ab des Kapitalismus.
    Perspektiven= 0 !
    Das wird die Sozialdemokratin Wagenknecht und ihr Team nicht ändern können. Sie kann aber mit ihrer offenen und ehrlichen Art Leuten Hoffnung geben, dass auch ihre Probleme mehr in den Focus rücken. Denke da an die Altersarmut .
    Sie kann Mut machen sich wieder stärker für den Frieden zu engagieren, und sollte sie genug Stimmen erhalten, auch eine selbständige Politik betreiben statt weiter das Anhängsel von Biden, Trump oder sonstwem zu sein.

  7. 146.

    Deswegen schrieb ich ja, ich hoffe, dass die Linke zu linken Inhalten zurückfindet. Meiner Meinung nach war das Grünaktionistischsonstwassige der verzweifelte Versuch, irgendwie der Zerstrittenheit der Partei gerecht zu werden und viele Meinungen abzubilden. Wenn nun ein Teil derjenigen, die sich in der Linken nicht mehr vertreten fühlen, die Partei verlässt, kann hoffentlich wieder zu politischer Arbeit statt Grabenkämpfen zurückgefunden werden. Ich sehe es mit Erleichterung, dass SW und einige andere "raus" sind. Klar gibt es jetzt erst mal Aufruhr in der Parteienlandschaft, aber ich denke, das legt sich bald. Übrigens, ich verstehe kein Englisch und weiß mit Ihrem Puddingspruch nichts anzufangen.

  8. 145.

    Jetzt schöpfe ich wieder Hiffnung.

  9. 144.

    Endlich. Es ist längst überfällig. Gut so!

  10. 143.

    Dafür, dass sie schon 54 ist, sieht sie noch verdammt gut aus. Sie strahlt Kraft und Zuversicht aus, auch auf dem letzten Bild im Beitrag. Eine gerade aufrechte Körperhaltung, die Energie und Überzeugung ausstrahlt.
    Ich könnte sie mir sogar als Kanzlerkandidatin vorstellen, auch wegen ihrer Ankündigung weg vom "blinden Öko-Kurs" zu gehen. Das sie einen Unternehmer im Team hat, werte ich als sehr klugen Schachzug und Signal an die Wirtschaft.
    Nachdem Mutti an Olaf übergeben hatte, könnte jetzt mal wieder eine Frau regieren.

  11. 141.

    Die Wagenknecht hat in einer Partei, die links sei möchte, teilweise sehr rechte und nationalistische Themen gespielt.
    Wagenknecht wird nicht nur Nicht-Wähler und ein paar wenige Linke ansprechen, sie wird insbesondere AfD-Wähler abholen.

    Kurzfristig trägt die Linke dadurch natürlich einen Schaden, langfristig kann es der Linken nur gut tun, auch wenn sie unzählige andere Probleme hat.

  12. 140.

    Ach je, lesen Sie die Inhalte des Gründungsaufrufes und des Austritts und schauen sich die Pressekonferenz an - jede Menge Inhalte. Und - nicht vergessen, lesen Sie ihre Bücher - noch mehr Inhalte. Und - die Website von SW - seit Jahren Inhalte über Inhalte inklusive Videos für nichtLesende.

  13. 139.

    Danke und Zustimmung, Sie ersparen mir einen langen Kommentar.
    Nun, die Reflexe sitzen, die Konditionierung greift, die jahrzehntealten Vorurteile werden blank geputzt und zur Not wird eben gedichtet und frei erfunden. Paßt leider so sehr in die heutige Art der 'Diskussionskultur', daß zu befürchten ist, daß die meisten den Gründungsaufruf oder die Begründung des Austritts vermutlich nicht einmal gelesen haben werden.
    Dann waren wären die meisten der wilden Spekulationen schlicht überflüssig.

  14. 138.

    Wie heißt es so schön: The proof of the pudding! Das wäre dann der 'Beweis' - also daß ohne die ach so böse SW nun die Linke aber Stimmen ohne Ende einfahren würde .. Wird sie aber nicht. Weil die Politik, die diese merkwürdige LINKE macht, den Namen links gar nicht verdient, denn sie wurde gekapert und macht irgendwiegrünaktionistischidentischgender Politik, vertrat verstörende Ansichten in den letzten drei Jahren und ist keine Friedenspartei mehr - und wurde dafür ja auch bei den Wahlen abgestraft. Die Linke wurde nur noch wegen SW und einigen weiteren Aufrechten gewählt!

  15. 137.

    Der Parteivorstand hat eine Blockadehaltung eingenommen. Ihm war es wichtiger, sich um Randgruppen zu kümmern als um die (ehemalige) Stammwählerschaft der Linken. Die Randgruppen wählen aber trotzdem lieber Grün. Das Ergebnis dieser fatalen Politik ist das parlamentarische Aus der Linkspartei. Mit einer neuen Partei um Sarah Wagenknecht kann es nur besser werden.

  16. 136.

    Altkader? Was reden Sie denn da? Sie durfte in der DDR nicht einmal studieren. Sie war 6 Monate Mitglied, März 1989 bis Ende Oktober 1989.
    Im Endstadium der DDR, mit Gorbatschow, 'Tauwetter' und Perestroika gab es für viele Menschen doch noch einmal Hoffnung, daß sich Veränderungen anstoßen und umsetzen ließen. Es gab durchaus sehr kritische Menschen, so auch Wagenknecht, die eine Änderung von innen heraus wollten.
    Wenn Sie diese Zeit nicht aus persönlicher Erfahrung vor Ort kennen sollten Sie mit Vor-Verurteilungen zurückhaltend sein. Die Welt und die Politik waren und sind nicht nur platt schwarz/weiß. Differenzierung ist die Grundlage jeder Analyse.

    Das Gründungsmanifest des Gründungsteams und die Austrittserklärung finde ich inhaltlich mit Abstand das Aufrichtigste und Klügste was ich in letzter Zeit aus einem Politikermund gehört habe.

  17. 135.

    >"Wir haben 2023, nur mal nebenbei.... Moin jesacht."
    Der war gut!
    ... auf den Kommentar [Grabowski] vom 23.10.2023 um 16:52

  18. 134.

    Wenn man das Positive sucht, dann, dass bei den kommenden Landtagswahlen im Osten, SPD und CDU nochmal mit einem blauen Auge davonkommen.
    Aber dann müsst ihr endlich raus aus der rumeierei. Denn noch eine Schonfrist wird’s nicht geben.

  19. 133.

    >"Bei Koalitionsverhandlungen werden Inhalte so verwässert das es der Bürger am Ende als "Einheitsbrei" empfindet."
    Dieses für Sie empfundene Verwässern ist Kompromissbereitschaft. Um so mehr Parteien sich in einer Koalition zusammenfinden wollen oder müssen, muss jede Partei immer auf die anderen einen oder zwei Schritte zukommen. Kompromissbereitschaft ist in der Politik immer wichtig, weil es 84 Mio Menschen betrifft, die alle unterschiedliche Vorstellungen oder Wünsche an die Politik haben. Wenn eine Partei die absolute Mehrheit hat, brauchts keine Kompromisse. Dann kann diese Partei vieles durchziehen im Sinne ihrer dann ja wohl überwiegend vielen Wähler. In unserem förderalen System mit Bundestag, Bundesrat und als letzte Stimme Bundespräsident ist ein Durchsetzen politischer Ziele selbst einer absoluten Mehrheitspartei auch mit Kompromissen verbunden. Inwieweit sich Sahra Wagenknecht mit ihrer Partei dort einordnen und durchsetzen kann, bleibt abzuwarten.

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