Medikamententests in der DDR
An bis zu 50.000 DDR-Patienten sind Tests westlicher Pharma-Unternehmen durchgeführt worden. Das Kapitel soll nun endlich aufgearbeitet werden. Der Ostbeauftragte des Bundes, Christoph Bergner, fordert, dass sich auch die Pharmaindustrie beteiligt.
Die Arzneimittelversuche westlicher Pharmafirmen in der DDR sollen wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Darüber herrscht Einigkeit, sogar Gelder dafür stehen bereit. Das Bundesinnenministerium hat entschieden, den Großteil dieser Studie zu finanzieren. Doch wer soll an der Studie beteiligt sein? Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Bergner (CDU), fordert, dass sich auch die Pharmaindustrie und die Standesorganisationen der Ärzte beteiligen.
50000 Menschen sollen in den 80er Jahren in der DDR für Arzneimittelversuche benutzt worden sein. Waren solche Testreihen in der DDR jemals ein Gesprächsthema?
Christoph Bergner: Nein. Was Thema war, war die Devisenknappheit, für die man die kuriosesten Klimmzüge gemacht hat. Und die Medikamentenknappheit. Und hier kann ich mir auch unterschiedliche Szenarien vorstellen, in der es eine besondere Bereitschaft gab, Medikamente zu testen. Das sind alles Dinge, die jetzt nicht mit vorurteilsgepägten Diskussionen erörtert werden dürfen. Gerade weil man hier auch ethische Untiefen und Ambivalenzen erwarten muss, wünsche ich mir, dass eine solche Aufarbeitung aus einer möglichst objektiven Perspektive geschehen muss, damit die Rolle der einzelnen Beteiligten entsprechend objektiv bewertet werden kann. Es nützt uns nicht, wenn jetzt schnell Personen an den Pranger gestellt werden, sondern ich möchte, dass das Ganze im Lichte auch der Wirklichkeit der medizinischen Versorgung der damaligen DDR geschieht.
Aber die Tatsache, dass diese Versuche nie Thema waren in der DDR, deutet doch eindeutig darauf hin, dass die Patienten nicht aufgeklärt und informiert wurden?
Das liegt sehr nahe. Wenn sich die Zahlen bestätigen, die beträchtlich sind, dann spricht sehr viel dafür, dass das Dinge sind, die im Geheimen verlaufen sind und die Probanden nicht wussten, dass sie in eine Untersuchung einbezogen sind. Aber darüber sollten wir jetzt nicht zuviel spekulieren. Wichtig ist, dass die Dinge untersucht und aufgeklärt werden.
Hätten nicht die Behörden im Westen oder zumindest die Pharmafirmen selbst überprüfen müssen, ob die vereinbarten Standards bei den Testreihen auch wirklich eingehalten werden?
Sofern es um die Zulassungsbehörden im Westen geht, die sich möglicherweise auf klinische Studien dieser Art berufen haben, wird man das im Lichte der Untersuchungen entscheiden können. Was per se nicht anrüchig ist, das will ich ausdrücklich sagen, ist, dass ein international agierendes Pharma-Unternehmen, das Produkte für den internationalen Markt herstellt, natürlich auch die Probanden nicht nur im eigenen Lande für klinische Untersuchungen sucht, sondern sie auch in anderen Staaten, und sei es im anderen deutschen Staat, in der Zeit der Teilung gesucht hat. Problematisch wird es dann, wenn die medizin-ethischen Grundregeln vorsätzlich missachtet wurden und wenn Risiken eingegangen wurden, die man unter anderen Umständen nicht eingegangen wäre. Diese Hinweise sind die eigentliche Beunruhigung an diesem Sachverhalt.
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