rbb24
  1. rbb|24
  2. Politik
Quelle: DPA/Kay Nietfeld

Impfungen in Arztpraxen

Amtsarzt fordert Überarbeitung von Berliner Impfkonzept

Zwei Covid-19-Impfstoffe sind in der EU zugelassen, doch sie müssen aufwändig transportiert und gelagert werden. Ein dritter könnte weitaus einfacher zu handhaben sein. Das sollte sich auch im Berliner Impfkonzept niederschlagen, fordert ein Amtsarzt.

Der Amtsarzt von Berlin-Reinickendorf, Patrick Larscheid, vermisst in der Corona-Pandemie ein Impfkonzept für die breite Bevölkerung in der Stadt. Der Impfstoff des Herstellers AstraZeneca werde wahrscheinlich zeitnah zugelassen, sagte er laut DPA-Meldung vom Sonntag. Anders als die Impfstoffe der Hersteller Biontech und Moderna lasse er sich wegen einer einfacheren Logistik auch in Arztpraxen einsetzen. "Für diese Breite gibt es in Berlin aber bisher kein Impfkonzept", kritisierte Larscheid.

Ähnlich hatte bereits die Kassenärztliche Vereinigung argumentiert. Sobald ein geeigneter Impfstoff in Sicht sei, müssten viele Menschen sehr schnell geimpft werden. "Das schaffen wir nur in den Praxen", hieß es.

mehr zum thema

Interview | Vorsitzender der Ständigen Impfkommission

"Es musste buchstäblich die Katze im Sack gekauft werden"

Betreute Wohngemeinschaften könnten durchs Raster fallen

Lücken sieht Larscheid jedoch auch im bisherigen Impfsystem: Bei den laufenden Immunisierungen für Menschen über 80 Jahre seien zum Beispiel Pflege-Wohngemeinschaften im Fahrplan der mobilen Teams nicht berücksichtigt. "Oft unterscheiden sie sich aber nur wenig von der stationären Pflege", sagte der Amtsarzt. "Die Ansteckungsgefahr ist auch dort sehr hoch, zum Beispiel durch das Personal."

Betreute Wohngemeinschaften seien keine vollstationären Einrichtungen, deren Bewohner nach der bundesweiten Priorisierung durch die Ständige Impfkommission in der ersten Phase geimpft werden könnten, heißt es bei der Senatsgesundheitsverwaltung. Daher würden Menschen dort erst zu einem späteren Zeitpunkt immunisiert. "Zur Umsetzung laufen aktuell die Planungen", hieß es.

Patrick Larscheid, Amtsarzt des Berliner Bezirks Reinickendorf | Quelle: DPA/Paul Zinken

"Niemand weiß im Moment, wie viele alte Menschen gar kein Impfzentrum aufsuchen können"

Ebenfalls unklar ist noch, wie bettlägerige alte Menschen, die zu Hause gepflegt werden, geimpft werden sollen. Dafür werde der Rücklauf der verschickten Einladungen an Menschen über 80 abgewartet, teilte die Senatsgesundheitsverwaltung auf Anfrage mit. Gemäß der bundesweiten Vorgabe hätten vollstationäre Pflegeeinrichtungen Priorität, da sie besonders von Ausbruchsgeschehen betroffen waren. "Selbstverständlich ist uns die hohe Bedeutung der Impfung für ambulant versorgte Pflegebedürftige bewusst, auch hierzu entwickeln wir gerade erste Planungen", hieß es weiter.

"Niemand weiß im Moment, wie viele alte Menschen gar kein Impfzentrum aufsuchen können", sagte Larscheid. "Manche Probleme sind also noch überhaupt nicht gelöst." Das gelte auch für chronisch kranke Jüngere. "Denn niemand weiß, wer das ist."

mehr zum thema

Kassenärztliche Vereinigung

So läuft der Impfeinsatz von Ärzten in Berlin

Neue Virusvariante macht schnelles Impfen besonders wichtig

In Berlin sind nach der Statistik der Robert-Koch-Instituts seit Ende Dezember 28.871 Menschen geimpft worden [rki.de], darunter fast 19.000 Pflegeheim-Bewohner. Am Freitag trafen 29.250 weitere Dosen des Biontech-Impfstoffs in Berlin ein, auch davon soll aber die Hälfte für die zweite Impfung zurückgehalten werden. Dienstag soll erstmals eine Lieferung des US-Herstellers Moderna innerhalb Deutschlands erfolgen.

Das Impfen könnte zum Wettlauf gegen die Zeit geraten. Denn eine Mutation des neuen Coronavirus, die in Großbritannien grassiert, ist nach derzeitigem Stand wahrscheinlich ansteckender als frühere Formen. Experten befürchten daher, dass eine Ausbreitung die Pandemiebekämpfung erschweren könnte. Erste vereinzelte Nachweise der Mutation gibt es auch in Deutschland, darunter in Berlin.

Sendung: Abendschau, 09.01.2021, 19.30 Uhr

Artikel im mobilen Angebot lesen