Mögliche Kenia-Koalition in Brandenburg - SPD, CDU und Grüne stecken Verhandlungsrahmen ab

SPD, CDU und Grüne in Brandenburg verhandeln seit Montag über eine mögliche Kenia-Koalition. Neben der Kohle wird es unter anderem um den Schuldenabbau, um Kitas und Nahverkehr gehen. Ein "Spaziergang" werde das nicht, sagte SPD-Landeschef Woidke.
Drei Wochen nach der Landtagswahl sind SPD, CDU und Bündnis90/Die Grünen am Montag in Koalitionsverhandlungen eingestiegen. Grundlage ist das Sondierungspapier, das die Parteispitzen am vergangenen Donnerstag in Potsdam vorgestellt hatten.
Den Angaben zufolge einigten sich die Parteien der angestrebten Kenia-Koalition auf sieben Facharbeitsgruppen mit je fünf Mitgliedern. Als erstes greifbares Ergebnis nannte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), dass der Schuldenabbau fortgesetzt werden solle. "Wir wollen in der Haushaltskonsolidierung auch in den kommenden Jahren weiter vorankommen", sagte der SPD-Landeschef nach der ersten Gesprächsrunde mit den Spitzen der drei Parteien in Potsdam.
Sieben Facharbeitsgruppen mit jeweils fünf Mitgliedern
Als weitere Themen nannte Grünen-Fraktionschefin Ursula Nonnemacher Bildung / Kitas, Innenpolitik / Polizei / Brand- und Katastrophenschutz sowie Infrastruktur / Wirtschaft und öffentliche Vewaltung / E-Government. Bis Mitte Oktober sollen die Verhandlungen möglichst abgeschlossen sein - mit einer gewissen Reserve, wie der kommissarische CDU-Landeschef Michael Stübgen sagte. CDU und Grüne planen, ihre Mitglieder über den Koalitionsvertrag zu befragen.
Die Verhandlungsführer zeigten sich nach dem ersten Tag guter Dinge. "Es ist eine gute Atmosphäre gewesen", sagte Regierungschef Woidke. Er sei sehr optimistisch, "dass wir gemeinsam einen guten Koalitionsvertrag für unser Land hinkriegen".
Vor Beginn der Gespräche hatte Woidke die Tiefe der Sondierungsgespräche gelobt: "Es ist gut sondiert worden, und das ist eine gute Grundlage jetzt auch für die Verhandlungen." Er glaube, dass man "relativ schnell vorankommen" werde, sagte der SPD-Landeschef. Trotzdem würden die Verhandlungen kein Spaziergang werden. Woidke begrüßte das klare Votum der Grünen für die Koalitionsverhandlungen. Ähnlich deutlich sei auch die Entscheidung der SPD-Mitglieder gewesen. "Dass die Parteien mit Optimusmus in die Verhandlungen gehen, ist ein gutes Zeichen."
Grüne ziehen bei der Braunkohle eine rote Linie
Die Fraktionschefin der Grünen, Ursula Nonnemacher, klang allerdings zurückhaltender. "Wir nehmen mit, dass es bei ganz, ganz vielen unserer Mitglieder Bauchschmerzen gibt", sagte sie dem rbb. Dem wolle die Landesparteispitze gerecht werden. Beim Parteitag der Grünen in Kleinmachnow sei immer wieder eine rote Linie für die Koalitionsverhandlungen genannt worden: "Keine neuen Tagebau und keine Tagebauerweiterungen", so Nonnenmacher im rbb-Inforadio. Die Grünen wollten, dass der Braunkohleausstieg so früh wie möglich vollzogen werde.
Außerdem sei ihrer Partei in den Regierungsgesprächen wichtig, dass der ökologische Landbau, der Tier- und der Klimaschutzschutz vorangetrieben würden, sagte die Grünen-Verhandlungsführerin. Im Gegenzug sei man bereit, in den Bereichen Innere Sicherheit und Asylpolitik Kompromisse mit SPD und CDU einzugehen.
Laut Nonnemacher ist nach Ende der Verhandlungen bei den Grünen noch eine Urabstimmung über den Koalitionsvertrag geplant. Das Gleiche hatte zuvor auch die CDU angekündigt. "Und ich hoffe, dass Ende November dann der Ministerpräsident gewählt werden kann", so Nonnemacher.
"Erst das Land, dann die CDU"
Der kommissarisch tätige CDU-Landeschef Michael Stübgen ließ keinen Zweifel daran, dass er konstruktive Koalitionsverhandlungen erwartet - selbst dann, wenn die Grünen ursprünglich lieber mit den Linken koaliert hätten. Er nehme das den Grünen nicht übel, sagte Stübgen am Montag dem rbb. Umgekehrt würden es ihm die Grünen nicht verübeln, dass er am liebsten "ganz allein regiert" hätte, fügte Stübgen im rbb-Nachrichtenmagazin "Brandenburg aktuell" lächelnd hinzu. Das deutliche Ergebnis auf dem kleinen Landesparteitag von Bündnis90/Die Grünen zeige aber, dass auch die Basis das Ziel einer "Kenia"-Koalition mittrage.
Befragt nach den Grabenkämpfen in seiner eigenen Partei, sagte der CDU-Politiker, dass diese hinter den Fragen der Landespolitik zurückstehen müssten: "In erster Linie geht es um das Land, und dann erst geht es um die Partei, und dann erst geht es um mich."
Neuer Landtag kommt am Mittwoch zusammen
Das Motto der möglichen neuen Koalition lautet "Zusammenhalt, Nachhaltigkeit, Sicherheit". Geplant sind unter anderem beitragsfreie Kitas, der Ausbau des Nahverkehrs, 13 Euro Mindestlohn bei öffentlichen Aufträgen in Brandenburg und mehr Polizistinnen und Polizisten: Die 8.200 Stellen sollen auf mindestens 8.500 aufgestockt werden. Neue Braunkohle-Tagebaue soll es unter Rot-Schwarz-Grün nicht geben.
Am Mittwoch tritt zunächst der neugewählte Landtag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Wichtigster Tagesordnungspunkt ist die Wahl der Landtagspräsidentin. Die SPD als größte Fraktion nominierte dafür die Abgeordnete Ulrike Liedtke. Eröffnet wird die konstituierende Sitzung von der Alterspräsidentin Marianne Spring-Räumschüssel aus der AfD-Fraktion.
SPD vor AfD und CDU
Die SPD war bei der Landtagswahl trotz Verlusten stärkste Partei vor der AfD geworden, die im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren deutlich hinzugewann. Weil die rot-rote Koalition keine ausreichende Mehrheit mehr hat, suchte die SPD nach zwei Partnern und entschied sich für
CDU und Grüne und gegen die Linke. Am vergangenen Donnerstag stimmten die Landesspitzen von SPD und CDU den Verhandlungen für Rot-Schwarz-Grün zu, ein Kleiner Grünen-Parteitag votierte am Samstag mit 82,5 Prozent dafür.