"Brandmauer" zur AfD - SPD-Landrat Steffen will allen Fraktionen "gleiche Möglichkeiten für ihre Arbeit geben"

Di 11.06.24 | 12:54 Uhr
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Archivbild: Landrat in Oder-Spree Frank Steffen von der SPD am 06.01.2023.(Quelle: picture alliance/dpa/Bernd Settnik)
Audio: rbb24 Antenne Brandenburg | 11.06.2024 | Frank Steffen | Bild: picture alliance/dpa/Bernd Settnik

Nach den Kommunalwahlen in Brandenburg ist die Diskussion um sogenannte Brandmauern zur AfD aufgefrischt. Während der AfD-Fraktionsvorsitzende Berndt fordert, sie abzubauen, äußert sich auch ein SPD-Landrat zur Zusammenarbeit mit der AfD.

  • SPD-Landrat von Oder-Spree spricht sich für Mehrheiten mit "allen Fraktionen" aus
  • Uckermark-Landrätin in Sorge um Mehrheiten bei Beschlüssen
  • Furcht vor "Frontal-Opposition" der AfD
  • Brandenburgs AfD-Fraktionschef Berndt wirbt um Zusammenarbeit mit seiner Partei

Der Landrat von Oder-Spree, Frank Steffen (SPD), hat sich nach dem starken Abschneiden der AfD (30,2 Prozent) bei der Brandenburger Kommunalwahl in seinem Landkreis zum Umgang mit der Partei geäußert. "Es gibt neben der AfD noch 39 andere Abgeordnete im Kreistag, und jede Fraktion, auch die AfD muss am Ende entscheiden: Will sie nur blockieren oder will sie an Lösungen für unsere Region, für unsere Menschen mitarbeiten", sagte Steffen dem rbb. Vor dieser Frage stehe die AfD nun.

Steffen: "Wie geht AfD mit Extremisten um?"

"Ich sehe uns als Verwaltung, mich als Landrat, natürlich in der Pflicht, allen Fraktionen im Kreistag die gleichen Möglichkeiten für ihre Arbeit zu geben - Vorschläge zu machen, die dann am Ende auch eine Mehrheit im Kreistag finden", sagte der SPD-Mann weiter.

Natürlich müsse sich die AfD aber fragen, warum sie in Brandenburg in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet werde. "Wie sie mit Extremisten in ihren Reihen umgeht - das gilt ja für alle politischen Kräfte - und auch diese Frage muss sich die AfD selber stellen, wenn sie politisch etwas erreichen will", sagte Steffen.

Die AfD hatte bei der Wahl am Sonntag rund 30 Prozent der Stimmen geholt und die SPD damit als stärkste Partei im Landkreis Oder-Spree abgelöst.

Uckermark-Landrätin befürchtet Schwierigkeiten bei Beschlüssen

In der Uckermark befürchtet Landrätin Karina Dörk (CDU) schwierige Zeiten mit Blick auf die Arbeit im Kreistag. Nach dem vorläufigen Endergebnis kommt die AfD dort auf 31,1 Prozent der Stimmen und hat ihr Ergebnis von der vergangenen Wahl vor fünf Jahren fast verdoppelt. Damit erhält die Partei im Kreistag jetzt 16 der 50 Sitze. "Die AfD, die bisher immer Frontal-Opposition gemacht hat, jetzt 31 Prozent hat, wird ihre Arbeit so weiter machen", sagte Dörk nach der Wahl dem rbb.

Bisher sei es laut Dörk so gewesen, dass die AfD keinen einzigen Kreis-Haushalt bestätig habe, sondern - wenn es gut ging - sich enthalten, aber nie dafür gestimmt habe. "Ohne beschlossenen Haushalt können wir nur noch unsere Pflichtaufgaben machen. Dann wird es für uns in den nächsten fünf Jahren schwieriger", sagt Dörk. Ohne beschlossenen Haushalt gebe es beispielsweise keine freiwilligen Leistungen, so die CDU-Landrätin. Dazu gehören unter anderem die Förderung von Kultur und Sport, aber auch einzelne Straßenbaumaßnahmen.

CDU und SPD haben bei der Wahl je neun, BVB/Freie Wähler und Linke je vier und "Bauern-Ländlicher Raum", Grüne und "Bündnis für Vernunft und Gerechtigkeit" jeweils zwei Sitze erhalten. Dazu sagte Dörk weiter: "Wir werden sehen, wie die AfD und alle anderen Parteien, die jetzt in Verantwortung sind, ihre Verantwortung tatsächlich wahrnehmen. Zukünftig muss man wahrscheinlich noch mehr und intensiver miteinander diskutieren. Und dann hoffe ich einfach, dass die Vernunft siegt – bei allen, die in Verantwortung sind."

AfD fordert Ende der "Brandmauern"

Der Brandenburger AfD-Fraktionsvorsitzende Hans-Christoph Berndt forderte die demokratischen Parteien auf, den Widerstand gegen eine Zusammenarbeit mit seiner Partei aufzugeben. Berndt sagte im rbb24 Inforadio, seiner Partei müssten dem Wahlergebnis entsprechend Spitzenämter in Kommunen zugestanden werden. "Wir fordern von allen Parteien, die bislang Brandmauern errichtet haben, davon abzusehen. Es wird nicht gehen, gegen die stärkste Kraft im Land, in den Kreisen, in den Städten weiter zu reagieren", so Berndt.

In vielen Gemeinden in den ostdeutschen Bundesländern ist die AfD bei den Kommunalwahlen am Sonntag stärkste Kraft geworden. In Brandenburg kam die Partei laut Landeswahlleiter auf insgesamt fast 26 Prozent. Der Deutsche Landkreistag spricht sich weiterhin gegen jede Zusammenarbeit mit der AfD auf lokaler Ebene aus.

AfD in Märkisch-Oderland offen für Zusammenarbeit

In Märkisch-Oderland wirbt der AfD-Kreisvorsitzende Lars Günther für die Zusammenarbeit mit Politikern aus anderen Lagern. Dort zieht seine Partei mit 16 Sitzen in das Kreisparlament ein. Damit hat sie fast doppelt so viele Stimmen wie die CDU, die zweitstärkste Partei wurde. "Wir haben eh schon auf kommunaler Ebene oftmals über die Brandmauer hinweg gearbeitet. Bei den vielen Problemfällen oder aber auch Arbeitsfeldern werden wir uns immer an der Sache orientieren", sagt er.

Spätestens 30 Tage nach der Wahl müssen sich die neuen Kreistage konstituieren. Erst dann wollen Günther und seine Parteikollegen über Zusammenarbeit sprechen. "Viele neue Gesichter werden auf der politischen und auch kommunalen Ebene dazugewonnen werden. Dann wird man vor Ort dann vielleicht auch Gespräche mit den Leuten führen. Das lassen wir an uns rankommen, aber bei Sachthemen haben wir keine Berührungsängste mit allen auch zu sprechen", so Günther.

Andere Parteimitglieder der AfD, wie Kati Muxel, Vorsitzende im Kreisverband Oder-Spree und Mitglied des Landesvorstandes aus Grünheide, sehen allerdings keine Schnittmengen mit den bisher etablierten Parteien.

Prignitzer CDU-Fraktion: Keine Zusammenarbeit

Michael Ballenthin, Mitglied der CDU-Kreistagsfraktion in der Prignitz, lehnt die Zusammenarbeit mit der AfD grundsätzlich ab: "Es gibt andere demokratische Kräfte, mit denen man sich eine gute Zusammenarbeit vorstellen kann, das hat in der letzten Legislatur auch gut geklappt", sagte er dem rbb. Auf die Frage, wie er reagieren würde, würde ihn AfD-Kandidat Jean-René Adam darum bitten, sich zusammenzusetzen und nach Anknüpfungspunkten zu suchen, sagte Ballenthin: "Wir können gerne ein Bier trinken und dann würden wir uns vielleicht über den Geschmack des Bieres unterhalten, aber mehr auch nicht."

Sendung: Antenne Brandenburg, 11.06.24, 9:00 Uhr

55 Kommentare

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  1. 55.

    Ich glaub's wohl nicht.

    Der Landrat LOS will allen Fraktionen im Kreistag die gleichen Möglichkeiten für ihre Arbeit geben.
    So so !!!
    Ist das nicht eine demokratische Grundvoraussetzung?
    Oh, mein Gott, wie weit sind wir noch von der Sarrazin-These entfernt?

  2. 54.

    So,so. Kann mich noch an die Berlin-Wahl erinnern, als sich die Demokraten darüber aufgeregt haben,daß die SPD mit der CDU eine Koalition eingegangen ist. Weil ja wohl eine Mehrheit für ein weitermachen war. Demokratie ist, wenn es mir in den Kram passt. Aber Sie haben natürlich Recht, niemand muss mit jemandem arbeiten. Wenn ich dafür bin aber schon. Demokratie eben.

  3. 52.

    Steffen:
    "Antwort auf [Wossi] vom 11.06.2024 um 13:49
    Alle Parteien, von ganz weit links außen bis ganz weit rechts außen haben ab und an gute Vorschläge, deren Umsetzung notwendig ist. Politiker werden vom Bürger genau dafür bezahlt, das dann auch umzusetzen und nicht aus Prinzip zu blockieren, weil es von der falschen Partei kommt."

    Das sehen aber andere Wähler ganz anders. Pauschalierungen sind da fehl am Platz!

    Steffen:
    "Unsinnige Forderungen dürfen jederzeit gerne abgelehnt und angeprangert werden, das gehört zum politischen Tagesgeschäft. Wenn aber ganze Wählergruppen politisch nicht mehr wirksam vertreten werden, ..."

    Aber sie bleiben doch weiterhin im Parlament vertreten!

    Steffen:
    "... weil sie wegen der "Brandmauer" keine Mehrheiten mehr in Abstimmungen finden, dann verliert die Demokratie und zwar ganz massiv."

    Aber wenn ein AfD-Antrag abgelehnt und dafür ein ähnlicher Antrag einer demokratischen Partei angenommen wird, dann ist doch alles gut! Oder?

  4. 50.

    Alle Parteien, von ganz weit links außen bis ganz weit rechts außen haben ab und an gute Vorschläge, deren Umsetzung notwendig ist. Politiker werden vom Bürger genau dafür bezahlt, das dann auch umzusetzen und nicht aus Prinzip zu blockieren, weil es von der falschen Partei kommt. Unsinnige Forderungen dürfen jederzeit gerne abgelehnt und angeprangert werden, das gehört zum politischen Tagesgeschäft. Wenn aber ganze Wählergruppen politisch nicht mehr wirksam vertreten werden, weil sie wegen der "Brandmauer" keine Mehrheiten mehr in Abstimmungen finden, dann verliert die Demokratie und zwar ganz massiv. Ich erwarte nicht, dass sich Politiker mit der AfD treffen und Absprachen machen, aber ich erwarte Entscheidungen bei Abstimmungen im Sinne der Bürger nach tatsächlichen Mehrheiten. Alles andere erzeugt Frust und Protestwähler.

  5. 48.

    Doch, man darf auch mit den Grünen oder der Linken zusammen abstimmen, wenn der Antrag demokratisch ist und nicht "Vorgänge unterhalb der Strafbarkeitsgrenze sanktioniert werden" sollen. Ihre üblichen Sprüche mögen in Ihren Kreisen gut ankommen, beim Rest der Bevölkerung immer weniger. Es dauert aber wohl noch ein bisschen, bis Sie und unsere Politiker das verstehen werden. Der AfD schadet es ja offensichtlich nicht.
    Politiker sind ausschließlich ihrem Gewissen verpflichtet und wenn ein Vorschlag vernünftig und seine Umsetzung notwendig ist, dann ist es egal, von wem er kommt. Wenn die AfD morgen fordern würde, das Radwegenetz massiv auszubauen, und die anderen sehen das auch so, dann darf der Bürger erwarten, dass es sofort los geht. Diese Kindergartenspielchen aktuell bringen das Land nicht weiter.

  6. 47.

    Erdenbewohner:
    "Antwort auf [Immanuel] vom 11.06.2024 um 15:56
    Sie haben mit ihrer Antwort auf "Wähler" völlig recht.
    Beispiele gibt es genug, z.B. in Bremen!
    Es verwundert allerdings ein wenig wenn nach Wahlen die Partei mit den meisten Stimmen sofort vom "Wählerauftrag" und vom "Regierungsanspruch" spricht!"

    Tja, DEN Wählerauftrag gibt es sowieso nicht, da es nicht DEN Wähler gibt, sondern viele mit vielen unterschiedlichen, teils gegensätzlichen Interessen und Wünschen.

    Erdenbewohner:
    "Aber was haben Ausgrenzung und Brandmauer bisher gebracht?
    Seit 2015 ist die AFD immer stärker geworden."

    Tja, man weiß aber nicht, wie es ohne Ausgrenzung und Brandmauer gekommen wäre. Vielleicht wäre es dann viel schneller und viel schlimmer geworden. Die noch rechtsextremere NPD (Tarnname "Die Heimat") wurde ja erfolgreich ausgegrenzt bis zur aktuellen Bedeutungslosigkeit.

  7. 46.

    Sie haben mit ihrer Antwort auf "Wähler" völlig recht.
    Beispiele gibt es genug, z.B. in Bremen!
    Es verwundert allerdings ein wenig wenn nach Wahlen die Partei mit den meisten Stimmen sofort vom "Wählerauftrag" und vom "Regierungsanspruch" spricht!
    Aber was haben Ausgrenzung und Brandmauer bisher gebracht?
    Seit 2015 ist die AFD immer stärker geworden. Ich tippe mal bei den 3 Landtagswahlen wird sie keine 50% erreichen aber mit 3er, 4er oder 5er Koalitionen werden die Länder bestimmt nicht leichter zu regieren sein.
    Aber warten wir mal ab........

  8. 45.

    Das Wichtigste Vorhaben der AfD haben Sie vergesse: Die ,,Normalisierung'' Nationalsozialistischer Gedanken und ihrer Sprache bei der deutschen Bevölkerung.
    Die Sprache des dritten Reiches, z.B.

  9. 44.

    Wähler:
    "Eigentlich sollte es in einer Demokratie eine Selbstverständlichkeit sein, mit der stärksten Partei zusammenzuarbeiten."

    NEIN!
    Was haben Sie für ein merkwürdiges Demokratieverständnis?
    Demokratie heißt, dass sich Mehrheiten finden müssen. Das heißt aber nicht, dass die Partei mit den meisten Stimmen auch dabei sein muss!

    Wenn Sie 9 Parteien haben, die jeweils 9% Stimmen bekommen haben, und eine Partei mit 10% STimmen, dann heißt das noch lange nicht, dass sich alles nach dieser 10%-Partei richten muss, weil sie überall beteiligt werden muss!

    Die Mehrheit hat entschieden, dass sie keine AfD-Regierung will!

  10. 43.

    Sonner:
    "Ich lese gerade die Zeitung, wo es schon wieder beginnt und die Politiker alles schön reden mit wem zusammenarbeiten und wen ignorieren, Brandmauer bleibt, AfD muß ausgegrenzt werden wir suchen einen der zu uns paßt. Kapiert es endlich, die Bürger haben gesagt von wem sie mit regiert werden möchten."

    70% haben abgestimmt, dass Sie nicht von der AfD regiert und auch nicht von der AfD mitregiert werden wollen. Denn wer für eine Mitregierung der AfD war, der musste für die AfD stimmen, weil alle demokratischen Parteien vorher gesagt haben, dass sie nicht mit der AfD zusammenarbeiten wollen. Also hat jeder Wähler, der nicht für die AfD gestimmt hat, damit gesagt, dass er nicht von der AfD mitregiert werden will!

  11. 42.

    Soweit ich das verstanden habe, geht es der AfD ausschließlich um Ausländer ohne Bleibebrechtigung. 700 875 davon haben einen Antrag auf Aufenthaltstitel gestellt und 1 138 425 sind ohne Aufenthaltstitel.

    https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Migration-Integration/Tabellen/auslaendische-bevoelkerung-aufenthaltsrechtlicherstatus.html

  12. 41.

    Unter anderen Deportationen.

    "Der neue Landesvorsitzende der AfD in Brandenburg, René Springer, hat seine Forderung unterstrichen, dass „Millionen“ Migranten aus Deutschland „zurückgeführt“ werden müssten. Einen entsprechenden Medienbericht kommentierte er am Sonntag auf der Plattform X mit: „So ist es“. "

  13. 39.

    Ja, man muss reden. Zum Beispiel über die verfassungsfeindlichen Absichten von Teilen der AfD.

  14. 38.

    Die Ergebnisse der EU-Wahl sind deshalb so brisant, weil in drei Bundesländern im Herbst neue Landtage gewählt werden. AfD und BSW haben also die historische Möglichkeit, künftig in Thüringen, Sachsen und Brandenburg die Landesregierungen zu stellen. Damit wäre jede Brandmauerdiskussion überflüssig

  15. 37.

    "Natürlich müsse sich die AfD aber fragen, warum sie in Brandenburg in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet werde. " Das scheint immer weniger Wähler zu interessieren, was der wiesungsgebundene Inlandsgeheimdienst da meint.

  16. 36.

    Diese ewige Spalterei, wie die Ihrige, wird langsam langweilig und gefährlich. Natürlich muss man miteinander reden um was zu bewegen. Konflikte kann man nur so beenden und nicht wenn man immer weiter auf sich einschlägt.

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