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Audio: Antenne Brandenburg | 20.12.2022 | Elke Bader | Quelle: rbb

Engpässe bei über 300 Medikamenten

Apotheker stellen Fieberzäpfchen und -säfte nun selbst her

Derzeit müssen Menschen auf Medikamente wie Kinderfieberzäpfchen und -säfte lange warten. Apotheker wie Robert Witzke aus Bad Freienwalde stellen die Arznei jetzt selbst her. Kurzfristig sei laut Apothekerkammer keine Lösung zu erwarten.

Apotheken in Berlin und Brandenburg kämpfen mit Engpässen in der Versorgung mit Medikamenten. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte führt in dieser Woche etwa 330 Medikamente auf, die wegen Lieferengpässen nicht oder nur eingeschränkt verfügbar sind [tagesschau.de]. Darunter sind zahlreiche Mittel für Kinder.

Einige Pharmazeuten werden deshalb nun selbst aktiv, um dem Mangel zu begegnen. In einer Filiale in Falkenberg (Elbe-Elster) haben die Mitarbeiterinnen etwa schon für den Notfall Grundstoffe für einige Medikamente zusammengetragen. Ganz vereinzelt sei die Eigenproduktion sogar bereits Praxis, teilte Katrin Wolbring, Vizepräsidentin der Landesapothekerkammer auf Nachfrage mit.

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Apotheker mit Handarbeit gegen Mangel

Einer von ihnen ist Robert Witzke. Er betreibt drei Apotheken in Bad Freienwalde und Oderberg im Brandenburger Landkreis Märkisch-Oderland. Er steht in seinem provisorischen Labor und rührt mit Stäbchen und Schale auf der Grammwaage Arznei zusammen. Anschließend gießt er die zähe Masse in kleine Formen. Die Medikamentenknappheit habe ihn dazu gebracht, seine eigenen Zäpfchen herzustellen. "Wir haben um die Ecke eine Kinderärztin und die Kinder müssen einfach versorgt werden", sagt Witzke.

Auf Lieferungen mit Kinderzäpfchen wartet er schon länger. Anfragen bei Großhändlern oder den Herstellern ziehen sich. Und wenn Ware kommt, komme diese nur schubweise und sei schnell wieder vergriffen. Deshalb jetzt die Handarbeit. "Wir machen es so: Zäpfchen für Erwachsene gibt es noch. Die schmelzen wir ein und stellen daraus Kinderzäpfchen her."

Robert Witzke gießt in seiner Apotheke Zäpfchen | Quelle: rbb

Lang sei es her, dass der heute 50-Jährige das letzte Mal selbst Medikamente produzieren musste. Zuletzt während des Studiums. Eigentlich habe er dafür eine Mitarbeiterin. "Die war jetzt aber drei Wochen krank und dann musste ich ran. Ein bisschen probieren und jetzt geht es wieder." Finanziell lohne sich das nicht, aber Robert Witzke wolle helfen.

Auch Tabletten und Säfte werden knapp

Neben den Zäpfchen seien auch Husten- und Fiebersäfte rare Güter. Wenn Eltern mit einem Rezept für ihre größeren Kinder in die Apotheke kommen, beginnt meist die Suche nach Alternativen. "Dann versuchen wir zum Beispiel den Eltern nahezulegen, dass das Kind auch Tabletten nehmen kann", so Witzke. "Tabletten kann man auch mörsern und in Wasser auflösen, sodass sie nicht auf den Fiebersaft angewiesen sind."

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Problematisch sei nur, dass jetzt auch Schmerztabletten langsam knapp werden. Die könne er aber nicht selbst pressen, erzählt Witzke. Nur Kapseln und Salben könnten Apotheker noch herstellen. Das bestätigt auch Jens Dobbert, Präsident der Brandenburger Apothekenkammer. "Wir können keine Säfte herstellen, wenn wir keine Ausgangsstoffe haben", sagte er dem rbb.

"Derzeit sieht es so aus, dass wir keine Ausgangsstoffe zum Beispiel für Fiebersäfte bekommen." Dobbert verweist zudem darauf, dass es in Brandenburg kaum Fachpersonal für selbst hergestellte Medikamente gebe. Um besser gewappnet zu sein, stellt die Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker für Pharmazeuten Vorschläge und Rezepte zur Verfügung. Damit sollen einheitliche und stabile Arzneien gewährleistet werden können.

Kritik am Medikamenten-Flohmarkt

Trotz der Engpässe hält Apotheker Robert Witzke von einem Vorschlag von Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt wenig. Der hatte am Montag angeregt, Medikamente privat bei Tausch- und Flohmärkten zu verteilen [deutsche-apotheker-zeitung.de]. "Bei einer Schmerztablette, wo man sich mit auskennt und die vielleicht selber schon einmal genommen hat, hilft man sich ja sicherlich jetzt auch schon aus. Aber bei Medikamenten, die nicht so geläufig sind, sehe ich das auf jeden Fall kritisch."

Dem schließt sich auch die Brandenburger Apothekenkammer an. Patienten wüssten beim unübersichtlichen Angebot häufig nicht, was sie konkret einnehmen. Zudem würden Arzneien oft in Privathaushalten falsch gelagert. "Viele haben ihre Arzneimittel in den Bädern liegen", sagt Dobbert. "Und dann verändern sich die Wirkstoffe, wenn Luft an die Arzneimittel gekommen ist."

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Kurzfristig kaum Lösungen möglich

Um den Lieferengpässen entgegenzuwirken, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Dienstag ein Eckpunktepapier vorgelegt und deutliche Änderungen bei den Preisregeln in Aussicht gestellt [tagesschau.de]. Er will demnach etwa dafür sorgen, dass die Preisvorschriften für Kinderarzneien gelockert werden, wieder Medikamente von europäischen Herstellern ins Spiel kommen und Vorräte der preisgünstigsten Arzneien angelegt werden.

Bevor die Maßnahmen greifen, könnten Kritikern zufolge aber Jahre vergehen. "Die Industrie kann so schnell sowieso keine Arznei für Kinder herstellen, die akut gefährdet sind", sagt Kammerpräsident Dobbert. "Die Auslagerung der Wirkstoff-Produktion nach Asien ist problematisch. Wenn in China die Null-Covid-Strategie gefahren wird, dann kommt in Deutschland nichts mehr an." Deshalb brauche es neue Verträge und eine Abkehr der Sparpolitik bei den Krankenkassen, so Dobbert.

Pharmazeut Robert Witzke bleibt kurzfristig also nur die Hoffnung, dass Medikamente auch so bald wieder in ausreichender Menge geliefert werden können. Denn eine eigene Massenproduktion kann er sich nicht leisten.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 20.12.2022, 19:30 Uhr

Mit Material von Rainer Unruh, Elke Bader und Tony Schönberg

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