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Quelle: Ocean Now/Saskia Uppenkamp

Schadstoffe in Kosmetik

Unsere tägliche Dosis Plastik im Gesicht

In vielen Kosmetikprodukten, die wir uns Tag für Tag auf die Haut reiben, steckt Mikroplastik. Was das auf Dauer mit uns macht, können Forscher noch nicht sagen. Gesund ist es wahrscheinlich nicht. Von Franziska Ritter

Ob Lippenstift, Tagescreme oder Duschgel: Auf allen Kosmetikprodukten muss stehen, welche Inhaltsstoffe sich darin befinden - etwa Konservierungsstoffe wie Parabene oder Öle. Findet sich in der Liste eine Bezeichnung mit dem Wortteil "Poly", sollten bei Verbrauchern die Alarmglocken angehen, rät Ruta Almedom von der Firma Codecheck in Berlin. Sie fahndet mit ihren Kollegen nach bedenklichen Stoffe in Lebensmitteln und Kosmetikartikeln.

Codecheck hat die Inhaltsstoffe von knapp 130.000 Kosmetikprodukten unter die Lupe genommen, die es im deutschsprachigen Raum zu kaufen gibt. Ergebnis: Jedes fünfte ist mit Mikroplastik versetzt. Die mikroskopisch kleinen Kunststoffteilchen tauchen unter verschiedenen Namen auf: Polyethylen, Nylon-12, Polymethylmethacrylat. Für Laien ist nur schwer zu erkennen, was sich dahinter verbirgt.

Am häufigsten sind sie im Make-up, vor allem aber auch Lippenstiften zu finden. "Das ist besonders kritisch. Wer Mikroplastik auf den Lippen hat, isst es faktisch auf", warnt die wissenschaftliche Leiterin von Codecheck. Polyethylen und Co sorgen dafür, dass die Wimpern voller erscheinen, Rouge und Lippenstift länger auf der Haut bleiben. Die wenigsten Frauen dürften wissen, was sie sich da täglich ins Gesicht reiben.

Lippenstift ist schön - ist er auch gesund? | Quelle: imago images/Halfdark

Kunststoff ist überall

Forscher können bislang nicht sagen, was Mikroplastik im menschlichen Körper bewirkt. Es fehlen aussagekräftige Langzeituntersuchungen. Fest steht: Kunststoff ist überall. Im Abwasser, auf dem Grund der Meere, in Muscheln, Fischen und Seevögeln. "Wir finden Mikroplastik inzwischen in jeder Bodenprobe", sagt Ulrike Kallee vom Bund für Umwelt und Naturschutz.

Bis Plastik in der Natur abgebaut wird, vergehen Jahrzehnte, erklärt die Schadstoffexpertin vom BUND. Die Kunststoffpartikel ziehen Schadstoffe wie ein Magnet an. Oft sind sie mit Weichmachern und anderen Stoffen versetzt, die hormonell wirksam sind. "Das kann dazu führen, dass Organe im Körper nicht richtig ausgebildet und Spermien geschädigt werden", so Ulrike Kallee.

Mikroplastik verbieten

Umweltschutzverbände und Firmen wie Codecheck setzen sich dafür ein, dass Mikroplastik in Kosmetikartikeln und Reinigungsmitteln verboten wird. In Großbritannien, den USA, Kanada und Neuseeland ist das bereits der Fall. In Deutschland gibt es nur freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie. Doch das genügt nach Meinung vieler Experten nicht. Darüber hinaus fordern wir, dass gelöste synthetische Polymere reguliert oder genauer unter die Lupe genommen werden", betont Meike Schützek von der Meeresschutzorganisation Ocean Now.

Flüssige Polymere, die überwiegend in Form von Acrylat-Verbindungen und Silikonen zum Einsatz kommen, stecken in jedem zweiten Nagellack und Sonnenschutz. Sie werden ähnlich schwer wie festes Plastik abgebaut. Ihre Wirkung ist allerdings noch weniger untersucht. Dabei gelangen in Deutschland nach Schätzungen des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik fast 50 Mal so viele flüssige Polymere in die Abwässer und Böden wie Mikroplastik – eine unvorstellbar große Menge.

Um Konsumenten vor Augen zu führen, was sie sich ins Gesicht und auf die Haut reiben, hat Ocean Now im vergangenen Jahr eine Kampagne ins Leben gerufen: Fotos einer Hamburger Künstlerin zeigen Prominente mit Mikroplastik im Gesicht. "Wir rufen die Politik dazu auf, umgehend stärkere Anreize für einen Verzicht auf flüssiges Mikroplastik zu schaffen", erklärt Meike Schützek.

Schadstoffe per App umgehen

Wer Mikroplastik und andere Schadstoffe in Kosmetikartikeln umgehen will, kann die App von Codecheck nutzen. Sie zeigt und erklärt die Inhaltsstoffe einzelner Produkte. Dafür muss man nur den Strichcode eines Artikels mit seinem Smartphone einscannen. Ist er in der Datenbank erfasst,  taucht eine Bewertung auf. Bedenkliche Stoffe sind rot hervorgehoben, unproblematische Stoffe grün.

Die Anwendung schlägt auch Alternativen ohne Mikroplastik vor. Hersteller von Naturkosmetik nutzen beispielsweise Naturstoffe wie Bienenwachs, Reiskleie oder Stärke, setzen Meeresalgen, Kieselgel oder Ton für ihre Produkte ein. Ulrike Kallee: "Ich empfehle bei jedem Kosmetikprodukt zu überlegen, ob man es überhaupt braucht."

Der BUND bietet ebenfalls eine kostenlose App an: ToxFox fokussiert sich im Unterschied zu Codecheck vor allem auf hormonell wirksame Chemikalien und hat neben Kosmetikprodukten auch Alltagsprodukte wie Möbel, Elektrogeräte, Spielzeug im Blick.

Beitrag von Franziska Ritter

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