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Video: rbb24 Abendschau | 14.07.2022 | S. Wendling | Quelle: Bodo Schackow/dpa

Möglicher Lieferstopp über Nord Stream 1

Berliner Großwäscherei sorgt sich um drohenden Gas-Engpass

Wegen Wartungsarbeiten fließt seit Montag kein russisches Gas durch die Pipeline Nord Stream 1. Für den Fall, dass Russland die Gaslieferungen nach den Arbeiten nicht wieder aufnimmt, machen sich Betriebe Gedanken - auch in Berlin. Von Kirsten Buchmann

In der Wäscherei Greif in Lichtenberg wird in einer fußballfeldgroßen Halle Wäsche gewaschen, getrocknet und gemangelt. Weil alles, was in seinem Betrieb mit Wärme zusammenhängt, über Gas laufe, hat Geschäftsführer Martin Greif schlaflose Nächte: "Gas benötigen wir für unsere Wasch- und Trockenprozesse. Um die 40.000 Kilowattstunden Gas pro Tag. Es war in der Vergangenheit auch immer der effektivste Brennstoff für diese Branche."

Was also, wenn die Gaslieferungen an seinen Betrieb womöglich reduziert oder sogar gestoppt werden? Greif hofft, dass es so weit nicht kommen wird: "Der Wunsch an die Politik ist, uns als Wäschereibranche als systemrelevant aufzunehmen. Wir beliefern auch kritische Infrastruktur, Krankenhäuser, Energieversorgung oder auch Lebensmittelversorgung." Solche Lieferketten müssten berücksichtigt werden, findet Greif.

Die Bundesnetzagentur entscheidet, welche Unternehmen zu denjenigen zählen, die auch im Fall von Engpässen noch mit Gas bedacht werden. Ob sein Betrieb dazu gehört, ist für Greif offen.

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Als "nicht abwanderungsfähig" angesehen

Den Geschäftsführer beschäftigen zudem steigende Kosten für seine bis zu 75 Tonnen Wäsche pro Tag durch höhere Energiepreise: "Es gibt Programme von der Bundesregierung, durch die energieintensive Branchen unterstützt werden." Leider könne er nicht darauf hoffen mit dem Geld bedacht zu werden, sagt Greif, denn seine Branche werde als "nicht abwanderungsfähig" angesehen.

Ihm leuchte das Argument allerdings nicht ein. Denn dass Wäsche nicht etwa nach Polen gebracht und dort gewaschen werden könnte, lässt er angesichts der Nähe Berlins zu den dortigen Wettbewerbern nicht gelten. Sein Appell lautet daher, Wäschereibetriebe bei Hilfen zu berücksichtigen. Auch das Land Berlin möge dafür werben.

Der Berliner Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos) blickt ebenfalls in Richtung des Bundes: "Jetzt muss man sehen, wie sich die Situation in den nächsten Monaten weiterentwickelt, keiner weiß das genau. Aber ich gehe davon aus, dass der Bund in der Pflicht sein wird, wenn es eine Verschärfung gibt und wenn sich Preise noch viel stärker erhöhen, dass dann ähnlich wie bei Corona auch die Wirtschaft unterstützt wird."

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Christian Wolf, Sprecher für Energie und Betriebe der oppositionellen FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, fordert allerdings auch vom Senat, schnell über Investitionshilfen für Betriebe zu entscheiden, die auf Alternativen zu Gas ausweichen wollen: "Es bestehen Unterstützungsmöglichkeiten wie der Berliner Investitionsbonus, der von Unternehmen genutzt werden kann, um klimafreundliche Investitionen in die Heizungsenergieumstellung zu tätigen."

Notfalls zurück auf Öl?

Geschäftsführer Martin Greif steht in einem Eckraum seines Gebäudes, abgetrennt von der Halle mit der blendend weißen Wäsche. Dort kommt das Gas durch eine Leitung an, dort arbeitet ein mit Gas betriebener wuchtiger moderner Kessel. Greif zeigt auf einen rund 30 Jahre alten Dampfkessel daneben, der auch mit Öl genutzt werden kann. Erstmal könnte er auf ihn zurückgreifen.

Aus Umweltgründen würde er sich dazu ungern entschließen, weil das den Klimazielen des Unternehmens widerspreche: "Zurück auf Heizöl ist natürlich aus grüner und aus meiner persönlichen Sicht ein absolutes No-Go. Aber wir müssen unsere Kunden beliefern, wollen sie auch beliefern." Notfalls umzurüsten und auf Öl umzusteigen, würde für den Unternehmer aber "ein sehr teurer Spaß". Für den Familienbetrieb mit 250 Mitarbeitern allein in Berlin sind das viele Unwägbarkeiten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 14.07.2022, 07:10 Uhr

Beitrag von Kirsten Buchmann

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