Möglicher Lieferstopp über Nord Stream 1 - Berliner Großwäscherei sorgt sich um drohenden Gas-Engpass

Do 14.07.22 | 16:58 Uhr | Von Kirsten Buchmann
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Symbolbild. (Foto: Bodo Schackow/dpa)
Video: rbb24 Abendschau | 14.07.2022 | S. Wendling | Bild: Bodo Schackow/dpa

Wegen Wartungsarbeiten fließt seit Montag kein russisches Gas durch die Pipeline Nord Stream 1. Für den Fall, dass Russland die Gaslieferungen nach den Arbeiten nicht wieder aufnimmt, machen sich Betriebe Gedanken - auch in Berlin. Von Kirsten Buchmann

In der Wäscherei Greif in Lichtenberg wird in einer fußballfeldgroßen Halle Wäsche gewaschen, getrocknet und gemangelt. Weil alles, was in seinem Betrieb mit Wärme zusammenhängt, über Gas laufe, hat Geschäftsführer Martin Greif schlaflose Nächte: "Gas benötigen wir für unsere Wasch- und Trockenprozesse. Um die 40.000 Kilowattstunden Gas pro Tag. Es war in der Vergangenheit auch immer der effektivste Brennstoff für diese Branche."

Was also, wenn die Gaslieferungen an seinen Betrieb womöglich reduziert oder sogar gestoppt werden? Greif hofft, dass es so weit nicht kommen wird: "Der Wunsch an die Politik ist, uns als Wäschereibranche als systemrelevant aufzunehmen. Wir beliefern auch kritische Infrastruktur, Krankenhäuser, Energieversorgung oder auch Lebensmittelversorgung." Solche Lieferketten müssten berücksichtigt werden, findet Greif.

Die Bundesnetzagentur entscheidet, welche Unternehmen zu denjenigen zählen, die auch im Fall von Engpässen noch mit Gas bedacht werden. Ob sein Betrieb dazu gehört, ist für Greif offen.

Als "nicht abwanderungsfähig" angesehen

Den Geschäftsführer beschäftigen zudem steigende Kosten für seine bis zu 75 Tonnen Wäsche pro Tag durch höhere Energiepreise: "Es gibt Programme von der Bundesregierung, durch die energieintensive Branchen unterstützt werden." Leider könne er nicht darauf hoffen mit dem Geld bedacht zu werden, sagt Greif, denn seine Branche werde als "nicht abwanderungsfähig" angesehen.

Ihm leuchte das Argument allerdings nicht ein. Denn dass Wäsche nicht etwa nach Polen gebracht und dort gewaschen werden könnte, lässt er angesichts der Nähe Berlins zu den dortigen Wettbewerbern nicht gelten. Sein Appell lautet daher, Wäschereibetriebe bei Hilfen zu berücksichtigen. Auch das Land Berlin möge dafür werben.

Der Berliner Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos) blickt ebenfalls in Richtung des Bundes: "Jetzt muss man sehen, wie sich die Situation in den nächsten Monaten weiterentwickelt, keiner weiß das genau. Aber ich gehe davon aus, dass der Bund in der Pflicht sein wird, wenn es eine Verschärfung gibt und wenn sich Preise noch viel stärker erhöhen, dass dann ähnlich wie bei Corona auch die Wirtschaft unterstützt wird."

Christian Wolf, Sprecher für Energie und Betriebe der oppositionellen FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, fordert allerdings auch vom Senat, schnell über Investitionshilfen für Betriebe zu entscheiden, die auf Alternativen zu Gas ausweichen wollen: "Es bestehen Unterstützungsmöglichkeiten wie der Berliner Investitionsbonus, der von Unternehmen genutzt werden kann, um klimafreundliche Investitionen in die Heizungsenergieumstellung zu tätigen."

Notfalls zurück auf Öl?

Geschäftsführer Martin Greif steht in einem Eckraum seines Gebäudes, abgetrennt von der Halle mit der blendend weißen Wäsche. Dort kommt das Gas durch eine Leitung an, dort arbeitet ein mit Gas betriebener wuchtiger moderner Kessel. Greif zeigt auf einen rund 30 Jahre alten Dampfkessel daneben, der auch mit Öl genutzt werden kann. Erstmal könnte er auf ihn zurückgreifen.

Aus Umweltgründen würde er sich dazu ungern entschließen, weil das den Klimazielen des Unternehmens widerspreche: "Zurück auf Heizöl ist natürlich aus grüner und aus meiner persönlichen Sicht ein absolutes No-Go. Aber wir müssen unsere Kunden beliefern, wollen sie auch beliefern." Notfalls umzurüsten und auf Öl umzusteigen, würde für den Unternehmer aber "ein sehr teurer Spaß". Für den Familienbetrieb mit 250 Mitarbeitern allein in Berlin sind das viele Unwägbarkeiten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 14.07.2022, 07:10 Uhr

Beitrag von Kirsten Buchmann

17 Kommentare

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  1. 16.

    Das haben Sie richtig erkannt, der Aldi hat so etwas nicht, und das ist allgemein bekannt.
    Warum dann den Aldi als Beispiel?
    Wenn es kommen sollte , dass priorisiert werden muss, dann sind Wäschereien und Bäckereien auf der Liste ganz hinten, und wer klug ist, der stellt sich möglichst vorher darauf ein.
    Aber, es gibt immer noch eine andere Option, beispielsweise, den Betrieb aufzugeben, aber weil Bedarf vorhanden ist, entsteht sofort ein Nachfolger.




  2. 15.

    Ja - weil die Betreffenden und die übrige Bevölkerung (wieder mal) zu spät aufgewacht sind und jetzt, wo auch Solarenergie ein wichtiges Segment bilden könnten bremsen kriegsbedingte Lieferschwierigkeiten diese sinnvolle Alternative voll aus.

  3. 14.

    So sieht es aus. Bei mir ist die Heizung kaputt gegangen. Wenn die neue drin ist, ist mein Erspartes weg. Wer denkt, dass Hausbesitzer immer viel Geld haben, ist auf dem Holzweg.

  4. 13.

    So eine Anlage muss man sich auch leisten können. Auch als Hausbesitzer ist man nicht reich, man hat nur Miete gegen Rate getauscht!

  5. 12.

    Man geht dann mal eben zu Aldi und holt dich eine Tüte Elektrogeräte und Anlagen...
    So einfach ist es nicht!

  6. 11.

    Wenn jetzt auch Bäckereien und Wäschereien klagen, dass sie ohne Gaslieferungen untergehen, dann müsste man denen klar machen, dass es beispielsweise mit Strom genauso gut klappt.
    Privathaushalte nutzen zum backen und Wäsche waschen auch Strom, also wo ist das Problem?
    Betrieb auf Strom umstellen, und los gehts.

  7. 10.

    Die Dächer und Gebäude stehen da aber nich erst seit 2 Jahren. Also warum sind da nicht sichon seit 20-30 Jahren Solaranlagendrauf?

  8. 9.

    Bitte begründen Sie Ihre Behauptung, dass das Unternehmen Kostensteigerungen vertragen könne?

    Nur weil es Überschüsse erwirtschaftet garantiert nicht

  9. 8.

    Das hat nichts mit schlaumeiern zu tun, sondern es wurde schlichtweg seit Jahren bzw. sogar jahrzehnten versäumt, gute Lösungen zu realisieren und weiter entwickeln. Die Politik hat sich lieber lustvoll den Energiekonzernen und deren Lobbyarbeit hingegeben. Jetzt kommt der große Katzenjammer.

  10. 7.

    Betrifft #1 und #6: statt zu schlaumeiern das hier anklicken und bis zuende lesen: https://www.erneuerbareenergien.de/markt/lieferengpaesse-von-solarkomponenten-kein-ende-sicht

  11. 6.

    Wenn ich mit der RB 25 nach Berlin fahre, sehe ich geschätzt 95% Dächer, nach Süden ausgerichtet, ohne Photovoltaik. Ob Industrie oder EFH.
    Ist schon drüber nachzudenken. Ja, es wurden die Subventionen durch die Vorgängererregierung gekappt, Firmen gingen pleite oder g sind abgewandert. Und hier fängt das Problem an. Wir laufen den erneuerbaren Energien nach. Und dann ist in Deutschland ja noch der Denkmalschutz zu beachten..geht vor allem…

  12. 5.

    Jetzt müssen alle schreien: "Wir sind systemrelevant!"

    Ich bin auch systemrelevant. Ich muss mir noch überlegen, für welches System. Aber für das bin ich dann relevant.

  13. 4.

    Wußte gar nicht, dass es in Berlin noch Großwäschereien noch gibt, da ich täglich die LKW von Textilreinigungen sehe, die nach Polen fahren. Denke, dass in Polen es auch noch weitere Kapazitäten gibt. Systemrelevant ist was anderes.

  14. 3.

    Laut Bundesanzeiger der Jahresüberschuss der "Greif Berlin GmbH & Co. KG" 2013 bei 673 TEUR und 2014 495 TEUR. Danach wird es schwieriger zu recherchieren, weil das Unternehmen in einer Holding organisiert ist. Ich denke, das Unternehmen kann Preissteigerungen durchaus vertragen (ohne es in voller Höhe an den Kunden weiterzugeben).

  15. 2.

    Waschbretter besorgen und Waschfrauen einstellen!

  16. 1.

    Die Firma hat hier in Lichtenberg eine riesige Halle. Ein riesiges ungenutztes Dach. Dort sehe ich weder Photovoltaik noch anderer Sonne/Wärme/Warmwasserkollektoren. Stattdessen seh ich jede Menge unrecyclten Müll in den Ecken und am liebsten die Autos vor der Tür mit laufenden Motor rumstehen lassen. Nachhaltigkeit war dort schon immer ein Fremdwort, meine Nachbarin hat früher da gearbeitet und könnte böse Geschichten erzählen..also mein Mitleid bekommt der jammernde Geschäftsführer nicht.

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