Richard-Wagner-Ausstellung im DHM - Entfremdung, Eros, Zugehörigkeit und Ekel

Mi 06.04.22 | 17:44 Uhr | Von Maria Ossowski
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Ein Mann betrachtet in der Ausstellung "Richard Wagner und das deutsche Gefühl", das Bild "Enthüllung Richard-Wagner-Denkmals im Tiergarten" von Anton von werner aus dem Jahr 1908. (Quelle: dpa/Wolfgang Kumm)
Audio: rbb24 Inforadio | 06.04.2022 | Maria Ossowski | Bild: dpa/Wolfgang Kumm

Zwei großen, umstrittenen Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts widmet das Deutsche Historische Museum in Berlin parallel zwei Ausstellungen: Karl Marx ist seit Februar zu sehen, jetzt kommt Richard Wagner dazu. Von Maria Ossowski

Entfremdung, Eros, Zugehörigkeit und Ekel - vier zentrale Gefühle beschreiben Richard Wagner in der neuen Ausstellung des Deutschen Historischen Museums in Berlin. Entfremdet fühlte sich der Komponist in Paris mit der französischen Oper, mit dem Belcanto, mit der französischen Ästhetik.

Eros hieß für Wagner Entgrenzung. Seine Frauengeschichten sind Legende und hier mit einem Klagebrief seiner ersten Ehefrau Minna drastisch erklärt.

Zugehörigkeit hieß für Wagner, Teil eines selbstdefinierten Deutschtums zu sein, eines altertümlichen Verständnisses für das Deutsche mit dem Symbol seines Samtbaretts. Auf vielen Fotografien finden wir diese Kopfbedeckung. "Er inszeniert sich als deutscher Künstler, weil das Barett in seiner Vorstellung eine mittelalterliche Kopfbedeckung war, auch von Dürer getragen", erklärt Ausstellungsmacher Philipp Springer. "Das Barett soll seine Rückwärtsgewandheit symbolisieren: Seine Hoffnung auf eine bessere Gesellschaft zieht er aus der Vergangenheit."

Der Künstler in seiner Zeit

Die Ausstellung "Richard Wagner und das deutsche Gefühl" präsentiert im ersten Untergeschoss des Neubaus 500 Exponate von 56 Leihgebern aus vier Ländern. Sie zeigt den Komponisten und Theaterreformer, den Hofkapellmeister und Festspielgründer, den Revolutionär und Exilanten, den Kapitalismuskritiker, Schuldner und den Antisemiten in seiner Zeit. Auf die Folgen wie etwa Hitlers Wagner-Wahn geht sie nicht ein.

Wagner lehrte sein Publikum, Deutsch zu fühlen. Nicht-Deutsche waren für Wagner Juden. Vor ihnen empfand er Ekel. Das Original seiner antisemitischen Hetzschrift vom "Judenthum in der Musik" ist ein besonders wichtiges, erschütterndes Exponat. Jeder Wagner-Fan versucht, die Schönheit der Musik zu trennen von Wagners Ideologie. Was schwierig ist, wenn Sigmund seine Waffe, das Schwert, musikalisch heiligt.

Menschen gehen durch die Ausstellung "Richard Wagner und das deutsche Gefühl". (Quelle: dpa/Wolfgang Kumm)
| Bild: dpa/Wolfgang Kumm

Widersprüchlichkeit von Wagner

"Die Musik enthält Ideologie, Rassismus und Antisemitismus", sagt Kurator Michael Steinberg. "Aber man kommt in der Musikgeschichte nicht an Wagner vorbei. Diese Mischung zwischen Schuld und Unschuld, zwischen Ästhetik und Politik ist sehr wesentlich uns sehr kompliziert."

Alles in der Ausstellung zeigt die Widersprüchlichkeit dieses Künstlers, dieser welthistorischen Figur. Wir sehen ein sehr schönes Gemälde des jüdischen Dirigenten Hermann Levi. Er dirigierte die Uraufführung von Wagners "Parsifal" mit dem bitteren Thema des Erlösungs-Antisemitismus.

Schon zu seinen Lebzeiten verehrten Wagner auch jüdische Musikliebhaber. Sigmund, nach dem Helden aus der "Walküre", war der beliebteste jüdische Jungenname zu dieser Zeit.

Noch ein Widerspruch: Wagner inszenierte sich zwar als Revolutionär, schwelgte aber im Luxus. Gut erhalten glänzt einer seiner seidenen Hausschuhe in der Vitrine, eisgrau, hübsch bestickt und sehr vornehm: "Der Hausschuh steht für Wagners Luxus", erklärt Philipp Springer. "Er versuchte, immer die teuerste und exquisiteste Kleidung zu tragen. Sein Luxusleben war ein Problem, weil er sich hoch verschuldete. Erst als Ludwig II. ihn zu finanzieren begann, war Geld kein Problem mehr für Wagner."

Menschen gehen durch die Ausstellung "Richard Wagner und das deutsche Gefühl". (Quelle: dpa/Wolfgang Kumm)
| Bild: dpa/Wolfgang Kumm

Die Ausstellung im Deutschen Historische Museum Unter den Linden im Berlin-Mitte zeigt vom 8. April bis 11. September 2022 den Gefühlstechniker Richard Wagner, der berauscht und der immer wieder abstößt. Eine faszinierende Reise in das 19. Jahrhundert, nicht nur für Wagner-Kenner.

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.04.2022, 16:55 Uhr

Beitrag von Maria Ossowski

2 Kommentare

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  1. 2.

    Auch wenn es gerade in heutiger Zeit schwierig ist:
    Es gilt, die Umstände schneller, direkter Handlungen von denjenigen mit langen Zeitläufen zu unterscheiden.

    Wagner wie auch Marx haben langanhaltende Auswirkungen, der eine völlig anders als der andere. Fürs Deutsche zu sein, war zu Wagners Zeiten nicht unbedingt reaktionär, sondern angesichts der Kleinstaaterei sogar fortschrittlich, die damit gepaarte Ausgrenzung rechnerischer Minderheiten war es nicht.

    Marx hatte ein umfassendes, supranationales Weltbild, also jenseits nationaler Anfeindungen und doch legte er auch Grund für einen recht hölzernen Geschichtsprophetismus, dass unabdingbar eine Stufe der Menschheitsentwicklung der anderen folge. Das hat gerade dazu eingeladen, sich eigensüchtig als Geschichtsmissionare aufzuführen. Allerdings gab es dieses hölzerne Bild auch woanders.

    Ich bin gespannt, wie Beides aufgearbeitet und dargestellt wird, jede Ausstellung ist immer und überall ein Quell des Lernens.

  2. 1.

    Man kann die Geschichte nicht "aufarbeiten". Das war damals so, wie es lief und damit muss man sich abfinden. Auch über die aktuelle Situation wird man in 100 Jahren anders denken, wenn dann überhaupt noch jemand Zeit zum Denken hat.

    Lernen kann man aus der Vergangenheit schon - Konflikte entschärfen, auf den vermeintlichen Gegner zugehen, Kompromisse finden...

    Aber das ist aktuell wohl nicht gerade auf der Tagesordnung. Es ist plötzlich wieder die Zeit der Konfrontation, wie immer geht Aufrüstung und Boykott manchen Leuten nicht schnell genug.

    Ich habe gehofft, das nicht mehr zu erleben.

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