Er ist knapp einen Meter groß, 70 Kilo schwer, aus Bronze, und sein Outfit würde selbst heute noch in einem Swingerclub auffallen. Donatello (ca. 1386–1466) hat diese Skulptur 1435 in Florenz geschaffen, "Amor Attiis" wird er genannt, aber was ist er, dieser lächelnde, sinnliche Kerl, der die Arme hochwirft?

Nach Ansicht von Neville Rowley, Donatello-Experte und Kurator der Berliner Gemädegalerie, hat die Skulptur Attribute verschiedener Götter. "Er kann der Priapus sein. Sein Geschlecht ist offen, seine Hose ist ein bisschen komisch. Man sieht sein Geschlecht. Man sieht auch, dass er Flügel hat, wie Merkur. Es gibt auch eine Schlange. Er könnte Herkules sein oder auch Amor. Er hat auch ein Schwänzchen, er könnte auch ein Faun sein."

"Amor Attiis" gehört zu den großen Meisterwerken von Donatello, dem Florentiner, der sich und seine Kunst ständig neu erschuf und der als einer der Erfinder der Renaissance-Kunst gilt. "Lange vor Botticelli, Raffael und Michelangelo revolutionierte Donatello die Kunst", sagt Dagmar Hirschfelder, die Direktorin der Berliner Gemäldegalerie, die Donatello nun eine neue Ausstellung widmet.

"Er führte neue Themen und Sujets ein. Er nutze unterschiedliche Techniken", so Hirschfelder weiter. "Er orientierte sich an der Antike und erprobte die Linearperspektive im Relief. Er universalisierte seine Figuren und er erschuf Skulpturen von großer Unmittelbarkeit und Lebendigkeit."

Es ist die erste große Donatello-Ausstellung in Berlin, 90 seiner Werke präsentiert die Gemäldegalerie in ihrer Wandelhalle - eigene und Meisterwerke aus Florenz uns Padua. Manche haben italienische Kirchen nie verlassen. Die Skulpturen stehen erstmals auf Augenhöhe, auch der freche "Amor Attiis" mit seiner offenen Hose. Bis zu Donatello waren Skulpturen außer Putten züchtig bekleidet. Der Florentiner legte in dieses Wesen etwas Göttliches. "Das ist sein Gott und das ist wunderbar, ihn auf Augenhöhe zu sehen", so Rowley.

Flachreliefs aus Marmor zeigen ein ganz neues Madonnenbild: die zugewandte Mutter, die ihr Kind hält und betrachtet - nicht jene Maria, die weltentrückt das Gottesschicksal ihres Sohnes ahnt. Donatello liebte Kinder, sie waren die Personifizierung seiner Epoche, sie standen für das sich ständig Erneuernde, Individuelle.

Es gibt zu seinem Leben nicht viele Zeugnisse abseits seiner Skulpturen. Aber laut Neville Rowley war Donatello keine einfache Person, weil er so in seine Kunst vertieft gewesen sei. "Er war sehr großzügig, hatte viele Freunde, Künstler, die mit ihm gearbeitet haben und er war sich selber auch im Klaren, dass er ein großer Künstler war, denn das war nicht normal. Bildhauer signierten ihre Werke nicht. Sie arbeiteten nur für Auftraggeber. Das war die Geburt des Künstlers und Donatello sagt: Ich mache, was ich will. Ihr müsst mich nur bezahlen."

Der alte Donatello ließ seine Werke immer häufiger unvollendet, was sie heute erstaunlich modern macht. In seinen 80 Lebensjahren hat er die Kunstgeschichte revolutioniert. Viele große Meister nach ihm, wie zum Beispiel Mantegna, haben sich an Donatello orientiert. Die Ausstellung in der Berliner Gemäldegalerie zeigt dies vorzüglich. Sie ist ein Höhepunkt des Kunstjahres in der Hauptstadt.

Sendung: rbb24 , 01.09.2022, 21:45 Uhr