rbb24
  1. rbb|24
  2. Kultur

Leider gibt es ein Problem beim Abspielen des Videos.

Video: rbb24 | Fr 09.09.22 | Helena Daehler | Quelle: dpa/Joko

Nachhaltigkeit bei Festivals

Zwischen Ökotoiletten und Coca-Cola als Hauptsponsor

Die Ärzte und Die Toten Hosen spielen klimapositiv in Berlin, das Lollapalooza will sogar das erste Festival mit Nachhaltigkeits-Zertifizierung werden. Doch wie kann das klappen bei Zehntausenden Besuchern? Von Helena Daehler

Wenn Tausende Menschen zu einem Festival reisen, dort feiern und konsumieren ist das automatisch eine Belastung für die Umwelt: Infrastruktur muss aufgebaut werden, für Konzerte wird viel Strom gebraucht und Lebensmittel werden an den Veranstaltungsort transportiert. Viele Festival-Veranstalter versuchen diese Prozesse nun klimapositiv und nachhaltig zu machen, wie etwa bei den Konzerten der Ärzte oder der Toten Hosen auf dem Tempelhofer Feld. Dabei geht es sowohl um die Kompensation als auch um die Einsparung von CO2.

Null CO2-Emissionen sind utopisch

Das möchte auch das Lollapalooza im und rund ums Olympiastadion erreichen. Zehntausende Besucher:innen werden Ende September dort erwartet. Der Vorteil: Die Location bietet bereits viel Infrastruktur. Es gibt Strom, Anschluss an den Öffentlichen Verkehr und sanitäre Anlagen. Trotzdem: "Null CO2-Emissionen zu haben ist unrealistisch", sagt Hanna Mauksch, die beim Lollapalooza verantwortlich für Nachhaltigkeit ist. "Es geht vielmehr darum, wie wir das Festival effizient gestalten können, etwa mit einer wirklich guten lokalen CO2-Kompensation. So werden Emissionen, die nicht eingespart werden können, ausgeglichen.

Als erstes Festival in Deutschland geht das Lollapalooza in den Zertifizierungsprozess ISO 20121 Das ist eine Art TÜV für Veranstaltungen, mit dem Nachhaltigkeit und Effizienz gemessen werden. Die ISO-Zertifizierung wurde durch die Olympischen Spielen in London inspiriert und gibt nicht nur Rahmenbedingungen für die Nachhaltigkeit vor. Sie ermöglicht auch eine unabhängige Überprüfung. Konkrete Zahlen zu den Einsparungen kann das Lollapalooza demnach erst nach der Auswertung liefern.

Berliner Festivals 2022

Seeed spielt den Hauptact beim Lollapalooza

Viele kleine Schritte zur Nachhaltigkeit

Um die Nachhaltigkeits-Ziele zu erreichen, legt das Lollapalooza aber eine Vielzahl von Maßnahmen fest. So gibt es für die Mitarbeitenden an zwei Tagen ausschließlich vegetarisches Essen. Auf dem Gelände ist der "grüne Kiez" eingerichtet, in dem sich alles um Nachhaltigkeit und vegane Lebensformen dreht. Besucher:innen dürfen ihre eigene Wasserflasche mitnehmen und an mehreren Trinkbrunnen gratis auffüllen.

Der Verzicht auf Fleisch sei beim Thema Nachhaltigkeit ein zentraler Punkt, sagt Paolo-Daniele Murgia, der Festivals bei der Umsetzung von klimapositiven Maßnahmen unterstützt. "Auf Fleisch zu verzichten für ein Wochenende muss drin liegen. Es macht sehr viel aus bei den Emissionen, teilweise bis zu 30 oder 40 Prozent." Ausschließlich fleischlose Kost anbieten, wollen die Lollapalooza-Veranstalter dieses Jahr aber noch nicht. Die Änderungen sollen sukzessive vorgenommen werden. Im kommenden Jahr wolle man das vegane Angebot weiter ausbauen.

Interview | Finanzierung von Festivals

"Wenn die Politik nicht bald hilft, wird es wirklich ruhig werden in Brandenburg"

Nach zwei Jahren Pandemie starten die Festivals in Brandenburg alle wieder so richtig durch - könnte man meinen. Doch der Gründer des Wurzelfestivals zeichnet ein anderes Bild: explodierende Kosten und ausgebliebene Landeshilfen machten vielen extrem zu schaffen.

Coca-Cola als Sponsor, aber Nachhaltigkeit

Im Zertifizierungsprozess spielen jedoch auch Zulieferer und andere involvierte Unternehmen eine Rolle. Gut möglich, dass die Lollapallooza-Veranstalter während des Zertifizierungs-Prozesses zur Zusammenarbeit mit Coca-Cola, einem der Hauptsponsoren, Fragen beantworten müssen. Zumal der Getränke-Produzent das Unternehmen ist, das im Jahr 2021 weltweit am meisten Plastikmüll produziert hat.

Grundsätzlich ist Jana Posth, Projektleiterin vom Lollapalooza, überzeugt: Dass Menschen auf Festivals gehen, um Spaß zu haben und zu feiern, schließt sich mit dem Nachhaltigkeitsgedanken nicht aus. Idealerweise sei ein Festival ein Ort, an dem Menschen inspiriert werden: "Wir wollen nicht mit dem erhobenen Zeigefinger rumlaufen und alle belehren. Wir wollen aufmerksam machen, dass es bestimmte Bereiche gibt, in denen man vielleicht selbst auch was ändern könnte, um nachhaltiger zu leben."

Interview | Festival "Wilde Möhre" in der Lausitz

"Unsere Besucherzahlen sind sogar besser als vor der Pandemie"

Mitten im Wald findet seit 2014 das Festival "Wilde Möhre" statt. Ursprünglich ein einzelnes Wochenende mit Bands, DJs, Kleinkunst und Workshops - doch mit Corona musste das Konzept geändert werden. Jetzt soll es so bleiben, sagt der Veranstalter.

Mehr innovative Ideen gefordert

Großanlässe können an vielen Orten CO2 einsparen – und es müsse noch viel getan werden, sagt Paolo-Daniele Murgia. Innovative Ideen seien gefragt: "Mietzelte, kleine Einkaufsmärkte auf dem Gelände, Mehrwegbecher oder die Möglichkeit eigene Becher mitzubringen." Das gelte vor allem für Festivals mit Übernachtungt.

Murgia berät übrigens auch das Wurzelfestival im Brandenburgischen Niedergörsdorf in Fragen der Nachhaltigkeit. Denn nicht nur für viele Großanlässe ist die Anreise der Besucher:innen ein Faktor, bei dem ein Großteil des CO2-Verbrauchs festgestellt wird, sondern auch bei kleineren Festivals wie eben dem Wurzelfestival mit knapp 10.000 Besucher:innen. Im Ticketpreis mit inbegriffen ist zwar ein Shuttleservice vom nächstgelegenen Bahnhof zum Gelände, viele reisen aber trotzdem mit dem Auto an. Die Züge sind oft voll und das Umsteigen mit Gepäck beschwerlich: "Jedes Jahr sprechen wir die Deutsche Bahn an, ob es nicht Extrazüge geben könnte. Dafür seien wir aber zu klein, kriegen wir als Antwort", so Joana Steinbach, die zuständig ist für die Veranstaltungsplanung.

Wurzelfestival spart 50.000 Einwegbecher

Das Wurzelfestival versucht Nachhaltigkeit in allen Bereichen umzusetzen. Neben Ökotoiletten, bei denen die Ausscheidungen in natürlichen Stoffen wie Sägespänen landen, gab es auf dem Festivalgelände auch das "Urinal für Frauen", welches ohne Wasserspülung funktioniert.

Durch die Einführung eines Mehrwegsystems konnte das Wurzelfestival in diesem Jahr 50.000 Einwegbecher einsparen, das entspricht einer halben Tonne Kunststoff. Trotzdem fällt noch viel Müll an. "Wir schaffen es relativ gut, den Müll während der Veranstaltung zu trennen. Nur während des Aufbaus wollen wir in Zukunft strenger sein."

Was allerdings danach mit dem getrennten Müll passiert, sei nicht transparent genug – und verärgert Joana Steinbach: "Uns wird zwar vom Entsorger gesagt, dass der Müll nach der Abholung recycelt wird, aber ob das wirklich passiert, können wir nicht nachprüfen!" Eine CO2-Bilanzierung, und somit eine Kontrolle der Zulieferer und Entsorger, wäre für das kleine Festival in Niedergörsdorf zu kostenintensiv.

Sendung: rbb24 Abendschau, 09.09.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Helena Daehler

Artikel im mobilen Angebot lesen