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Audio: Antenne Brandenburg | 08.06.2022 | Josefine Janert | Quelle: rbb/J. Janert

Bernau

Hoffnungstaler Stiftung Lobetal eröffnet Büro für Leichte Sprache

Um das Verstehen von komplizierten Texten zu ermöglichen, hat die Hoffnungstaler Stiftung Lobetal ein Büro für Leichte Sprache eröffnet. Menschen mit geistiger Behinderung überpüfen, ob die Formulierungen verständlich sind. Von Josefine Janert

"Qualifizierungsbausteine" – das Wort ist so lang und umständlich, dass es manchem nur schwer über die Lippen kommt. Und dann steht es noch zusammen mit zwei weiteren abstrakten Wörtern: "Anerkannte Qualifizierungsbausteine der IHK".

Die Heilpädagogin Katja Leonhardt schüttelt den Kopf: "Das verstehen wir nicht, oder, Hans?", wendet sie sich einem älteren Mann zu. Ihre Kollegin, die Heilerziehungspflegerin Laura Arnold, fragt in die Runde: "Wie können wir das sagen? Vielleicht 'Fortbildungen der IHK' und darunter: 'IHK heißt Industrie- und Handelskammer'?" Glücklich ist sie mit ihrer Alternative noch nicht. Denn auch Abkürzungen fallen der Gruppe schwer.

Leonhardt und Arnold arbeiten bei der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal. In dieser diakonischen Einrichtung werden Menschen mit geistiger Behinderung betreut. Viele von ihnen haben Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben. Deshalb haben die beiden Frauen seit dem Herbst ein Büro für Leichte Sprache aufgebaut. Es wird für fünf Jahre von der Aktion Mensch gefördert.

Fremdwörter und Anglizismen bedeuten Stress

Einmal pro Woche treffen sich Leonhardt und Arnold in einer Galerie in Bernau mit einer Prüfgruppe, zu der sechs Menschen mit Behinderung gehören. Normalerweise gehen sie Schritt für Schritt Texte durch, die die beiden Frauen zuvor in Leichte Sprache übertragen haben. Heute lesen sie aber einen Artikel aus einer Publikation der Stiftung. Der Autor möchte wissen, ob er verständlich formuliert hat.

Begreifen sie etwas nicht, heben die Teilnehmenden rote Schilder hoch. Darauf steht: "Halt! Bitte Leichte Sprache". Das geschieht oft – wenn die Sätze zu lang sind oder wenn abstrakte Wörter darin auftauchen. Auch Fremdwörter und Anglizismen bereiten der Prüfgruppe Stress. Ein Mann erzählt, wie er sich im Alltag mit solchen Satzbestandteilen herumplagt: "Na, wenn Briefe vom Sozialamt kommen. Mir gefällt, dass ich das, was wir hier übersetzen, dann auch wirklich verstehen kann."

Im Februar 2020, kurz vor dem Pandemie-Ausbruch, besuchte er eine Schulung, um an der Prüfgruppe teilnehmen zu können. Auch Katja Leonhardt und Laura Arnold haben sich fortgebildet, um Texte übersetzen und die Prüfgruppe moderieren zu können. "Wir haben festgestellt, dass es Prüfer gibt, die sich in der Gruppe eher trauen, etwas zu sagen", erklärt Arnold. "Es ist schön, wenn so eine Art Diskussion entsteht. Dann finden wir einen Kompromiss, wie’s für alle verständlich ist." Würden die beiden Frauen nur mit einem Prüfer arbeiten, bekämen sie nur eine Meinung.

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Auch Seniorinnen und Senioren profitieren

Die Idee, Texte für Menschen mit geistiger Behinderung zu schreiben, entstand in den 1970er-Jahren in den USA. Zwanzig Jahre später erreichte sie die Bundesrepublik. Inzwischen gibt es neben der Leichten noch die Einfache Sprache, die etwas mehr Hürden hat. Kritiker wenden ein, dass die Leichte Sprache komplizierte Sachverhalte zu stark simplifiziere. Doch der Erfolg der Texte und die Klickzahlen geben eher den Befürwortern Recht. Der Bedarf ist groß. Auch Menschen mit kognitiven Erkrankungen, Seniorinnen und Senioren und einige Migranten profitieren von den kurzen Sätzen.

Das Büro für Leichte Sprache überträgt für die Hoffnungstaler Stiftung Lobetal Texte für den internen Gebrauch. Auch Brandenburger Behörden, das Grundbildungszentrum der Kreisvolkshochschule Bernau und andere potenzielle Auftraggeber haben Bedarf angemeldet. Laura Arnold und Katja Leonhardt haben schon Texte für Gemeindebriefe und Websites von evangelischen Gemeinden übersetzt – und in Zusammenarbeit mit einem Geistlichen auch religiöse Texte.

Quelle: Büro für leichte Sprache

Die Landeskirche will ihre Homepage übersetzen lassen

"Bis zum Jahresende wollen wir alle wesentlichen Inhalte unserer Homepage übertragen lassen", sagt die Pröbstin Christina-Maria Bammel von der evangelischen Landeskirche. Inwieweit das Büro der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal daran mitwirkt, ist aber noch offen. Für Mitarbeitende der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) soll es künftig mehr Fortbildungen für Leichte Sprache geben, kündigt die Theologin Bammel an: Sie sollen sich noch besser verständlich machen können.

Sendung: Antenne Brandenburg, 08.06.2022, 21:30 Uhr

Beitrag von Josefine Janert

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