Interview | rbb-Intendantin Patricia Schlesinger - "Wir klären die Vorwürfe, lassen alles prüfen"

Fr 22.07.22 | 18:00 Uhr
Patricia Schlesinger, die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) bei einem Interview. (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
dpa/Britta Pedersen
Video: rbb24 Inforadio | 22.07.2022 | Interview mit Patricia Schlesinger | Bild: dpa/Britta Pedersen Download (mp3, 11 MB)

Gegen die rbb-Spitze werden zurzeit schwere Vorwürfe erhoben: Im Interview weist Intendantin Patricia Schlesinger Berichte über eine Kostenexplosion beim geplanten digitalen Medienhaus zurück - und äußert sich zu ihrer eigenen Zukunft.

Gegen den Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) und speziell Intendantin Patricia Schlesinger werden seit geraumer Zeit schwere Vorwürfe erhoben: Es geht unter anderem um Beraterverträge, für ihren Ehemann und im Zusammenhang mit dem geplanten digitalen Medienhaus des rbb. Hier sollen Firmen zum Zuge gekommen sein, die eine Verbindung zum Vorsitzenden des rbb-Verwaltungsrates Wolf-Dieter Wolf hatten. Wolf lässt wegen der Vorwürfe sein Amt derzeit ruhen.

rbb: Frau Schlesinger, warum lassen Sie Ihr Amt nicht auch ruhen, bis die Vorwürfe geklärt sind?

Patricia Schlesinger: Wir machen es anders. Wir klären diese Vorwürfe, einen nach dem anderen. Wir haben hier im Haus gerade eine Compliance-Anwaltskanzlei, die nichts anderes tut, als zu gucken, ob alles rechtmäßig gelaufen ist. Ich stehe mit dem, was ich seit Jahrzehnten mache, voll und ganz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seit 2016 für den rbb. Wir warten jetzt ab, was diese Untersuchungen herausbringen. Noch sind es mehr Mutmaßungen, Behauptungen für Verknüpfungen, die vielleicht so auch nicht immer stimmen.

Aber, nachgefragt, würde das die Sache nicht leichter machen, wenn Sie ein Zeichen setzen und sagen: 'Ich ziehe mich zurück'? So wie es Herr Wolf auch getan hat.

Ich glaube, das ist etwas anders. Ich setze ein Zeichen, auch was mein Gehalt angeht. Wir lassen gerade vom Verwaltungsrat erneut meinen Vertrag prüfen. Der hat ihn ja beschlossen. Auch die tatsächlich leistungsabhängige Vergütung lassen wir noch mal prüfen. Wir sind da eher anders unterwegs und sagen: Ich arbeite jetzt weiter, und wir gucken uns dann an, was daraus wird.

Sie waren Anfang der Woche in den Hauptausschuss des Brandenburger Landtags geladen, da wurde über die Vorwürfe diskutiert. Sie sind nicht hingegangen, haben sich schriftlich geäußert. Dafür gab es Kritik von allen Parteien im Brandenburger Landtag. Von heute aus betrachtet: War es ein Fehler, nicht hinzugehen?

Das kann man so und so sehen. Es gibt Situationen, die man kaum gewinnen kann. Wir waren an dem Zeitpunkt, wo wir die Compliance-Untersuchungen hier im Haus gerade begonnen hatten. Und ich habe gesagt, mit Respekt vor dieser Compliance-Untersuchung gehe ich da besser nicht hin. Die Vorsitzende des Rundfunkrates hat es ähnlich gesehen für sich. Sie war auch eingeladen. Und die jetzt amtierende Vorsitzende des Verwaltungsrates auch.

Und von daher haben wir unabhängig voneinander Erklärungen abgegeben, warum das gerade keinen Sinn macht. Wir haben ja fast jeden Tag neue Fakten auf dem Tisch. Von daher wäre alles, was man dann sagt, vielleicht wenige Stunden später schon wieder Makulatur oder überholt. Das muss man einfach mitbedenken in dem Fall. Aber wir geben allen Abgeordneten die Gelegenheit, und das ist auch schon erfolgt, Fragen zu stellen, die wir beantworten.

Wo ist denn jetzt der Unterschied? Also man könnte auch sagen, Sie haben vielleicht Angst vor Nachfragen oder dass das irgendwie unangenehm werden könnte. Sie sagen ja: möglichst so viel Transparenz wie irgendwie nur geht. Aber wie passt das dann zusammen, nicht in den Hauptausschuss zu gehen?

Ich glaube, in der momentanen Situation, in der wir es tatsächlich auch mit juristischen Belangen zu tun haben, macht das keinen Sinn. Jedes Interview, das ich gebe, wird juristisch begleitet. Und das macht Sinn für den rbb, für die gesamte Geschäftsleitung und für mich. Und aus dem Grund haben wir gesagt, wir machen es im Moment nicht. Auch weil die Faktenlage wirklich noch nicht bis zu Ende geklärt ist.

Wir haben jetzt einen Fragenkatalog bekommen, den werden wir abarbeiten und selbstverständlich beantworten. Und ich habe allen Fraktionen angeboten, ich komme sehr gerne, spreche mit den Fraktionsvorsitzenden und oder mit der gesamten Fraktion, jeweils im geschützten Raum.

Aber das widerspricht sich dann nicht mit der Tatsache, dass eben gegenwärtig die Untersuchungen laufen und sich die Erkenntnisse auch von Tag zu Tag ändern können?

Das kann man in einem geschützten Raum besser betrachten. Das kennen Sie doch auch.

Kommen wir mal zu einer der ganz zentralen Fragen: Sie haben ja auch entschieden, weil eben die Untersuchungen laufen, die Planungen für das digitale Medienhaus erst mal zu stoppen. Sie haben sinngemäß gesagt, der rbb-Leitung sei bei Anbahnung der Verträge nicht bekannt gewesen, dass es da möglicherweise Kontakte gegeben hat oder Verbindungen zum Vorsitzenden des Verwaltungsrates?

Nach unserer Kenntnis hatte Wolf-Dieter Wolf zu der Zeit, als wir unseren Vertrag gemacht haben, mit diesem Berater oder Planer, wie immer man es nennen mag, keinerlei Geschäftsbeziehungen.

Gut also, das wird untersucht. Und es ist ja auch eine auswärtige Rechtsanwaltskanzlei damit gerade beschäftigt, sich das genau anzuschauen. Die arbeiten seit dieser Woche. Kann man absehen, wann es konkrete Ergebnisse gibt?

Das wäre mir ganz lieb, wenn das möglichst schnell ginge. Ich hatte die Hoffnung, es dauert vier bis sechs Wochen, höre aber auch aufgrund von Urlaubszeiten, auch in der Kanzlei, dauert das wahrscheinlich bis Mitte/Ende September, im schlechteren Fall bis Anfang Oktober. Das ist das, was wir bisher gehört haben.

Lassen Sie uns noch mal über Geld reden. Das digitale Medienhaus ist ja eine ziemlich teure Angelegenheit, und die Kosten werden höher. Ursprünglich war von 60 Millionen Euro die Rede, jetzt etwa das Dreifache, wird spekuliert. Was am Ende rauskommt, weiß keiner. Aber jeder weiß, wenn man so ein Projekt stoppt, dann wird es nicht billiger. Was kommt da möglicherweise noch auf den rbb zu?

Sie haben recht, es wird unter Umständen nicht billiger, wenn man es stoppt. Die Zahlen, die jetzt in der "Bild"-Zeitung kursieren, sind aus einer Simulation, einer von vielen Berechnungen. Wir prüfen, wir nehmen an, wir gucken uns die Zahlen genau an. Es gibt bisher keine Entscheidung. Die endgültige Zahl, was uns das kosten wird, die haben wir erst im nächsten Jahr. Und erst dann fällt eine Entscheidung.

Wir müssen immer auch sehen: Es gibt in diesem Haus sehr viel Sanierung, Instandhaltung Ertüchtigung zu leisten, weil über die letzten Jahrzehnte hier einfach nichts oder nur sehr wenig passiert ist. Wir müssen uns dem annehmen. Wir haben hier ein Parkhaus, das zusammenfällt. Wir haben einen Probenraum fürs Orchester, wo es reinregnet. Das sind nur zwei Beispiele. Wir haben hier einen Sanierungsbedarf zwischen 70 und 80 Millionen Euro ohnehin für die nächsten Jahre. Sonst werden uns auch bestimmte Anlagen und bestimmte Räume stillgelegt, das hat auch etwas mit Brandschutz und Energieeffizienz zu tun. Das ist eine große Herausforderung.

Diese Herausforderung haben alle Landesrundfunkanstalten in Deutschland selbstverständlich. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs KEF überprüft das gerade auch, das heißt die Immobilienbewirtschaftung aller Landesrundfunkanstalten wird untersucht. Auch übrigens durch eine externe Firma, die von der KEF beauftragt ist.

Wir haben gesagt, wir stoppen jetzt erstmal den Neubau, werden aber die Entwicklung in die Digitalisierung, auch das nähere Zusammenrücken zwischen Redaktionen, Hörfunk, Fernsehen, Online und Produktion, weiter vorantreiben. Ich bin sehr froh, dass wir dafür hier inzwischen zwei Etagen im Hochhaus haben, mit denen wir auch schon mal arbeiten können. Es ist alles dokumentiert. Es ist alles mit Kanzleien abgesprochen. Und wir haben jetzt den Punkt, wo wir stoppen. Das wird uns Geld kosten. Ich glaube aber, wenn wir klar haben, dass wir alles ordentlich gemacht haben, wenn das einmal bescheinigt ist, können wir da sauber wieder aufsetzen und weitermachen.

Noch einmal ganz konkret gefragt: Können Sie garantieren, dass das digitale Medienhaus tatsächlich kommt? Oder besteht auch die Gefahr, dass das Projekt stirbt?

Aus jetziger Sicht kann ich sagen, wir entscheiden genau das - im nächsten Jahr.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview mit Patricia Schlesinger führte Dietmar Ringel für das rbb24 Inforadio. Dies ist eine redigierte und gekürzte Fassung des Gesprächs. Die komplette Fassung können Sie oben durch einen Klick ins Bild hören.

Sendung: rbb24 Inforadio, 22.07.2022, 16:45 Uhr

Nächster Artikel