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Audio: rbb24 Inforadio | 18.08.2022 | Stefan Ozsvath | Quelle: rbb/Ozsvath

Brandstelle im Grunewald

Nach dem Ascheregen

In einer Nacht Anfang August wurden Tausende Berliner durch einen lauten Knall geweckt - im Grunewald war der Sprengplatz der Polizei in Brand geraten. Wie sieht es dort eine Woche nach dem Ende des Einsatzes aus?

Bei den ersten Schritten in den Grunewald wirkt alles wie immer: Der Boden knistert an diesem Mittwoch unter den Füßen, die Blätter und Nadeln an den Bäumen leuchten grün. Nichts deutet auf den größten Waldbrand hin, den es bisher in Berlin gegeben hat. In der Nacht auf den 4. August begann er mit einem Knall, der so laut war, dass man ihn kilometerweit hören konnte, gefolgt von weiteren Explosionen.

Fährt man tiefer in den Wald, kann man die Zeichen sehen. Verkohlte Baumstöße, angekokelte Stämme, verbrannte Blätter, auf dem Boden liegt Asche. An manchen Stellen ist es ein apokalyptischer Eindruck. Christian Boletz führt an diesem heißen Augusttag zur Brandstelle, der Berliner Feuerwehrmann ist Experte für Waldbrände. Mehr als eine Woche lang haben er und seine Kolleginnen und Kollegen Schwerstarbeit geleistet, um die Flammen zu ersticken und Schlimmeres zu verhindern. "Betreten ist für uns ohne Feuerwerker der Polizei überall verboten. Selbst wenn’s da jetzt brennt, gehen wir da nicht rein, weil da überall Munition liegt“, sagt Boletz, als er sich im Feuerwehrfahrzeug der Brandstelle nähert.

Als er das erste Mal hierher kam, konnte er nur in einem gepanzerten Fahrzeug ran. Tausende kleinere Explosionen, Patronen wurden durch die Luft geschleudert. Es klang, als würde ein Riese mit seinen Fingern auf einem Blechdach trommeln. Noch zwei Wochen später liegt ein scharfer Brandgeruch in der Luft.

30 Tonnen Zündstoff

50 Hektar Grunewald sind zerstört oder geschädigt worden, aber die Fläche an sich war noch nicht das größte Problem - sondern das, was im Zentrum des Brandes wartete. Denn die Polizei lagerte auf dem Sprenggelände etwa 30 Tonnen alte Granaten, Weltkriegsbomben, Munition und beschlagnahmte Feuerwerkskörper. Seit Jahrzehnten war das so.

Noch heute liegen dermaßen viele Überreste von Bomben und Granaten aus dem Zweiten Weltkrieg im Berliner Boden, dass die Polizei diese Altlasten zuletzt im Schnitt dreimal pro Jahr auf dem Sprengplatz kontrolliert in die Luft jagte. In Zukunft wird das in Brandenburg passieren. Erst am Donnerstag wurde ein 500 Kilo schwerer Blindgänger nahe der Elsenbrücke gefunden.

Ferngesteuerte Roboter, die aussahen wie kleine Pistenraupen, erkundeten das Gelände. Räumpanzer walzten Schneisen in den Wald, damit die Feuerwerker der Polizei bis zum Zentrum des Brandes vordringen konnten. Bis an den Zaun mit seinen Stacheldrahtreihen dürfen wir an diesem Tag mitkommen, den Sprengplatz dahinter zu betreten ist noch immer zu gefährlich. Bis hierher wagte sich Christian Boletz in einem gepanzerten Fahrzeug vor, als die Flammen die Nacht erleuchteten. Was hat er dabei gefühlt? "Angst, Respekt, sagen wir mal. Das Problem ist: Man arbeitet, man handelt, und danach überlegt man vielleicht mal, wo man überhaupt war, wie die Situation war", sagt Boletz.

"Aus Feuerwehrsicht: erstmal sicher"

Auf der Avus und der Bahnstrecke Richtung Potsdam hätte man in diesen Tagen spazierengehen können, kein Auto, kein Zug war zu sehen. Der Sommerwind wehte den Aschegeruch bis weit in die Stadt. Auf dem Tempelhofer Feld sah man die Leute grillen, kleine, dichte Rauchfahnen stiegen über ihnen auf, mit Pappstücken fachten sie ihre Kohle an. Weit hinten kroch die riesige Rauchwolke über den Grunewald. Es war ein surrealer Anblick.

Die Polizei unterstützte Boletz und seine Kollegen mit Wasserwerfern, die Feuerwehr fuhr mit ihren Tanklöschfahrzeugen Runde um Runde und wässerte die Ränder. Schläuche von 20 Kilometern Länge brauchte die Feuerwehr für den Einsatz. Löschhubschrauber aus Sachsen flogen über dem Grunewald, ließen mit jeder Ladung Hunderte Liter Wasser auf die Flammen klatschen. "Hier sind keine Brand- und Glutnester mehr. Aus Feuerwehrsicht: erstmal sicher", sagt Christian Boletz am Mittwoch. Mehr als 180 Stunden hat der Einsatz gedauert.

Polizeibeamte und Flatterbänder am Kronprinzessinnenweg sollen bald durch einen Zaun ersetzt werden, sagt die Feuerwehr. Die Polizei bestätigt das nicht. Auch nicht, ob Security den Sprengplatz im Wald ständig bewacht oder nur Stichprobenkontrollen macht - Top Secret. Der Feuerwehrmann Boletz sagt, auch er halte einen Zaun um das Gelände für sinnvoll: "Durch die Explosion ist mit Sicherheit Munition nach außen gelangt. So richtig beurteilen kann man das nicht, weil die Polizeifeuerwerker erstmal noch mit dem Sprengplatz zu tun haben und der Wald hier sowieso nicht betreten wird. Es wird in Zukunft durch Fachfirmen untersucht, was hier rausgeschleudert wurde und nun wirklich im Wald liegt", sagt er.

Der Berliner Feuerwehrmann Christian Boletz. | Quelle: rbb/Ozsvath

Sprengstoff wird nach Brandenburg gebracht

Es ist nicht auszuschließen, dass der Brand einen Glücksfall für den einen oder anderen Verbrecher bedeutet - denn auf dem Sprengplatz wurden auch Beweisstücke gelagert. Ob durch den Brand auf dem Sprengplatz "ermittlungsrelevante Asservate zerstört wurden", könne noch nicht gesagt werden, sagt die Polizeioberkommissarin Undine Schmidt.

Aufgefundene Kampfmittel, also Munition und Sprengstoffe, bringt die Polizei zusammen mit den benachbarten Kollegen in Munitionszwischenlager in Brandenburg. Was zu gefährlich ist, um transportiert zu werden, sprengen die Fachleute noch vor Ort – am Mittwoch wies die Polizei deshalb darauf hin, es könne immer mal wieder im Wald knallen. Aber alles kontrolliert.

Ein Viertel der Berliner Stadtfläche besteht aus Wald, der bisher größte Waldbrand der Stadtgeschichte gibt einen Vorgeschmack auf das, was durch Trockenheit und Hitze infolge des Klimawandels in Zukunft noch öfter drohen dürfte. "Das Thema wird immer größer und uns noch lange begleiten. Wir sind stetig dabei unsere Taktiken und Konzepte zu überarbeiten", sagt Boletz. Bis September will die Feuerwehr Bilanz ziehen, ob ihre bisherige Ausstattung für die künftigen Aufgaben reicht.

Video | Waldbrand ausgebrochen

Amateur-Aufnahmen zeigen Explosionen im Berliner Grunewald

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie hier.

Bereich um den Sprengplatz bleibt wohl noch jahrelang gesperrt

Die Ursache des Brandes kennt die Polizei bis heute nicht, sie ermittelt noch. Und sie stellt die Wasser- und Stromversorgung auf dem Gelände wieder her, räumt die verkohlten Reste von den Wegen. Der Bereich um den Sprengplatz werde noch einige Jahre lang gesperrt bleiben, so lange, bis die verstreuten Munitionsreste eingesammelt seien, sagte der Forstchef Heyne am Donnerstag. Aber er sei zuversichtlich, dass die Natur sich erhole. "Ich weiß, dass der Wald mit solchen Dingen ganz gut umgehen kann", sagt er. Im Grunewald wütete kein Vollfeuer wie bei anderen Waldbränden, wenigstens das.

Viele Kiefern sind abgestorben. In all der schwarz-grauen Asche aber lässt sich an manchen Stellen etwas erkennen, das ein wenig Hoffnung gibt: Angeregt durch das viele Löschwasser sind zarte, grüne Triebe emporgewachsen. Die Bäume holen sich ihren Grunewald zurück.

Mit Informationen von Stephan Ozsvath, rbb24 Inforadio, und Norbert Siegmund, rbb24 Abendschau

Sendung: rbb24 Abendschau, 17.08.2022, 19:30 Uhr

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